Die Dosis macht nicht immer das Gift |
Laura Rudolph |
28.11.2023 18:00 Uhr |
Neben Polymorphismen in Genen für HLA-Antigene oder für bestimmte Stoffwechselenzyme fördern auch nicht genetische Risikofaktoren die Entwicklung einer idiosynkratischen DILI. Diese sind in der europäischen Leitlinie »Drug-induced liver injury« der European Association for the Study of the Liver (EASL) zusammengefasst (»Journal of Hepatology« 2019, DOI: 10.1016/j.jhep.2019.02.014).
Demnach steigt das DILI-Risiko mit dem Alter (Stichwort Polymedikation) an. Frauen haben zudem ein erhöhtes Risiko bei der Anwendung von bestimmten Substanzen wie Minocyclin oder Nitrofurantoin. Weitere Risikofaktoren sind etwa eine Schwangerschaft, bestimmte Lebererkrankungen wie chronische Hepatitis B oder C sowie Alkoholkonsum, Mangelernährung und Übergewicht.
Ebenso ist eine immunvermittelte Genese einer DILI möglich, bei der reaktive Metaboliten eine Autoimmunität gegen Hepatozyten fördern. Potenzielle Auslöser einer solchen Autoimmunhepatitis sind beispielsweise Nitrofurantoin, Diclofenac oder Statine.
Betrachtet man den Arzneistoff isoliert, begünstigen etwa die folgenden Eigenschaften eine Hepatotoxizität: Tagesdosis > 100 mg, hohe Lipophilie, ausgeprägter CYP-Metabolismus sowie das Potenzial zur Erzeugung von oxidativem Stress.
Wie hoch ist das hepatotoxische Risiko eines bestimmten Arzneistoffs? Diese Frage beantwortet die frei zugängliche Datenbank »Livertox« des US-amerikanischen National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK). Sie enthält Informationen, Symptombeschreibungen, Fallberichte und weiterführende Literaturhinweise zu mehr als 1000 Rx- und OTC-Arzneistoffen inklusive Phytopharmaka sowie zu Nahrungsergänzungsmitteln.
Medikamentöse Leberschäden lassen sich nur schwer von anderen Lebererkrankungen unterscheiden. Hepatotoxische Arzneistoffe können potenziell alle Zelltypen der Leber inklusive Hepatozyten, Cholangiozyten, Endothel-, Stern- und Immunzellen schädigen, dementsprechend kann eine DILI andere Erkrankungen imitieren. Sie kann sich durch unspezifische Symptome wie eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus), Juckreiz und Müdigkeit oder im fortgeschrittenen Stadium auch eine hepatische Enzephalopathie oder Störungen der Blutgerinnung äußern.
Im Labor zeigen sich bei einer DILI in der Regel veränderte Leberwerte wie Transaminasen, alkalische Phosphatase, Bilirubin sowie für die Blutmarker INR, Quick und Albumin. Je nach Höhe der Leberwerte lassen
sich Schädigungen verschiedener Zelltypen (hepatozelluläre, cholestatische oder gemischte Muster) voneinander differenzieren.
Eine DILI ist meist eine Ausschlussdiagnose, weshalb auch eine ausführliche Anamnese unerlässlich ist. Diese sollte folgendes abfragen: Hat der Arzneistoff hepatotoxisches Potenzial? Traten die ersten Symptome beziehungsweise Leberwerterhöhungen in zeitlichem Zusammenhang zum Therapiestart auf? Können nicht medikamentöse Ursachen ausgeschlossen werden?
Lautet die Diagnose DILI, ist es essenziell, das auslösende Medikament schnellstmöglich abzusetzen. Je nach Arzneistoff ist zudem die Gabe eines Antidots möglich, etwa N-Acetylcystein bei einer Paracetamol-Überdosierung oder L-Carnithin zur Behandlung einer Valproat-Intoxikation. In manchen Fällen kann auch eine Corticosteroid-Therapie sinnvoll sein, etwa bei einer medikamenteninduzierten Autoimmunhepatitis.