Diabetes ist auch Hautsache |
Juckreiz (Pruritus) ist ein unangenehmes Hautgefühl, das akut und chronisch auftreten kann. Von einem chronischen Pruritus spricht man, wenn das Hautjucken über sechs Wochen dauerhaft anhält. Juckreiz kann bei Menschen mit Diabetes am ganzen Körper auftreten, ist aber meistens an den Extremitäten, der Kopfhaut, Vulva und Anus lokalisiert. Die Haut sieht unverändert und gesund aus, doch durch ständiges Kratzen kommt es zu Verletzungen, die sich infizieren können. Juckreiz löst einen hohen Leidensdruck aus und senkt deutlich die Lebensqualität der Betroffenen.
Da Juckreiz ein Symptom verschiedener systemischer Erkrankungen sein kann, ist die Differenzialdiagnose aufwendig. Dabei sollten ein Diabetes mellitus oder ein Prädiabetes mit erwogen werden. Verminderte Glucosetoleranz und erhöhte (Nüchtern-)Blutzuckerspiegel führen zu anhaltendem Juckreiz, der ein erstes Zeichen einer beginnenden Stoffwechselerkrankung sein kann. Eine Blutzuckerbestimmung in der Apotheke könnte einen ersten Anhaltspunkt geben. Weitere Untersuchungen gehören natürlich in die ärztliche Praxis. Bei 35 bis 40 Prozent der Patienten mit Juckreiz ist ein Diabetes oder Prädiabetes die Ursache.
Typisch und quälend ist der chronische Juckreiz auch bei einer diabetischen Nephropathie und/oder Neuropathie. Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet darunter. In jedem Fall spielen oxidativer Stress und AGE eine zentrale Rolle; bei der Nephropathie kommen Veränderungen der Basalmembran der Haut hinzu. Bei der Neuropathie verstärken die Freisetzung von Histamin und Zytokinen, Störungen im Polyol-Metabolismus und die Anhäufung von Sorbitol das Problem zusätzlich.
Weitere triggernde Faktoren für den Juckreiz können mangelnde Flüssigkeitszufuhr und Exsikkose, trockene Haut, Hypohidrosis (zu wenig Schwitzen), Verlust des Säureschutzmantels sowie orale Antidiabetika wie Glimepirid und Metformin sein. Die UAW der trockenen Haut entsteht durch die insulinotrope Wirkung, zum Beispiel von Glimepirid, wodurch sich vermehrt AGE bilden.
In der 2021 aktualisierten S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus (1) wird grundsätzlich eine Basistherapie empfohlen, die rückfettend ist, hydratisiert und die physiologische Hautbarriere stabilisiert. Hydratisierende Zusätze von Harnstoff (3 Prozent), Milchsäure und Glycerin unterstützen die Basispflege und sind am besten in einer W/O-Emulsion eingearbeitet. Weitere topische Therapeutika bei chronischem Juckreiz sind in Tabelle 1 genannt. Zum Waschen sind pH-neutrale Seifen zu verwenden und die Haut sollte mindestens einmal am Tag eingecremt werden.
Für eine systemische Therapie sind Gabapentin (maximal 3600 mg/d) oder Pregabalin (maximal 600 mg/d) die Mittel der ersten Wahl. Die systemische Therapie kann zeitweise zusätzlich zu der topischen Therapie erforderlich sein. Das Apothekenteam sollte dem Patienten unbedingt erklären, dass die tägliche Basistherapie das wichtigste Standbein der Behandlung ist. Aus der großen Vielfalt an Cremes oder Lotionen kann in der Beratung eine gut abgestimmte Zubereitung ausgewählt oder auch als Individualrezeptur dem Kunden angeboten werden.
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Hinweis |
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Lokalanästhetika | Menthol, Benzocain, Campher, Lidocain, Polidocanol | Polidocanol 2 bis 10 Prozent in Kombination mit 3 Prozent Harnstoff, länger anhaltende Wirkung |
Glucocorticoide | Hydrocortison, Betametason | nur kurzfristig, nur bei entzündlich veränderter Haut |
Capsaicin als 0,3-prozentige Creme oder 8-prozentiges Pflaster | Capsaicin | bei neuropathischem Juckreiz, bei nicht Histamin-induziertem nephrogenen Juckreiz |