Diabetes ist auch Hautsache |
Egal in welchem Alter: Ein Diabetes betrifft immer auch die Haut. / Foto: Adobe Stock/Kristina
Bei etwa 70 bis 75 Prozent aller Menschen mit Diabetes mellitus zeigen sich Hautsymptome oder pathologische Hautveränderungen im Verlauf der Erkrankung. Spezifisch für einen Diabetes sind diese nicht, jedoch treten sie häufig gemeinsam auf. Klinisch relevant sind bakterielle und fungale Infektionen, gefäßbedingte Probleme sowie Hautveränderungen durch die medikamentöse Therapie und deren Applikation. Die Pathomechanismen sind noch nicht für alle Erkrankungen geklärt. Übergeordnet lassen sich Diabetes-assoziierte Hautveränderungen in drei Gruppen einteilen:
Eine gute Blutzuckereinstellung nützt nicht nur dem Stoffwechsel, sondern auch der Haut. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Oxidativer Stress spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Hautveränderungen. Bei Menschen mit Diabetes entstehen bei der endogenen Glucoseoxidation und Glykierung vermehrt freie reaktive Sauerstoffradikale. Diese Sauerstoffradikale führen dazu, dass eine irreversible Glykierung mit Glucose, Fructose und Galactose von körpereigenen Proteinen, Lipiden und Nucleinsäuren stattfindet, die dann als sogenannte Advanced Glycation Endproducts (AGE) vorliegen. Diese AGE binden unter anderem an Rezeptoren (RAGE) auf Entzündungszellen und dadurch wird Freisetzung inflammatorischer Zytokine in Gang gesetzt. Eine Entzündungsreaktion ist die Folge.
Zudem stören AGE-Produkte die Keratinozyten-Differenzierung und begünstigen Veränderungen elastischer Fasern der Haut und an Kapillaren. Die Folgen sind eine schlechtere Hautbarrierefunktion und trockene Haut, die anfälliger für Hautinfektionen ist und eine verzögerte Wundheilung zeigt (1).
Juckreiz (Pruritus) ist ein unangenehmes Hautgefühl, das akut und chronisch auftreten kann. Von einem chronischen Pruritus spricht man, wenn das Hautjucken über sechs Wochen dauerhaft anhält. Juckreiz kann bei Menschen mit Diabetes am ganzen Körper auftreten, ist aber meistens an den Extremitäten, der Kopfhaut, Vulva und Anus lokalisiert. Die Haut sieht unverändert und gesund aus, doch durch ständiges Kratzen kommt es zu Verletzungen, die sich infizieren können. Juckreiz löst einen hohen Leidensdruck aus und senkt deutlich die Lebensqualität der Betroffenen.
Da Juckreiz ein Symptom verschiedener systemischer Erkrankungen sein kann, ist die Differenzialdiagnose aufwendig. Dabei sollten ein Diabetes mellitus oder ein Prädiabetes mit erwogen werden. Verminderte Glucosetoleranz und erhöhte (Nüchtern-)Blutzuckerspiegel führen zu anhaltendem Juckreiz, der ein erstes Zeichen einer beginnenden Stoffwechselerkrankung sein kann. Eine Blutzuckerbestimmung in der Apotheke könnte einen ersten Anhaltspunkt geben. Weitere Untersuchungen gehören natürlich in die ärztliche Praxis. Bei 35 bis 40 Prozent der Patienten mit Juckreiz ist ein Diabetes oder Prädiabetes die Ursache.
Typisch und quälend ist der chronische Juckreiz auch bei einer diabetischen Nephropathie und/oder Neuropathie. Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet darunter. In jedem Fall spielen oxidativer Stress und AGE eine zentrale Rolle; bei der Nephropathie kommen Veränderungen der Basalmembran der Haut hinzu. Bei der Neuropathie verstärken die Freisetzung von Histamin und Zytokinen, Störungen im Polyol-Metabolismus und die Anhäufung von Sorbitol das Problem zusätzlich.
Weitere triggernde Faktoren für den Juckreiz können mangelnde Flüssigkeitszufuhr und Exsikkose, trockene Haut, Hypohidrosis (zu wenig Schwitzen), Verlust des Säureschutzmantels sowie orale Antidiabetika wie Glimepirid und Metformin sein. Die UAW der trockenen Haut entsteht durch die insulinotrope Wirkung, zum Beispiel von Glimepirid, wodurch sich vermehrt AGE bilden.
In der 2021 aktualisierten S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des chronischen Pruritus (1) wird grundsätzlich eine Basistherapie empfohlen, die rückfettend ist, hydratisiert und die physiologische Hautbarriere stabilisiert. Hydratisierende Zusätze von Harnstoff (3 Prozent), Milchsäure und Glycerin unterstützen die Basispflege und sind am besten in einer W/O-Emulsion eingearbeitet. Weitere topische Therapeutika bei chronischem Juckreiz sind in Tabelle 1 genannt. Zum Waschen sind pH-neutrale Seifen zu verwenden und die Haut sollte mindestens einmal am Tag eingecremt werden.
Für eine systemische Therapie sind Gabapentin (maximal 3600 mg/d) oder Pregabalin (maximal 600 mg/d) die Mittel der ersten Wahl. Die systemische Therapie kann zeitweise zusätzlich zu der topischen Therapie erforderlich sein. Das Apothekenteam sollte dem Patienten unbedingt erklären, dass die tägliche Basistherapie das wichtigste Standbein der Behandlung ist. Aus der großen Vielfalt an Cremes oder Lotionen kann in der Beratung eine gut abgestimmte Zubereitung ausgewählt oder auch als Individualrezeptur dem Kunden angeboten werden.
Wirkstoffgruppe | Wirkstoffe | Hinweis |
---|---|---|
Lokalanästhetika | Menthol, Benzocain, Campher, Lidocain, Polidocanol | Polidocanol 2 bis 10 Prozent in Kombination mit 3 Prozent Harnstoff, länger anhaltende Wirkung |
Glucocorticoide | Hydrocortison, Betametason | nur kurzfristig, nur bei entzündlich veränderter Haut |
Capsaicin als 0,3-prozentige Creme oder 8-prozentiges Pflaster | Capsaicin | bei neuropathischem Juckreiz, bei nicht Histamin-induziertem nephrogenen Juckreiz |
Hautinfektionen, unter anderem mit Pilzen, kommen bei Menschen mit Diabetes häufiger vor, wenn die Stoffwechseleinstellung schlecht ist. Zum Teil schon vor der Diagnosestellung treten Candida-Infektionen gehäuft auf, vor allem im Anal- und Genitalbereich, an Hautfalten unter den Mammae und in der Leiste. Die Patienten bemerken zunächst meist einen unangenehmen Juckreiz. Die Behandlung erfolgt topisch mit Antimykotika wie Nystatin oder Clotrimazol. Langfristig hilft nur die normnahe Blutzuckereinstellung, da Hautinfektionen bei gut eingestellten Patienten nicht häufiger auftreten als bei Stoffwechselgesunden.
Auch die Fußzehennägel sind bei Menschen mit Diabetes häufiger infiziert. Der Nagelpilz zeigt sich in Verfärbungen, Verformungen und Verdickungen der Nagelplatte. Zeitgleich tritt häufig Fußpilz in den Zehenzwischenräumen auf, da es sich um dieselben Erreger (Dermatophyten, Fadenpilze) handelt. Werden Fuß- und Nagelpilz nicht konsequent behandelt, können Bakterien einwandern und das diabetische Fußsyndrom fördern.
Die Behandlung erfolgt systemisch, zum Beispiel mit Fluconazol oder Itraconazol, wobei unbedingt relevante Wechselwirkungen, zum Beispiel mit Lipidsenkern, zu berücksichtigen sind. Topisch werden bei Nagelpilz meist Terbinafin, Amorolfin oder Ciclopiroxolamin eingesetzt; das Apothekenteam sollte auf eine ausreichend lange Behandlung (bis zu sechs Monaten) hinweisen und individuell geeignete Darreichungsformen empfehlen.
Bakterielle Erreger können verschiedene Hauterkrankungen hervorrufen und treten ebenfalls häufiger auf, je schlechter der Diabetes eingestellt ist. Ein typischer Erreger ist Staphylococcus aureus, der eitrige Nagelwallinfektionen und Nagelgeschwüre (Paronchie, Panaritium am Finger) sowie Abszesse in Hautfalten, Furunkel und Karbunkel (Haarbalgentzündungen) auslöst. Die Abszesse sollten gegebenenfalls chirurgisch ausgeräumt, gereinigt und systemisch antibiotisch mit Clindamycin plus Ciprofloxacin oder Amoxicillin plus Clavulansäure behandelt werden.
Das Erysipel (Wundrose) wird durch β-hämolysierende Streptokokken in der Dermis und den dermalen Lymphgefäßen ausgelöst. Die anfänglichen Symptome sind scharf begrenzte, plaqueartige Rötungen an Unterschenkel oder Arm, seltener im Gesicht. Die Rötung breitet sich schnell aus. Der Patient leidet an weiteren Beschwerden wie brennenden Schmerzen, Berührungsempfindlichkeit, Überwärmung der Haut, Lymphadenitis, Fieber und Schüttelfrost und fühlt sich sehr krank.
Die Therapie muss zügig erfolgen mit Penicillin V oder Cephalosporinen über fünf Tage, als intravenöse oder orale Gabe. Bei einer Penicillin-Allergie können die Ärzte auf Makrolide oder Clindamycin ausweichen. Der Patient muss strikte Bettruhe einhalten, um Komplikationen oder einen komplizierten Verlauf zu vermeiden.
Es beginnt mit Kribbeln oder einer kleinen, schlecht heilenden Verletzung an den Füßen. Die Rede ist von einem diabetischen oder neuropathischen Fuß, auch Diabetisches Fußsyndrom (DFS) oder »Diabetiker-Fuß« genannt. Dies ist eine krankhafte Veränderung des Fußapparats, die sich mit schlecht heilenden chronischen Wunden manifestiert und so erst für die Patienten sichtbar wird. Schmerzen spüren sie als erstes Warnsignal häufig nicht, da Nervenschädigungen (diabetische Polyneuropathie) das Schmerzempfinden reduzieren oder ganz ausschalten. In fortgeschrittenen Stadien drohen Ulkus, Infektionen bis zu Knochen und Gelenken und sogar die Amputation.
Das DFS ist eine Folge des dauerhaft erhöhten HbA1c-Werts (meist über 8 Prozent), der zu chronischen Schäden an Augen, Nieren und eben auch an den Füßen führt. Infolge der Hyperglykämie (primäre Ursache) kommt es zur Schädigung der großen und kleinen Blutgefäße mit fehlender Regulation des Gefäßtonus (diabetische Angiopathie). Dadurch entstehen Durchblutungsstörungen in den Extremitäten, insbesondere den Füßen (2).
Nach der Diagnose ist die erste Maßnahme die sofortige Druckentlastung des betroffenen Areals. Das bedeutet für den Patienten: Bettruhe, Gehstützen oder Rollstuhl. Anschließend kann die lokale Behandlung der Wunde beginnen, die gegebenenfalls von einer systemischen antibiotischen Therapie begleitet wird. Die effektive Druckentlastung des Fußes muss über den gesamten Behandlungszeitraum beibehalten werden.
Da die Therapie des DFS sehr langwierig und belastend ist und nur begrenzte Erfolgsaussichten hat, ist die Prävention umso wichtiger (Kasten). Diese gelingt besonders gut, wenn die Beratung in der Apotheke und die ärztliche Beratung gleichlautend sind.
Foto: Adobe Stock/Udo Bojahr
Um ein diabetisches Fußsyndrom zu vermeiden, sind eine gute Haut- und Nagelpflege sowie Aufmerksamkeit für die Haut essenziell. Dazu gehören:
Sinnvolle Hilfsmittel und Pflegeartikel sind:
Diese Hauterkrankung tritt häufig bei Menschen mit Typ-2-Diabetes im späteren Verlauf der Erkrankung auf. Besonders häufig sind Männer betroffen. Als Erstes kommt es am Hals zu symmetrischen, schmerzlos verdickten Hautarealen, die an »Orangenhaut« erinnern. Die Hautveränderung breitet sich über den Rumpf, die Arme, Handflächen und Finger aus. Bei massiver Hautverdickung und Verdickung der Sehnen kann es sogar zu Bewegungseinschränkungen der Gelenke im Bereich der Arme und Finger kommen.
Eine Ursache liegt in der Veränderung des Bindegewebes durch die Einlagerung von glykierten Proteinen (AGE), was letztlich die Elastizität vonHaut und Gelenken reduziert. Der Verlauf ist chronisch progredient. Mit einer optimalen Stoffwechseleinstellung lässt sich die Progredienz verlangsamen. Symptomatisch wird eine PUVA-Therapie oder auch alleinige UVA1-Therapie, also ohne photosensibilisierende Substanzen, angewendet.
Je nach Ätiologie gibt es verschiedene Formen der Acanthosis nigricans; bei Menschen mit Diabetes ist es die Form durch endokrinologische Störungen. Sie kommt gehäuft vor, insbesondere wenn zugleich eine Adipositas und/oder ein metabolisches Syndrom vorliegen.
Die Haut zeigt unscharf begrenzte, flächige, schmutzig aussehende Hyperpigmentierungen und Hyperkeratosen, die besonders am Hals, in der Leiste und Achselregion symmetrisch auftreten. Die Haut ist hellbraun bis grau-schwarz verfärbt; ihre Oberfläche wirkt durch die Hyperkeratose vergröbert. Die Hautfalten sind typischerweise ausgespart, was als »deck-chair-sign« bezeichnet wird.
Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt; man sieht jedoch einen Zusammenhang mit der Insulinresistenz. Die erhöhten Insulinspiegel als Folge der Insulinresistenz beim Typ-2-Diabetes führen zur vermehrten Bildung von Insulinrezeptoren. Diese liegen auch in der Epidermis vor und fördern die Keratinozyten-Proliferation. Folglich besteht die Therapie langfristig darin, eine optimale Stoffwechseleinstellung zu erreichen. Topisch werden Retinoide, Harnstoff und Salicylsäure gegen die Hyperkeratose angewendet.
Eine diabetische Dermopathie tritt bei etwa 10 Prozent der Menschen mit Diabetes auf. Typisch sind multiple, rötlich bis bräunliche atrophische Hautareale, die hauptsächlich an den Unterschenkel-Streckseiten auftreten. Als Ursache wird eine Mikroangiopathie in den dermalen Gefäßen und damit ein negativer Einfluss (verzögerte Wundheilung) auf kleinste Verletzungen vermutet. In Gewebeuntersuchungen finden sich Hyalin-Einlagerungen. Therapeutisch sinnvoll ist nur die gute Einstellung des Diabetes (3).
Die Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) tritt zwar gehäuft bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen auf, ist bei »alleinigem« Diabetes als Grundkrankheit allerdings sehr selten. Typisch sind scharf abgegrenzte, weißliche Hautflecken. Man geht von einem multifaktoriellen Geschehen aus. Eine der Hauptursachen ist die zytotoxische Reaktion gegen Melanozyten. Eine heilende Therapie gibt es derzeit nicht, therapeutisch sollen die Grunderkrankungen optimal behandelt werden.
Etliche weitere Hautveränderungen kommen bei Patienten mit Diabetes mellitus vor, sind aber eher selten, zum Beispiel Gelbknoten (Xanthome), allergisches Kontaktekzem (zum Teil durch Diabetes-Devices), Necrobiosis lipoidica, Bullosis diabeticorum, diabetische Cheiropathie und Lichen ruber planus.
Orale Antidiabetika, Injektabilia wie Insuline und GLP-1-Agonisten sowie die zur Applikation und kontinuierlichen Glucosemessung notwendigen Medizinprodukte (Devices) können Hautreaktionen als Nebenwirkung (UAW) hervorrufen. Die Tabelle 2 gibt eine Übersicht.
Antidiabetika, Insulin, Devices | Unerwünschte Hautreaktion |
---|---|
DPP-4-Inhibitoren (Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitoren) | bullöses Pemphigoid, Stevens-Johnson-Syndrom, Urtikaria, Angioödem (Schwellung von Dermis, Subkutis oder Submukosa) |
SGLT-2-Inhibitoren (Sodium Dependent Glucose Cotransporter-2-Inhibitor) | vaginale Pilzinfektion, Vulvovaginitis, Balanitis, Harnwegsinfektionen, einschließlich Pyelonephritis und Urosepsis |
Biguanide: Metformin | Erythem, Pruritus und Urtikaria |
Alpha-Glucosidase-Hemmer: Acarbose | Erythem, Exanthem, Urtikaria, akutes generalisierendes pustulöses Exanthem |
Sulfonylharnstoffe | Typ-III-Allergie, Pruritus, Urtikaria, Erythema nodosum, morbilliforme oder makulopapulöse Exantheme, erhöhte Photosensibilität, Purpura |
Glitazone | Ödeme, Flüssigkeitsretention und subkutane Fetteinlagerungen |
Glucagon-like peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-Agonisten) | sklerosierendes Lipogranulom |
Insulin | lokal: Erythem, Juckreiz, Verhärtung, noduläre Amyloidose (Anhäufung von Amyloidablagerungen in der Dermis), Lipoatrophie, Lipohypertrophie |
Hilfsmittel, Devices | |
Insulinpumpe (CSII: Continuous Subcutaneous Insuline Infusion) | Lipoatrophie, Lipohypertrophie, Narben, Infektionen |
Insulinpumpe, kontinuierliche Glucosemessung (CGM) | Kontaktdermatitis |
Bei den inzwischen breit eingesetzten DPP-4-Hemmern (Gliptine wie Sita-, Saxa- und Vildaglitin) werden vermehrt Hauterkrankungen mit Blasenbildung, Ulzerationen, Hautausschlag und das bullöse Pemphigoid beobachtet. Letzteres tritt eher bei älteren Patienten und bei Männern auf (4). Ursache für das bullöse Pemphigoid ist eine Autoimmunreaktion gegen Proteine in der dermoepidermalen Junktionszone, die sich in Form von juckenden Bläschen und Läsionen auf der Haut zeigt. Es ist keine häufige Nebenwirkung, sollte aber beachtet werden. Bei der Medikationsanalyse kann der Apotheker nachfragen und die Beobachtung gegebenenfalls an den Arzt weiterleiten. Bestätigt sich die UAW, sollte das Gliptin abgesetzt werden und eine topische symptomatische Behandlung erfolgen. Ein Wechsel zu einem anderen Gliptin ist nicht empfehlenswert.
Schon bei kleinen Auffälligkeiten an Haut und Nägeln sollte der Diabetespatient einen Arzt aufsuchen. / Foto: Adobe Stock/ArTo
Ist im Medikationsplan ein SGLT-2-Hemmer zu finden, sollte der Apotheker nach genitalen Pilzinfektionen und Harnwegsinfektionen fragen. Diese sind entsprechend antimykotisch (topisch) oder mit einem Antibiotikum (systemisch) zu behandeln. Bei rezidivierenden Infektionen (mehrmals im Jahr) sollte versucht werden, den Blutzuckerspiegel unter Beibehaltung der SGLT-2-Hemmer mit weiteren Antidiabetika zu senken. Wenn das nicht zum Erfolg führt, müssen die SGLT-2-Hemmer abgesetzt und durch andere Antidiabetika ersetzt werden.
Bei den nur noch selten eingesetzten Sulfonylharnstoffen können photoallergische Reaktionen (insbesondere bei Glibenclamid) auftreten, die in eine chronisch-persistierende Lichtreaktion übergehen können. Um die chronische Lichtreaktion zu verhindern, sollte die Medikation beim ersten Auftreten von lichtbedingten Symptomen umgestellt werden, zum Beispiel auf den Wirkstoff Glimepirid oder am besten auf eine andere Arzneistoffgruppe.
Die weiteren in Tabelle 2 genannten oralen Antidiabetika führen deutlich seltener zu unerwünschten Hautreaktionen.
Die subkutane Insulinapplikation kann zu lokalen Reaktionen wie Juckreiz, Erythemen, juckenden Knoten und Indurationen (pathologische Verhärtung eines Gewebes durch einen chronischen Reiz, zum Beispiel durch stumpfe Nadeln) führen. Diese Hautreaktionen sind inzwischen selten geworden, da hochreine Humaninsuline und bessere kürzere Nadelsysteme zum Einsatz kommen.
Gerade bei Menschen mit Typ-1- oder mit insulinpflichtigem Typ-2-Diabetes kann sich das Unterhautfettgewebe im Bereich der Insulin-Einstichstellen verändern. Meist kommt es zu einer Lipoatrophie, die sich als schmerzlose Hauteindellung zeigt. Seltener kommt es zum Gegenteil, der Lipohypertrophie. Diese sogenannten »Insulintumoren«, die aus Fett und Bindegewebe bestehen, haben vermutlich ihre Ursache in der lipogenen Wirkung des Insulins.
Gerade bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann sich das Unterhautfettgewebe verändern, wenn immer wieder in das gleiche Areal gespritzt wird. Meist bildet sich eine Lipoatrophie, seltener eine Lipohypertrophie. / Foto: Adobe Stock/S.Kobold
Fettgewebsdystrophien entstehen in den ersten ein bis zwei Jahren nach Therapiebeginn. Einerseits sind sie ein kosmetisches Problem und sehr belastend für die Patienten, wenn diese Stellen, beispielsweise beim Sport, sichtbar werden. Andererseits erschweren sie die Blutzuckereinstellung durch die nicht kalkulierbare Insulinresorption. Auch das kann Stress und eine schlechte Adhärenz auslösen. Es ist äußerst wichtig, auf den regelmäßigen Wechsel der Nadeln und der Injektionsstellen hinzuweisen, denn Fettgewebsdystrophien können nur prophylaktisch verhindert werden. Es gibt keine Therapie. Die regelmäßige Beratung in der Apotheke unterstützt somit die Prophylaxe, die auch bei jeder ärztlichen Kontrolluntersuchung stattfindet.
Wenn Jugendliche mit Typ-1-Diabetes auf die Applikationsform einer Insulinpumpe umsteigen, kommt es häufig zu massiven Reizungen, Juckreiz oder sogar Abszessen in der Haut. Bei der Insulinpumpe gibt es Nadelsysteme (Stahlkanülen), die bei stärkerer Bewegung zu massiven Hautreizungen führen. Hier kann ein Wechsel des Systems auf dünne flexible Teflonkanülen sinnvoll sein. Allerdings ist die Applikation der Teflonkanülen schmerzhafter, da deren Durchmesser größer ist als der Durchmesser der Stahlkanülen. Während des Tragens ist die Teflonkanüle angenehmer, da sie bei Bewegungen nicht picksen kann.
Hautreizungen durch die Kleber der Pflaster beziehungsweise Klebeflächen können bei Verwendung von Pumpen mit Kanülensystemen, bei Patchpumpen und bei den Sensoren zur kontinuierlichen Gewebezuckermessung (CGM) auftreten (Tabelle 2). Die verwendeten Klebstoffe sind zumeist auf Acrylatbasis, was Reizungen, Entzündung und Juckreiz auslösen kann. In manchen Fällen ist es möglich, das System eines anderen Herstellers auszuprobieren, bei Patchpumpen oder CGM-Systemen ist die Auswahl sehr begrenzt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine Hautschutzlösung (Beispiel: Cavilon®) vor der Applikation des Systems aufzutragen. Leider hält die Fixierung der Kanüle dann etwas schlechter, was sich mit einem zusätzlichen hautverträglichen Fixierpflaster verbessern lässt.
Insgesamt sind Hautreizungen durch Klebermaterialien schwer dauerhaft in den Griff zu bekommen und der Patient muss viel ausprobieren. Hier können Muster der Pflaster (ohne Kanüle) helfen, die der Patient vorab auf Verträglichkeit testen kann.
Künftig dürften Hautreizungen durch Klebermaterialien und Kanülen deutlich zunehmen, da zwei kürzlich aktualisierte Leitlinien ausdrücklich die kontinuierliche Glucosemessung (CGM) empfehlen. So wird die CGM in der S3-Leitlinie zur Therapie des Typ-1-Diabetes als Standard in der Glucoseüberwachung bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und als »integraler Bestandteil einer sicheren Therapie unter Vermeidung von Hypoglykämien« bezeichnet. Dies gilt speziell für junge Patienten mit Typ-1-Diabetes, wie die vor wenigen Tagen erschienene S3-Leitlinie zum Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter betont. Danach solle die CGM allen Kindern und Jugendlichen mit ICT- oder Insulinpumpentherapie angeboten werden; die Erweiterung zum AID-System (automatisierte Insulinzufuhr via Pumpe) müsse gegeben sein.
Sehr viele Menschen mit Diabetes haben eine trockene Haut. Damit die Hautbarriere so gut es geht intakt bleibt, sollten häufiges Waschen und lange, sehr warme Wannenbäder vermieden werden. Zudem sollte die Haut täglich nach dem Duschen (Reinigungsmittel mit leicht saurem pH-Wert) eingecremt werden. Hier sind Harnstoff-haltige W/O-Emulsionen empfehlenswert. Der Lipidanteil sollte so gewählt werden, dass es nicht zu einem zu fettigen Hautgefühl und einer Okklusion kommt.
Patienten mit Diabetes sind dankbar für eine individuelle Beratung und zunächst kleinere Packungsgrößen, bis die optimale, gut verträgliche Körperpflege gefunden ist. Gerade junge Männer sollten in puncto Hautpflege und regelmäßiges Eincremen empathisch beraten werden.
Die Haut ist regelmäßig zu »überprüfen« und schon kleinste Veränderungen sollten mit dem Diabetologen und/oder Hautarzt besprochen werden. Es ist vorteilhaft für den Patienten und eine effiziente Therapie, wenn die ärztlichen Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Bei der Beratung kann das Apothekenteam für dieses Thema sensibilisieren oder beim Kauf von Pflegeprodukten immer wieder nach dem Hautbild fragen.
Sehr aufmerksam sollte das Apothekenteam ebenfalls sein, wenn Patienten über Hautsymptome wie Juckreiz, fleckige Veränderungen oder kleine schlecht heilende Wunden berichten. Dann ist es wichtig, genauer nachzufragen und gegebenenfalls dringend an den betreuenden Arzt zu verweisen. Wenn beispielsweise Wundschnellverbände gehäuft gekauft werden, so kann man nachfragen, wo diese hauptsächlich angewendet werden. Dies kann erste Hinweise auf ein beginnendes DFS liefern. Eine konsequente Wundbehandlung ist unerlässlich.
70 bis 75 Prozent aller Menschen mit Diabetes haben Veränderungen oder eine Erkrankung der Haut. Bei 30 Prozent sind Hautveränderungen schon vor der Erstdiagnose des Diabetes mellitus vorhanden. Damit sind diese äußerlichen Symptome ein wichtiges Zeichen, das einerseits behandelt werden muss und andererseits der ärztlichen Diagnose dient. Die Sensibilisierung für Veränderungen und beginnende Erkrankungen der Haut ist ein wichtiger Bestandteil in der pharmazeutischen Beratung der (Diabetes-)Patienten, sodass Hautveränderungen frühzeitig wahrgenommen und zum Arzt übergeleitet werden können.
Ilsabe Behrens erhielt 1990 die Approbation als Apothekerin und wurde 1996 promoviert. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ihrer mehr als 20 Jahre langen Offizintätigkeit war die Betreuung von Menschen mit Diabetes. Parallel widmete sich Dr. Behrens den Themen Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, zunächst in einer großen Apotheke in Hamburg, dann in pharmazeutischen Unternehmen. Derzeit übt sie in einem Pharmaunternehmen die Tätigkeit als Qualified Person gemäß § 14 AMG aus und leitet die operative Qualitätssicherung.