Deutlich mehr Kinder Corona-infiziert als vermutet |
Anhand von Blutproben untersuchen Forscher des Helmholtz Zentrums München nicht nur, ob Kinder Autoantikörper gegen Pankreaszellen aufweisen, sondern auch, ob sie Antikörper gegen das Coronavirus gebildet haben (Symbolbild). / Foto: Getty Images/aquaArts studio
In Bayern läuft seit einigen Jahren die Fr1da-Studie, bei der Kinder untersucht werden, ob sie ein Frühstadium von Typ-1-Diabetes zeigen. Der Nachweis erfolgt durch Autoantikörper, die sich gegen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse richten. Die dafür abgenommenen Blutproben werden seit dem letzten Jahr auch auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 untersucht. Seit Januar 2020 waren es Blutproben von 26.903 Kindern im Alter von einem bis zehn Jahren (15.523 während der ersten und 11.380 während der zweiten Welle). Die Studiendaten wurden vor Kurzem auf einem Preprintserver von »Cell« veröffentlicht.
»Während der ersten Welle im Frühjahr 2020 zeigten die Testergebnisse bei den untersuchten Kindern eine SARS-CoV-2-Antikörperhäufigkeit von 0,87 Prozent«, heißt es in einer Pressemitteilung des federführenden Helmholtz-Zentrums München. Während der zweiten Coronawelle im Herbst und Winter stieg der Anteil bei den getesteten Vorschulkindern bis Februar auf 5,6 Prozent, bei Schulkindern sogar auf 8,4 Prozent. »Insgesamt war die Antikörperhäufigkeit am Ende der zweiten Welle (Januar und Februar 2021) etwa achtmal höher als am Ende der ersten Welle (April bis Juli 2020)«, resümieren die Forscher. Zudem zeigten die Ergebnisse, dass in der zweiten Welle drei- bis viermal mehr Vorschul- und Schulkinder in Bayern mit SARS-CoV-2 infiziert waren als über PCR-Tests gemeldet.
Dies sei wahrscheinlich zum Teil auf asymptomatische Fälle zurückzuführen, erklärt der Erstautor der Studie, Markus Hippich. Von den 446 Kindern, die in der zweiten Welle positiv auf Antikörper getestet wurden, füllten 92,6 Prozent der Eltern Fragebögen zu Symptomen aus. Demnach hatten 68,0 Prozent der Vorschulkinder und 51,2 Prozent der Schulkinder mit Antikörpern keine Covid-19-Symptome gehabt.
Der starke Anstieg der SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern während der zweiten Welle ist nach Vermutung der Forschungsgruppe der allgemein höheren Virusexposition im Herbst und Winter, Schulöffnungen und neuen infektiöseren Virusvarianten geschuldet. »Oft wird angenommen, dass Kinder eine geringere Anfälligkeit für eine SARS-CoV-2-Infektion haben als Erwachsene. Die Datenlage dazu ist jedoch spärlich«, meint Studienleiterin Professor Dr. Anette-Gabriele Ziegler. »Die Ergebnisse unserer Studie zeigen deutlich, dass sowohl Kinder im Vorschul- als auch im Schulalter für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich sind.« Um das Infektionsgeschehen in dieser Gruppe besser in den Griff zu bekommen, könnten Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung in Kindergärten und Schulen hilfreich sein.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.