Der Druck muss runter |
Optimale Zielwerte werden und wurden schon immer kontrovers diskutiert. Zu Beginn hieß es »140 plus Alter« für den systolischen Bereich, was für einen 60-Jährigen schon Werte um 200 mmHg bedeutete. Dann einigte man sich auf 160/95 mmHg und schließlich wurden Zielwerte unter 140/90 mmHg, bezogen auf die Praxismessung, empfohlen (3).
Es gibt aber durchaus immer wieder Gründe, diese Zielwerte zu individualisieren. Dies wird in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Hypertonie vom Juni 2023 (7) deutlich, die keine starren Werte, sondern Blutdruck-Zielkorridore zwischen 120/70 und 160/90 mmHg angibt. Diese Zielkorridore dienen als Orientierung zur Festsetzung individueller Blutdruckziele und ermöglichen es, persönliche Präferenzen und die Lebenssituation einzubeziehen. So wird trotz eines hohen kardiovaskulären Risikos nicht automatisch ein niedriges Blutdruckziel gewählt, wenn ein alter Mensch durch Arzneimittelnebenwirkungen stark belastet würde, die Adhärenz durch eine sehr hohe Tablettenanzahl gefährdet sei oder bei niedrigem kardiovaskulären Risiko besonders der diastolische Blutdruck zu stark abgesenkt werden würde (7).
Wichtig ist, dass die Ziele gemeinsam mit dem Patienten durch eine partizipative Entscheidungsfindung festgelegt werden. Dabei erklärt der Arzt in einer für den Patienten verständlichen Sprache die Diagnosen und stellt die Behandlungsmöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen vor. Im Gespräch wird die Sicht der Betroffenen mit einbezogen, die Präferenzen werden geklärt und schlussendlich konsentierte Vereinbarungen getroffen. Dieses Vorgehen wirkt einer möglichen Non-Adhärenz entgegen.
Die NVL Hypertonie thematisiert auch diese Problematik und empfiehlt, dass Arzt und Patient gemeinsam prüfen, warum eine Therapie nicht ausreichend wirksam ist (7).
Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Steigerung der Adhärenz. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich, basierend auf Daten der Rezepteinlösung, weniger als 50 Prozent der Hypertonie-Patienten an die Therapievorgaben halten (10). Eine andere Studie konnte mit Blut- und Urinuntersuchungen zeigen, dass bei bis zu 35 Prozent der therapieresistenten Patienten keines der verschriebenen Antihypertensiva, bei weiteren 46 Prozent nur ein Teil der Wirkstoffe nachweisbar war.
Patientenschulungen – einzeln oder in Gruppen – können das Selbstmanagement einer Erkrankung und die Selbstwirksamkeit deutlich verbessern. / © Getty Images/Westend61
Eine mangelnde oder fehlende Adhärenz hat nicht nur Auswirkungen auf die Einstellung des Blutdrucks, sondern ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert (11). Adhärenzschulungen in der Apotheke, besonders wenn sie nach der Empfehlung der ESC/ESH-Leitlinie interprofessionell erfolgen, können hier einen wertvollen, wenn nicht überlebenswichtigen Beitrag leisten (12).
Zu den Risikofaktoren für eine schlechte Adhärenz zählen unter anderem ein sehr junges oder sehr hohes Patientenalter, schlechter sozioökonomischer Status, Erkrankungen mit geringer Symptomatik, das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und komplexe Therapieregime. Viele dieser Risikofaktoren sind bei der Therapie des hohen Blutdrucks zu finden. Die Adhärenz kann deutlich gesteigert werden durch: