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Hypertonie

Der Druck muss runter

Bluthochdruck ist noch immer die Volkskrankheit Nummer 1. Trotz antihypertensiver Medikamente gelingt es vielfach nicht, die Werte adäquat einzustellen. Wer wird mit welchen Antihypertensiva und welchen weiteren Maßnahmen sein Blutdruckziel erreichen?
AutorKontaktIsabel Waltering
Datum 04.08.2024  08:00 Uhr

Lange Zeit war der Blutdruck den Ärzten vollkommen unbekannt. Man hatte zwar 1733 an einem wachen Pferd mittels einer Glaskanüle in der Halsarterie die Höhe des Blutdrucks und sein Schwanken im Herzzyklus bestimmt; diese Ergebnisse hatten jedoch kaum Einfluss auf das ärztliche Wirken (1).

Auch nachdem dank Scipione Riva-Rocci und Nicolai Korotkoff der systolische und der diastolische Blutdruck unblutig bestimmt werden konnten und man feststellte, dass bei verschiedenen Menschen die Werte stark schwankten und unterschiedlich hoch waren, ging man davon aus, dass besonders bei älteren und nierenkranken Patienten entsprechend hohe Drücke notwendig seien, um die kranken Organe ausreichend zu durchbluten. Daher leitet sich der Begriff »essenzielle Hypertonie« ab, der heutzutage, aufgrund des unbekannten Ursprungs, fälschlicherweise anstelle des korrekten Ausdrucks »primäre Hypertonie« verwendet wird (2).

Prominentes Opfer dieser Fehleinschätzung war Franklin D. Roosevelt, der mit einem Blutdruckwert von 300/190 mmHg an einem Hirnschlag verstarb. Sein Leibarzt sah keinen Zusammenhang zwischen diesen Werten und dem tödlichen Ereignis (3).

Dieses Beispiel zeigt, dass Bluthochdruck einen relevanten Einfluss auf die häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter hat und einer der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren ist (4). In Deutschland haben 20 bis 30 Millionen Bundesbürger einen ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck. Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz an; drei von vier Menschen zwischen 70 und 80 Jahren sind betroffen. Zugleich werden mehr Patienten behandelt, was zu einer durchschnittlichen Senkung systolischer und diastolischer Blutdruckwerte geführt hat.

Der Anteil unerkannter Hypertonie ist ebenfalls gesunken. Trotzdem weiß einer von fünf Betroffenen nichts von seiner Erkrankung. Auch wenn der Trend durchaus positiv ist: Das Präventionspotenzial in Deutschland ist noch sehr hoch (5).

Wann ist ein Blutdruck zu hoch?

Doch ab welchen Werten spricht man von einem behandlungsbedürftigen Hypertonus? Hypertonie wird meist in Grade eingeteilt (Tabelle 1). Ausschlaggebend für die Einordnung ist immer der höchste gemessene Wert.

Ergeben sich bei der Blutdruckmessung in der Arztpraxis Werte ≥140/90 mmHg, sollte sich zur Bestätigung eine ambulante 24-Stunden-Blutdruckmessung anschließen (ABPM). Ist diese nicht möglich oder wird sie vom Patienten abgelehnt, ist stattdessen eine Heimblutdruckmessung (HBPM) möglich. Dazu wird ein validiertes Gerät verwendet, in das der Patient eingewiesen wurde. Gemessen wird möglichst an sieben Tagen, morgens und abends zweimal im Abstand von einer bis zwei Minuten. Aus allen Messwerten wird der Mittelwert errechnet. Tabelle 2 zeigt die Grenzwerte, die für eine Behandlung sprechen.

Kategorie der Hypertonie Systolisch (mmHg) Diastolisch (mmHg)
Grad 1 140 bis 159 und/oder 90 bis 99
Grad 2 160 bis 179 und/oder 100 bis 109
Grad 3 ≥180 und/oder ≥110
Isolierte systolische Hypertonie ≥140 und <90
Tabelle 1: Definition der Hypertonie; modifiziert nach (7)
Setting Systolischer und diastolischer Blutdruck (mmHg)
Praxisblutdruck ≥140 und/oder ≥90
24-h-Messung 24-h-Durchschnitt ≥130 und/oder ≥80
24-h-Messung Wachzeit (Durchschnitt) ≥135 und/oder ≥85
24-h-Messung Schlaf (Durchschnitt) ≥120 und/oder ≥70
häuslicher Blutdruck ≥135 und/oder ≥85
Tabelle 2: Grenzwerte für den Beginn einer antihypertensiven Therapie; modifiziert nach (7)

Je nach Alter und Begleiterkrankung können die Grenzwerte für eine antihypertensive Therapie variieren. So liegt der Grenzwert beim systolischen Blutdruck bei Über-80-jährigen durchaus bei 160 mmHg. Bei Patienten mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko oder einer manifesten kardiovaskulären Erkrankung (insbesondere bei koronarer Herzkrankheit) kann bereits bei hochnormalem Blutdruck von 130 bis 139 mmHg systolisch eine Therapie erwogen werden. Beim diastolischen Blutdruck ≥90 mmHg ist grundsätzlich eine Behandlung nötig (8).

Warum überhaupt behandeln? Erhöhter Blutdruck steigert das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, allen voran für Schlaganfälle, koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz. Weitere mögliche Folgen sind chronische Niereninsuffizienz oder Demenz (5, 6). Ein unbehandelter Bluthochdruck erhöht das Risiko für eine Demenz um 42 Prozent (6). Mit einer Therapie lässt sich die Gesamtsterblichkeit im mittleren Lebensalter um 29 Prozent reduzieren, die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 37 Prozent und an Schlaganfall um 57 Prozent (9). Diese Zahlen belegen sehr überzeugend, wie wichtig die Therapie des Hypertonus ist.

Was sind Zielblutdruckwerte?

Optimale Zielwerte werden und wurden schon immer kontrovers diskutiert. Zu Beginn hieß es »140 plus Alter« für den systolischen Bereich, was für einen 60-Jährigen schon Werte um 200 mmHg bedeutete. Dann einigte man sich auf 160/95 mmHg und schließlich wurden Zielwerte unter 140/90 mmHg, bezogen auf die Praxismessung, empfohlen (3).

Es gibt aber durchaus immer wieder Gründe, diese Zielwerte zu individualisieren. Dies wird in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Hypertonie vom Juni 2023 (7) deutlich, die keine starren Werte, sondern Blutdruck-Zielkorridore zwischen 120/70 und 160/90 mmHg angibt. Diese Zielkorridore dienen als Orientierung zur Festsetzung individueller Blutdruckziele und ermöglichen es, persönliche Präferenzen und die Lebenssituation einzubeziehen. So wird trotz eines hohen kardiovaskulären Risikos nicht automatisch ein niedriges Blutdruckziel gewählt, wenn ein alter Mensch durch Arzneimittelnebenwirkungen stark belastet würde, die Adhärenz durch eine sehr hohe Tablettenanzahl gefährdet sei oder bei niedrigem kardiovaskulären Risiko besonders der diastolische Blutdruck zu stark abgesenkt werden würde (7).

Wichtig ist, dass die Ziele gemeinsam mit dem Patienten durch eine partizipative Entscheidungsfindung festgelegt werden. Dabei erklärt der Arzt in einer für den Patienten verständlichen Sprache die Diagnosen und stellt die Behandlungsmöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen vor. Im Gespräch wird die Sicht der Betroffenen mit einbezogen, die Präferenzen werden geklärt und schlussendlich konsentierte Vereinbarungen getroffen. Dieses Vorgehen wirkt einer möglichen Non-Adhärenz entgegen.

Non-adhärent oder therapieresistent?

Die NVL Hypertonie thematisiert auch diese Problematik und empfiehlt, dass Arzt und Patient gemeinsam prüfen, warum eine Therapie nicht ausreichend wirksam ist (7).

Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Steigerung der Adhärenz. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich, basierend auf Daten der Rezepteinlösung, weniger als 50 Prozent der Hypertonie-Patienten an die Therapievorgaben halten (10). Eine andere Studie konnte mit Blut- und Urinuntersuchungen zeigen, dass bei bis zu 35 Prozent der therapieresistenten Patienten keines der verschriebenen Antihypertensiva, bei weiteren 46 Prozent nur ein Teil der Wirkstoffe nachweisbar war.

Eine mangelnde oder fehlende Adhärenz hat nicht nur Auswirkungen auf die Einstellung des Blutdrucks, sondern ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert (11). Adhärenzschulungen in der Apotheke, besonders wenn sie nach der Empfehlung der ESC/ESH-Leitlinie interprofessionell erfolgen, können hier einen wertvollen, wenn nicht überlebenswichtigen Beitrag leisten (12).

Zu den Risikofaktoren für eine schlechte Adhärenz zählen unter anderem ein sehr junges oder sehr hohes Patientenalter, schlechter sozioökonomischer Status, Erkrankungen mit geringer Symptomatik, das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) und komplexe Therapieregime. Viele dieser Risikofaktoren sind bei der Therapie des hohen Blutdrucks zu finden. Die Adhärenz kann deutlich gesteigert werden durch:

  • Patientenschulungen zur Verbesserung des Selbstmanagements,
  • Kombination von täglichen Routinen wie Zähneputzen mit der Tabletteneinnahme,
  • Anwendung von Erinnerungshilfen,
  • eine geschickte Auswahl der Antihypertensiva (Kombinationspräparate, niedrige Dosierungen mit einem geringeren Risiko für UAW, Bevorzugung langwirksamer Präparate) und
  • Vermeidung komplexer Therapiepläne (13).

Was ist der beste Blutdrucksenker?

Die Therapie der Hypertonie baut auf zwei Säulen auf: nicht-pharmakologische Maßnahmen und Pharmakotherapie. Bei der Letzterer hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. So startet man heute im Allgemeinen direkt mit einer Kombination aus zwei Wirkstoffen und zumeist mit einer niedrigen Dosierung, die als die Hälfte der empfohlenen Maximaldosis definiert ist (Tabelle 3) (7).

Welcher Blutdrucksenker der »beste« ist, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Dies ist immer vom individuellen Patienten und seinen Erkrankungen und persönlichen Voraussetzungen abhängig. Als Mittel der ersten Wahl kommen Thiazid- und Thiazid-ähnliche Diuretika, ACE-/AT₁-Antagonisten und Calciumkanalblocker infrage. Betablocker werden vor allem bei Patienten mit kardialer Komorbidität wie Herzinsuffizienz, Zustand nach Myokardinfarkt oder Vorhofflimmern empfohlen sowie bei Frauen, die schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen.

Stufe Therapie (bevorzugt Kombipräparate) Bemerkung
1 niedrig dosierte Zweierkombination:
A+C oder A+D
A-/C-Monotherapie bei:
• Grad 1 und sehr niedrigem kardiovaskulären Risiko
• Patienten ab 80 Jahren oder gebrechlichen Personen
2 maximal dosierte Zweierkombination:
A+C oder A+D
ältere Patienten, beginnende Herzinsuffizienz, Zustand nach Apoplex
A+D bei Calciumkanalblocker-Intoleranz
3 Dreierkombination:
A+C+D
4 Viererkombination:
A+C+D+ Spironolacton oder anderer Wirkstoff (wie Bisoprolol, Doxazosin, Amilorid, Eplerenon, Clonidin)
Spironolacton-Dosierung: 12,5 bis 50 mg,
in Kombination mit Kaliumsparer
bei eGFR <45 ml/min/1,73 m² oder Kalium >4,5 mmol/L
Betablocker bei Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Frauen mit (geplanter) Schwangerschaft
Tabelle 3: Pharmakotherapie bei Bluthochdruck, angelehnt an die NVL Hypertonie 2023 (7); am besten startet man mit einer Fixkombination (single pill combination).

Diuretika

Zur antihypertensiven Therapie werden meist Thiazide und Thiazid-ähnliche Antihypertensiva verwendet. Schleifendiuretika kommen eher bei kardialen Ödemen und einer deutlich eingeschränkten Nierenfunktion zum Einsatz.

Der Wirkmechanismus der Blutdrucksenkung ist immer noch nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass Thiazide bei Daueranwendung den peripheren Widerstand senken. Der blutdrucksenkende Effekt ist eine direkte oder indirekte Folge der renal ausgelösten Natrium- und Chloriddepletion; hinzu kommen direkte oder indirekte vaskuläre Effekte.

Thiazide haben eine gute Wirksamkeit und signifikante Effekte auf die Mortalität, Schlaganfälle, koronare Herzerkrankung und gesamtkardiovaskuläre Effekte (14). Dies jedoch nur in niedrigeren Dosierungen, was vermutlich damit zusammenhängt, dass Thiazide einen Ceiling-Effekt haben. Dies bedeutet, dass mit einer Dosissteigerung keine relevante Wirkungssteigerung zu erzielen ist, jedoch die UAW deutlich zunehmen.

Typische UAW der Thiazide sind Diurese, die häufig zu Adhärenzproblemen führen kann, erhöhte Blutglucose-, Triglycerid- und Harnsäure-Spiegel (meist nur bei höheren Dosierungen), Photosensibilisierung mit erhöhtem Risiko für weißen Hautkrebs (als Klasseneffekt vermutet) und Störungen im Elektrolythaushalt (7). Hinsichtlich der Elektrolytstörungen ist das Risiko für Hyponatriämien um 55 Prozent und für Hypokaliämien um 245 Prozent erhöht. Hier gibt es Unterschiede bei den einzelnen Substanzen: Bei Chlorthalidon ist das Risiko besonders hoch, bei Hydrochlorothiazid (HCT) eher niedriger; Indapamid liegt dazwischen.

Generell sind akute Nierenschäden (22,1 versus 7 Prozent), Synkopen (6,3 versus 3,1 Prozent) und Stürze (20,5 versus 7 Prozent) als UAW, verglichen mit Patienten ohne diuretische Therapie, besonders bei Patienten über 70 Jahren und Frauen zu beachten (15).

Zusammenfassend sind Diuretika exzellente und preiswerte Antihypertensiva, aber aufgrund der Diurese bei Patienten relativ unbeliebt. Chlortalidon wäre das Mittel der Wahl, jedoch gibt es kaum Kombinationspräparate und wenig teilbare Fertigarzneimittel. Außerdem ist es, wie auch Indapamid, laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) nur ein Mittel zweiter Wahl (16).

ACE-Hemmer und AT₁-Blocker

ACE-Hemmer blockieren die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II. Dies führt unter anderem zu einem verminderten Widerstand in den Arterien und in den Blutgefäßen der Niere, gesteigerter venöser Kapazität, erhöhter Natriumausscheidung und verringerten Aldosteron-Spiegeln.

AT₁-Blocker (Sartane) hemmen die Aktivierung von AT₁-Rezeptoren, was zu einer direkten Vasodilatation, zu reduzierter Vasopressin-Sekretion und ebenfalls verminderter Produktion und Sekretion von Aldosteron führt. Dies erklärt die vielen Einsatzmöglichkeiten dieser beiden Substanzklassen.

Die relativen Effekte ähneln denen der Diuretika, die Daten sind aber nicht ganz so robust. ACE-Hemmer und Sartane können bei vielen weiteren Indikationen verordnet werden und sind erste Wahl bei Komorbiditäten wie Diabetes, metabolischem Syndrom und chronischer Herzinsuffizienz (Tabelle 3) (7, 14). Zu ACE-Hemmern ist die Datenlage besser als zu AT₁-Blockern. Beide sind teratogen und daher nicht bei geplanter Schwangerschaft indiziert. AT₁-Blocker sind besser verträglich in Bezug auf Reizhusten und Angioödem. Daher können sie die erste Wahl bei Patienten mit Asthma oder COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) sein (7, 17).

Eine der häufigsten UAW ist der Anstieg der Kalium-Blutspiegel. Die Rate von Hyperkaliämien liegt bei 5 Prozent, meist drei Wochen nach Therapiebeginn. Absetzen ist nicht die wichtigste Maßnahme, denn dann nehmen kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität zu. Vielmehr werden Diuretika, eine kaliumarme Diät und Kaliumbinder, zum Beispiel Patiromer, empfohlen (18, 19).

Auf eine Kombination verschiedener RAAS-Hemmer sollte verzichtet werden. Das Risiko für eine Hyperkaliämie steigt um 58 Prozent. Hypertonie und eine Abnahme der Nierenfunktion bis hin zum akuten Nierenversagen können als Folge auftreten (20, 21).

Calciumkanalblocker

Calciumkanalblocker modulieren Calciumkanäle und hemmen so den Einstrom von Calcium-Ionen in die glatte Gefäßmuskulatur und das Myokard. Dies führt zu Vasodilatation, einer direkten Reduktion der Aldosteron-Produktion und bei den Non-Dihydropyridinen (Verapamil, Diltiazem) zu einer Bradykardie und Reduktion der Kontraktionskraft des Herzens.

Diese Substanzklasse ist gut verträglich; die Datenlage ist aber insgesamt schlechter, mit Ausnahme von Daten zum Schlaganfall (14). Da sie metabolisch neutral sind, eignen sie sich hervorragend als Alternative oder als Kombinationspartner zu ACE- oder AT₁-Blockern bei Diabetes und/oder metabolischem Syndrom (7).

Häufig werden zur Blutdrucksenkung die langwirksamen Dihydropyridine Amlodipin und Lercanidipin eingesetzt. Besonders gut senken sie den systolischen Blutdruck. Allerdings sind sie feuchtigkeitsempfindlich und ausgeblistert (Dosette) nicht gut zu lagern. Um Schwankungen in der Bioverfügbarkeit zu vermeiden, sollte Lercanidipin optimalerweise 15 Minuten vor einer Mahlzeit eingenommen werden. Häufige Nebenwirkungen sind Gesichtsrötung, Flush, Schwindel und Kopfschmerzen.

Bei Amlodipin wird häufiger eine Gingivahyperplasie (Zahnfleischwucherung) berichtet, die mit dem Absetzen verschwindet. Auch Ödeme treten häufig auf, die ebenfalls nur durch Absetzen beseitigt werden können; Diuretika haben hier keinen Effekt (22).

In einer Metaanalyse löste Lercanidipin weniger Ödeme aus als andere Dihydropyridine, allerdings wird auch Lercanidipin von der KBV als nachrangig eingestuft (23). Calciumkanalblocker haben, im Unterschied zu den meisten anderen Hypertensiva, ein Potenzial für CYP3A4- und p-Glykoprotein-Interaktionen.

Betablocker

Betablocker sind kompetitive Antagonisten, die Catecholamine wie Adrenalin und Noradrenalin von β-Adrenorezeptoren verdrängen. Daraus ergibt sich eine negativ inotrope, dromotrope, chronotrope und bathmotrope Wirkung.

Für die Blutdrucksenkung relevant ist auch eine verminderte Renin-Freisetzung. Daraus resultieren eine reduzierte Angiotensin-II-Freisetzung, die zur Vasodilatation führt, und eine verminderte Aldosteron-Menge, die die Diurese abschwächt. Das erklärt auch, warum eine Kombination von Betablockern mit RAAS-Hemmern zur reinen Blutdrucksenkung nicht optimal ist.

Insgesamt ist die Wirksamkeit von Betablockern für die Indikation Blutdruck nicht optimal. Weder für die Gesamtmortalität noch für die koronare Herzkrankheit gibt es signifikante relative Effekte und verglichen mit Diuretika ist das Risiko für ein Absetzen aufgrund von Nebenwirkungen fast doppelt so hoch (14).

Zudem treten unter Betablockern bis zu 30 Prozent mehr Diabetes-Diagnosen auf; einzig Nebivolol hat wenig bis keine metabolischen Probleme. Zur Blutdrucksenkung zeigt Carvedilol gewisse Vorteile, da es zusätzlich noch α1-Rezeptoren blockiert.

Maßnahmen bei schlecht einstellbarem Blutdruck

Werden die definierten Zielwerte mit einer Kombination von Diuretika, RAAS-Hemmern und Calciumkanalblockern nicht ausreichend erreicht, sind laut NVL verschiedene Maßnahmen möglich (7):

  • Ansetzen von Spironolacton (wenn Kalium unter 4,5 mmol/L, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate, eGFR, über 35 ml/min/1,73 m²),
  • Hinzunahme von Bisoprolol,
  • Umstellung von HCT oder Chlorthalidon auf Indapamid,
  • Ansetzen von Doxazosin 4 mg retardiert zur Nacht.

Es bestehen weitere Kombinationsmöglichkeiten, zum Beispiel mit Clonidin, Moxonidin oder Minoxidil. Jedoch haben diese Substanzen keinen positiven Einfluss auf kardiovaskuläre Endpunkte und Mortalität, aber ein hohes Nebenwirkungspotenzial (24). Es sollten möglichst unterschiedliche Angriffspunkte miteinander kombiniert und bei älteren Patienten Arzneimittel der PRISCUS-Liste, zum Beispiel Moxonidin, vermieden werden.

Neu zugelassen wurde im April 2024 Aprocitentan (Jeraygo®) für die Behandlung des therapieresistenten Bluthochdrucks. Das Besondere an Aprocitentan ist sein neuartiger Wirkmechanismus. Die Blutdrucksenkung erfolgt über Behinderung der Bindung des Peptids Endothelin-1 (ET-1) an ETA- und ETB-Rezeptoren. ET-1 wird in verschiedenen Zellen und Geweben produziert (Endothelzellen, glatte Muskulatur, Makrophagen, renale Medulla) und führt nach Rezeptorbindung zu Vasokonstriktion, Fibrose, Zellproliferation, Inflammation und Aldosteron-Anstieg. Aprocitentan ist als Add-on-Therapie zugelassen, wenn eine Kombination von drei weiteren Blutdrucksenkern nicht zum gewünschten Zielblutdruck führt. Stand Juli 2024 ist noch kein Fertigpräparat in Deutschland auf dem Markt verfügbar.

Bevor man jedoch die Therapie ändert oder erweitert, ist zuerst immer die Adhärenz zu überprüfen. Dann sollte geprüft werden, ob die Dosis noch zu steigern ist, wie die Blutdruckmessung erfolgt, ob Lebensstilanpassungen möglich sind und eingehalten werden und welche Komedikation angewendet wird.

Eine Reihe von Arzneimitteln kann den Blutdruck sowohl systolisch als auch diastolisch als auch bei beiden Werten erhöhen. Nicht immer ist ein Absetzen möglich, aber eine Erklärung der erhöhten Blutdruckwerte ist häufig möglich. Folgende Arzneimittel können den Blutdruck steigern (25):

  • Kontrazeptiva,
  • nicht-steroidale Antirheumatika, inklusive Paracetamol täglich,
  • abschwellende orale Arzneimittel,
  • Ciclosporin, Erythropoetin,
  • Steroide,
  • orale Antitumormittel, zum Beispiel Tyrosinkinase-Inhibitoren,
  • SNRI, Trizyklika,
  • pflanzliche Arzneimittel, zum Beispiel Ginseng, Ginkgo und Johanniskraut.

Ein gesunder Lebensstil ist nicht erst bei der Diagnose eines Bluthochdrucks sinnvoll, denn mit gezielten Maßnahmen lassen sich das Auftreten von Hypertonie herauszögern, zukünftige kardiovaskuläre Risiken reduzieren und bei Hypertonie Grad 1 eventuell sogar eine pharmakologische Therapie vermeiden. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Maßnahmen und ihre blutdrucksenkende Wirkung. Wichtig ist, dass sich die Auswirkungen jeder einzelnen Maßnahme addieren. Lebensstilmodifikationen sollte das Apothekenteam daher bei jedem Patientenkontakt ansprechen.

Ebenso sollte es auf die Blutdruckmessung hinweisen, denn nicht nur bei der Diagnosestellung, sondern auch bei der Therapieüberwachung hat die häusliche Blutdruckmessung einen höheren Stellenwert bekommen. Dazu ist es von großer Bedeutung, dass die Patienten korrekt in der Durchführung der Messung geschult werden (Kasten) und ein halbautomatisches validiertes Oberarmgerät mit passender Manschette verwenden.

Lebensstilmodifikation Empfehlung Geschätzter Effekt (mmHg) auf systolischen Blutdruck Geschätzter Effekt (mmHg) auf diastolischen Blutdruck
Alkohol nicht mehr als 14 Einheiten pro Woche (1 Einheit = 125 ml Wein oder 250 ml Bier) –4,0 –2,5
Koffein >4 Tassen Kaffee/Tag Effekt unklar, erhöhter Kaffeekonsum ist mit erhöhter kardiovaskulärer Mortalität assoziiert, kein Problem bei Hypertonie Grad 1 Effekt unklar, erhöhter Kaffeekonsum ist mit erhöhter kardiovaskulärer Mortalität assoziiert, kein Problem bei Hypertonie Grad 2
ausgewogene Ernährung viel Obst, Gemüse, fettarme Milchprodukte, reduzierte Salz- und Transfett-Aufnahme –11,0 –5,5
gesundes Gewicht Gewichtsreduktion von 3 bis 9 Prozent bei Patienten mit Übergewicht oder Adipositas –3 bis –8
jedes Kilo Gewichtsverlust ist mit einer durchschnittlichen Senkung von 1 bis 2,4 mmHg assoziiert
–2,4
Bewegung Aktivierung aller großen Muskelgruppen an mindestens zwei Tagen/Woche
mindestens 150 Minuten moderate bis intensive Aktivität oder 75 Minuten hohe Intensität pro Woche
regelmäßig an vier bis fünf Tagen oder täglich
wenig Sitzen, Liegen oder lange Zeiten von Inaktivität
–5,0
Effekt von Bewegung im Ausmaß wie eine antihypertensive Medikation möglich
–4,0
Kalium-Aufnahme Erhöhung der täglichen Kalium-Aufnahme auf 3,5 bis 5,0 g (Tomatensaft, Bananen, Kartoffeln, Spinat, Lachs, Ei…)
Cave: reduzierte Nierenfunktion, Herzinsuffizienz, Diabetes
–3,5 –2,0
Rauchen Rauchverzicht –5,0 –3,1
Tabelle 4: Effekt von Lebensstilmodifikationen; modifiziert nach (26)

Absetzen von Blutdrucksenkern

Eine antihypertensive Therapie ist zumeist lebenslang nötig. Patienten verändern sich jedoch auch. Das Gewicht nimmt oft ab und die Gebrechlichkeit zu; die Medikation wirkt stärker, eventuell auch durch verminderte Ausscheidung. Daher ist es sinnvoll, die Notwendigkeit und Intensität der Blutdruckmedikation zu evaluieren.

Hierzu eignet sich hervorragend die pharmazeutische Dienstleistung »Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck«. Hier werden nicht nur zu hohe, sondern eventuell auch zu niedrige Werte erfasst, für die kein Nutzen belegt ist. Auch Subgruppen mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko (Diabetes, chronische Niereninsuffizienz) profitieren nicht von sehr niedrigen Werten. Bei geriatrischen Patienten stieg in einer Untersuchung bei einem systolischen Blutdruck unter 110 mmHg beziehungsweise bei einem diastolischen Blutdruck unter 65 mmHg die Mortalität kurzfristig um 300 Prozent und langfristig um 280 Prozent an (27, 28). Absetzstrategien und das Vorgehen beim Deprescribing von Antihypertensiva findet man zum Beispiel beim Versorgungsforschungsprojekt COFRAIL (www.cofrail.com).

Apothekerinnen und Apotheker haben eine wichtige Funktion bei der Betreuung von Patienten mit Hypertonie. Ganz an der Spitze stehen die Aufklärung über die Erkrankung und ihre Folgen, über den Nutzen der einzelnen Antihypertensiva sowie fortlaufende Adhärenzschulungen. Informationen zur korrekten Einnahme, zu Therapiekontrolle, Aufbewahrung und Nebenwirkungen ergänzen das Beratungsgespräch. Mit der »Erweiterten Medikationsberatung Polymedikation« und der »Standardisierten Risikoerfassung hoher Blutdruck« stehen bezahlte und sinnvolle pharmazeutische Dienstleistungen zur Verfügung, um dem »silent killer« Hypertonie effektiv zu begegnen.

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