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Hochbetagt zur Operation

Dauermedikation prüfen und anpassen

Immer öfter müssen sich geriatrische Patienten operativen Eingriffen unterziehen. Um Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Wirkungen zu vermeiden, ist die möglichst interdisziplinäre Beurteilung der Medikation vor einer geplanten Operation unerlässlich.
Kirsten Dahse
Rainer Kiefmann
22.10.2020  11:00 Uhr

Einfluss des Alters auf die Pharmakokinetik

Die fortlaufende Optimierung der Therapie nach der Operation und der Entlassung aus dem Krankenhaus ist auch weiterhin relevant. Hier sind der Einfluss des Alterns auf die inneren Organe und somit die Pharmakokinetik und -dynamik zu beachten (Tabelle 5). Ältere Patienten sind häufiger von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) betroffen als Junge. Beispielsweise wirken Opioide, Benzodiazepine und Anticholinergika typischerweise bei geriatrischen Patienten stärker, während das Ansprechen auf Betablocker häufig vermindert ist.

Physiologische Veränderungen Relevante Arzneistoffe/ Arzneiformen
Resorption
Unterhautfettgewebe ↓ Atrophische Altershaut und mangelndes Unterhautfettgewebe können Wirksamkeit von Fentanyl- und Buprenorphin-Pflastern beeinträchtigen.
Magensaftproduktion ↓ Zusätzliche Erhöhung des Magen-pH-Werts durch PPI, H2-Blocker oder Antazida kann
Absorption von Wirkstoffen verhindern, die nur im Sauren resorbiert werden (Beispiele Itraconazol, Ketoconazol),
bewirken, dass magensaftresistente Arzneiformen bereits im Magen freigesetzt werden und reizend wirken (Beispiel Bisacodyl) oder inaktiviert werden (Beispiele Duloxetin, Pankreatin).
Verteilung
Anteil Körperfett ↑ Verteilungsvolumen lipophiler Wirkstoffe wie Amiodaron, Amitriptylin, Diazepam, Flunitrazepam und Haloperidol steigt, folglich: verzögerter Wirkeintritt und verlängerte Wirkdauer,
bei Dauertherapie mit Wirkstoffen mit langer HWZ (Beispiel Amiodaron) verstärkte Wirkstoffakkumulation möglich
Anteil Körperwasser ↓
Muskelmasse ↓
Verteilungsvolumen hydrophiler Wirkstoffe wie Atenolol, Sotalol und Lithium-Ionen sinkt, folglich verstärkte und akzelerierte Wirkung möglich,
Dosisreduktion erwägen bei Stoffen, die sich vor allem im Muskel anreichern (Beispiel Digoxin)
Serumalbuminspiegel ↓ eventuell kritisch bei Wirkstoffen mit hoher Plasmaeiweißbindung wie Phenytoin oder Ceftriaxon,
Kombination von Phenprocoumon oder Glibenclamid mit NSAR, die um die Plasmabindung konkurrieren: unkalkulierbares Risiko von Blutungen oder Hypoglykämien
Metabolisierung
Leberdurchblutung ↓
Lebermasse ↓
First-Pass-Effekt ↓
Wirkstoffe mit hohem First-Pass-Effekt oder langer Plasmahalbwertszeit wie Midazolam, Sertralin, Venlafaxin, Trimipramin, Quetiapin, Morphin, Hydromorphon, Tapentadol, Naloxon, Naltrexon, Nifedipin, Verapamil: verzögerte Elimination und erhöhte systemische Konzentration
Elimination
Nierendurchblutung ↓
GFR ↓ (je älter der Patient, desto geringer ist die Aussagekraft des Serum-Kreatinins)
tubuläre Exkretion und Rückresorption ↓
bei eingeschränkter Nierenfunktion: Dosisanpassung bei vielen Arzneistoffen nötig,
GFR <30 ml/min: laut Beers-Liste sollten folgende Stoffe (Beispiele) vermieden werden:
Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban, Dabigatran,
Amilorid, Spironolacton, Triamteren,
Duloxetin,
Probenecid
Tabelle 5: Einfluss physiologischer Veränderungen des Alterns auf die Pharmakokinetik ausgewählter Wirkstoffe. GFR: glomeruläre Filtrationsrate; PPI: Protonenpumpeninhibitoren

Daher ist neben der Anwendung von PIM-Listen (PIM: potenziell inadäquate Medikation) das Deprescribing ein sehr sinnvoller Ansatz, um UAW und Wechselwirkungen zu vermeiden. Änderungen der Dauermedikation sollten – sofern kein akutes Problem vorliegt – immer nach dem Grundsatz »Start low, go slow« erfolgen.

Die veränderte Resorption von Arzneistoffen hat bis auf wenige Ausnahmen kaum klinische Relevanz (12, 13). Anders ist es bei der Elimination. Während die physiologische Abnahme der Nierenfunktion in Abhängigkeit vom Alter anhand von Laborparametern immerhin geschätzt werden kann, ist die Abnahme der Leistungsfähigkeit der Leber interindividuell sehr variabel und korreliert weniger mit dem Alter.

Im Alter steigt der Körperfettanteil, während der Anteil von Körperwasser und Muskelmasse abnimmt. Damit erreichen hydrophile Wirkstoffe höhere Plasmaspitzenspiegel und kürzere Plasmahalbwertszeiten. Lipophile Wirkstoffe reichern sich im Fettgewebe an und ihre Plasmahalbwertszeit steigt. Da lipophile Wirkstoffe die Blut-Hirn-Schranke, die im Alter ohnehin permeabler wird, leichter überwinden können, steigt das Risiko für zerebrale Nebenwirkungen deutlich. Dementsprechend wirken Antiepileptika bei betagten Patienten stärker und es treten häufiger Nebenwirkungen auf (14).

Bei einer akuten Erkrankung oder Mangelernährung kann die Serumalbumin-Konzentration schnell absinken. Ein Albuminwert unter 30 g/l im Serum gilt als aussagekräftiges Indiz für einen reduzierten Ernährungszustand (15). Wirkstoffe mit hoher Plasmaeiweißbindung liegen dann vermehrt frei vor; die Serumspiegel steigen und sowohl Wirkungen als auch Nebenwirkungen können sich verstärken. Beispiele für diese pharmakokinetischen Effekte zeigt die Tabelle 5 (13, 16).

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