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Hochbetagt zur Operation

Dauermedikation prüfen und anpassen

Immer öfter müssen sich geriatrische Patienten operativen Eingriffen unterziehen. Um Arzneimittelinteraktionen und unerwünschte Wirkungen zu vermeiden, ist die möglichst interdisziplinäre Beurteilung der Medikation vor einer geplanten Operation unerlässlich.
Kirsten Dahse
Rainer Kiefmann
22.10.2020  11:00 Uhr

Hilft der Medikationsplan?

Seit Oktober 2016 haben Patienten Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan, wenn sie mindestens drei zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnete, systemisch wirkende Medikamente gleichzeitig und dauerhaft anwenden.

Leider lassen sowohl Verfügbarkeit als auch Korrektheit des Medikationsplans zu wünschen übrig (18). Nur etwa 6 Prozent der Pläne sind vollständig und richtig (19, 20) und viele Patienten verstehen ihren Plan nicht (21). Vor jeder Medikationsanalyse muss daher ein Abgleich mit der tatsächlichen Medikation erfolgen.

Die präoperative Evaluation durch den Anästhesisten und möglichst auch einen geschulten Apotheker sollte ausreichend lange vor der elektiven Operation erfolgen, um genügend Zeit für die Anpassung der Medikation zu haben. Der Abstand zwischen Evaluation und Operation sollte in der Regel aber nicht länger als sechs Wochen sein (22).

Grundregeln für die präoperative Medikation

Nach sorgfältiger Arzneimittelanamnese wird empfohlen, die präoperative Medikation geriatrischer Patienten nach einigen Grundregeln zu gestalten (modifiziert nach (23):

  • Nicht-essenzielle Arzneistoffe, die das Risiko während einer Operation erhöhen, sollten abgesetzt werden.
  • Potenziell inadäquate Medikationen im Alter sollten umgestellt oder vermieden werden. Jedoch sind Medikamente wie selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), trizyklische Antidepressiva, Benzodiazepine, Antipsychotika, MAO-Hemmer, Betablocker, Clonidin und Corticosteroide, die bei Absetzen Entzugssymptome auslösen können, in der Regel weiterzugeben.
  • Pflanzliche Präparate sollten in der Regel mindestens sieben Tage vor einer Operation pausiert werden (Tabelle 1).
Pflanze Relevanter pharmakologischer Effekt Perioperative Bedenken Präoperatives Absetzen
Baldrian Sedierung könnte sedativen Effekt von Anästhetika verstärken, Entzug bei akutem Absetzen ähnlich wie bei Benzodiazepinen in Einzelfällen beschrieben keine Daten, ausschleichen
Echinacea aktiviert die zellvermittelte Immunität allergische Reaktionen, verminderter Effekt von Immunsuppressiva, bei Langzeitanwendung Immunsuppression möglich keine Daten
Ephedra erhöhte Herzfrequenz und Blutdruck durch sympathomimetische Effekte Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall durch Tachykardie und Bluthochdruck, Langzeitanwendung kann Katecholamin-Mangel und hämodynamische Instabilität während der OP bedingen mindestens 24 Stunden vor OP
Ginseng Blutzuckersenkung, Plättchenaggregationshemmung Hypoglykämie, erhöhtes Blutungsrisiko durch Aggregationshemmung, kann Wirkspiegel von Phenprocoumon reduzieren und Wirkung vermindern mindestens 7 Tage vor OP
Johanniskraut hemmt Neurotransmitter-Reuptake, induziert Cytochrom P450 durch Enzyminduktion: Serumspiegel vieler Arzneistoffe wie Phenprocoumon, Steroide, Benzodiazepine und Calciumkanalblocker sinken mindestens 5 Tage vor OP
Bromelain/ Trypsin/ Rutosid Trypsin baut Fibrinogen ab, reduzierte Blutgerinnung möglich erhöhtes Blutungsrisiko, vor allem in Kombinationen mit weiteren Gerinnungshemmern mindestens 4 Tage vor OP
Knoblauch Plättchenaggregationshemmung (eventuell irreversibel), erhöhte Fibrinolyse erhöhtes Blutungsrisiko, vor allem in Kombinationen mit weiteren Gerinnungshemmern mindestens 7 Tage vor OP
Ginkgo Plättchenaggregationshemmung erhöhtes Blutungsrisiko, vor allem in Kombinationen mit weiteren Gerinnungshemmern mindestens 36 Stunden vor OP
Curcuma Hemmung von Faktor Xa und Thromboplastinzeit (29) erhöhtes Blutungsrisiko, vor allem in Kombinationen mit weiteren Gerinnungshemmern absetzen
Tabelle 1: Empfehlungen zum präoperativen Absetzen von pflanzlichen Präparaten; modifiziert nach (23)

Insbesondere bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein postoperatives Delir sollten keine Benzodiazepine angesetzt und – sofern möglich – bestehende Dosierungen reduziert werden. Weiterhin ist eine adäquate Schmerzkontrolle wichtig; dabei sollte kein Pethidin eingesetzt werden, da dieser Wirkstoff im Alter häufiger als andere Opioide zum Auftreten eines Delirs und zu Stürzen führt (18). Aufgrund der additiven serotonergen Effekte ist Pethidin – als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – außerdem kontraindiziert bei Patienten, die mit Inhibitoren des Serotonin-Abbaus (MAO-Hemmern) behandelt werden (24).

Auch Anticholinergika sind aufgrund ihres delirogenen Potenzials nach Möglichkeit zu vermeiden. Anticholinerge Scores, die auch die Dosierungen einbeziehen, sind bei der Medikationsanalyse hilfreich (Beispiel: http://anticholinergicscales.es/).

Bei älteren Patienten treten zudem häufig Störungen des Elektrolythaushalts, auch infolge von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) auf. So sollte bei Abweichungen von den Normwerten der Elektrolythaushalt vor der Operation stabilisiert und die Medikation auf ihr Nebenwirkungspotenzial geprüft werden. Hyperkaliämien können beispielsweise durch Betablocker, ACE-Hemmer, Sartane, Aldosteron-Antagonisten, Trimethoprim und nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) verursacht und Hyponatriämien durch zahlreiche Wirkstoffe wie SSRI, NSAID oder Amiodaron bedingt sein (25, 26).

Da ältere Patienten anfällig für Arzneimittelwechselwirkungen sind, ist ein Interaktionscheck sehr sinnvoll – auch hinsichtlich Arzneistoffen, die im Rahmen einer Operation häufig eingesetzt werden.

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