Das Nord-Süd-Gefälle |
Anna Pannen |
05.11.2018 14:50 Uhr |
Wie schnell und unkompliziert Patienten an eine Grippeimpfung kommen, hängt momentan stark von ihrer Wohnregion ab.
Wie problemlos sich Patienten gegen Grippe impfen lassen können, hängt in Deutschland derzeit von ihrem Wohnort ab. Die Versorgung funktioniert nämlich in diesem Jahr unterschiedlich gut, was anscheinend schon seit Monaten absehbar war.
Die meisten nördlichen und einige östliche Bundesländer haben für die Saison 2018/2019 eine Liefervereinbarung mit der AOK und Impfstoff-Hersteller Mylan getroffen. Dort gab es deswegen früh Klarheit über den Preis der Vakzine und die Erstattung. Arztpraxen und Apotheken bestellten ausreichend Impfstoff, der auch fast ohne Probleme ankam.
Anders sieht es dort aus, wo es keine Liefervereinbarung gibt, etwa in Baden-Württemberg. Dort versuchen viele Apotheken bereits jetzt vergeblich, Grippe-Vakzine zu ordern. Wie kann das sein? Die Hersteller erklären, rechtzeitig produziert und alle Bestellungen pünktlich ausgeliefert zu haben. Sie wägen jedes Jahr schon im ersten Quartal ab, wie viele Impfdosen sie für den kommenden Herbst und Winter herstellen, um am Ende nicht darauf sitzen zu bleiben. Einerseits orientieren die Unternehmen sich dabei an der Nachfrage des Vorjahrs, andererseits produzieren sie auf Bestellung.
Und genau beim zweiten Punkt scheint es in diesem Jahr gehakt zu haben. Schon die Freigabe der Vierfach-Vakzine lief eher schleppend an: Während die Ständige Impfkommission sie schon im Februar für alle Versicherten empfahl, schloss sich der Gemeinsame Bundesausschuss der Empfehlung erst im April an und legte damit die Basis für die Kostenübernahme durch die Kassen. Die entsprechende Richtlinie trat erst Ende Juni in Kraft.
Ähnlich ging es weiter: Sanofi und GSK gaben die Preise ihrer Impfstoffe relativ spät bekannt. Beide sind nach wie vor verärgert über die Liefervereinbarungen mit Konkurrent Mylan in vielen Regionen. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) riet ihren Mitgliedern daraufhin, nur wenig Impfstoff zu bestellen. Schließlich sei nicht klar, wie viel er genau koste und welchen Anteil die Kassen übernehmen. »Es wird empfohlen, nicht mehr als die Hälfte der im vergangenen Jahr für die Grippeimpfungen von Pflichtleistungspatienten benötigten Menge vorzubestellen«, schrieb die KVBW am 19. Juli.
Diese Impfdosen fehlen nun. Auch aus den Apothekerverbänden einiger anderer Bundesländer heißt es, Arztpraxen hätten in diesem Jahr einfach zu wenig bestellt. Und ein Nach-Ordern ist kaum möglich. Die Hersteller haben bereits alles ausgeliefert, lediglich Mylan soll noch über Impfdosen verfügen – allerdings nur über jene im Zehnerpack, die nur als Pflichtleistung für gefährdete Personengruppen und nicht als Satzungsleistung für gewöhnliche Patienten mit den Kassen abgerechnet werden können.
Trotzdem zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass es zurzeit eigentlich noch keine Engpässe geben dürfte, die auf eine zu geringe Produktion zurückzuführen wären. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat bis zur Kalenderwoche 43 insgesamt 15,3 Millionen Dosen freigegeben. Das sind zwar etwas weniger als in derselben Kalenderwoche in den Vorjahren, allerdings würden auch noch Freigaben folgen, heißt es beim PEI. Insgesamt scheinen die Hersteller also ungefähr so viel produziert zu haben wie in den Vorjahren. Und da waren trotz Berichten über Engpässe am Ende sogar oft noch Vakzinen übrig.
Eine weitere Schwierigkeit scheint also die Verteilung zu sein. Es müssten noch genügend Impfstoffe vorhanden sein, allerdings nicht immer dort, wo sie gebraucht werden. Das zeigt wie berichtet das Beispiel Niedersachen. Hier treten Engpässe fast nur im Großraum Hannover auf, weil der dortige Großhandel die gekühlten Vakzine nicht über Nacht von einer Niederlassung in eine andere liefert und der Bedarf so nicht rechtzeitig gedeckt wird.
Der Tenor vieler Beteiligter lautet also: Es bräuchte eine bessere Kommunikation – sowohl vorab als auch nach der Auslieferung, damit sichtbar wird, wo noch wie viel Impfstoff lagert. Ein Sprecher des LAV Baden-Württemberg erklärte außerdem, die Kassen sollten für diese Saison eine Ausnahmegenehmigung erteilen, die Zehnerpacks mit Impfstoffen auszueinzeln und als Satzungsleistung zu impfen. Das würde das Problem entschärfen.
Um einen besseren Überblick über bundesweite Engpässe zu bekommen, hat das PEI Verbraucher und Heilberufler schon in der vergangenen Woche aufgerufen, Lieferschwierigkeiten zu melden.
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