DAPI baut digitalen Zwilling |
Kein Nachschub möglich? Lieferengpässe sind, wenn sie in einem Versorgungsengpass münden, mit Risiken für Patienten verbunden. / Foto: Getty Images/EyeEm
Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) engagiert sich als gemeinnütziges Institut konstruktiv beim Thema Lieferengpässe – auch international. Lieferschwierigkeiten sollen schneller und genauer detektiert werden. Ziel ist die Sicherung der Arzneimittelversorgung. Um bestehende und sich abzeichnende Lieferengpässe besser für Apotheker erkennbar und beherrschbar zu machen, hat das DAPI die Methode des sogenannten digitalen Zwillings etabliert. Dieser setzt sich in seiner »Rezeptur« aus den folgenden drei Elementen zusammen (siehe auch Kasten):
Betrachtet man die Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln, so fängt man bei der Wirk- und Hilfsstoffherstellung an und landet über pharmazeutische Unternehmen, Importeure, Zwischen- und Großhändlern schließlich bei den Krankenhaus- und öffentlichen Apotheken. Apotheken können alternativ zum Großhandel Arzneimittel auch direkt beziehen; oder die Versorgung über Apotheken erfolgt mittelbar, etwa über den Sprechstundenbedarf des Arztes.
Lieferengpässe sind hier, wenn sie in einem Versorgungsengpass münden, mit Risiken für Patienten verbunden. Apotheken leisten daher Mehraufwände, um Lieferengpässen entgegenzuwirken.
Neben der klassischen (Mehr-)Bevorratung kann die Versorgung in einem gewissen Rahmen durch den Apotheker durch Substitution mit einem vergleichbaren Arzneimittel, gegebenenfalls in Rücksprache mit dem Arzt, bis zur Selbstherstellung gewährleistet werden. Derzeit erhalten Apotheken hierfür einen erweiterten Handlungsspielraum, sodass der Austausch in der Regel ganz ohne Neuverordnung erfolgen kann.
Verschiedene Datenquellen liefern als »Grundsubstanzen« der »Rezeptur« folgende Informationen:
Ein digitaler Zwilling bezieht sich auf ein computergestütztes Modell eines materiellen oder immateriellen Objekts, welches für verschiedene Zwecke verwendet werden kann. Ein digitaler Zwilling erfordert drei Elemente:
(1) das abzubildende reale Objekt,
(2) den digitalen Zwilling im virtuellen Raum und
(3) Informationen, welche die beiden miteinander verbinden.
Das Objekt [hier: Apothekensoftware], welches Sensoren [hier: Großhandelsabfragen] verwendet, um Daten über z. B. Zustand oder Position [hier: Arzneimittelverfügbarkeit] zu sammeln, ist mit einem System verbunden, welches die Sensordaten empfängt, verarbeitet und auswertet [hier: DAPI M].
Digitale Zwillinge können dadurch die operative und auch finanzielle Leistungsfähigkeit eines Objekts wie einer Anlage oder einer Dienstleistung [hier: Arzneimittelversorgung] verbessern. Digitale Zwillinge werden durch sachverständige Experten sowie aus gesammelten Echtzeitdaten der Objekte erstellt (2).
Die Verfügbarkeitsinformationen aus Großhandelsabfragen werden aus der Apothekensoftware automatisch und unverzüglich an den DAPI M übermittelt (zwei Auswertungsbeispiele im Zeitverlauf: siehe Abb. 1 und Abb. 2).
Verknüpft mit Informationen aus den anderen Datenquellen werden die Daten einer Modellierung zugeführt. Derzeit untersucht das DAPI die Möglichkeit, mithilfe einer künstlichen Intelligenz (KI) aus diesen Daten sogenannte prädiktive, also vorausschauende Aussagen, insbesondere zu dem Verlauf von Lieferengpässen zu treffen.
Als Ergebnis des virtuellen Raums für das reale Objekt (die reale Welt) sollen folgende Rückmeldungen möglich sein:
Abbildung 1: DAPI-M-Auswertung: Entwicklung der Nichtverfügbarkeit von »Fiebersaft« im DAPI-M-Apothekenpanel (Mai bis Oktober 2022) / Foto: DAPI
Abbildung 2: DAPI-M-Auswertung: Muster eines deutlichen Anstieges der Nichtverfügbarkeit am Beispiel der Pantoprazol-N3-Packungen 40 mg und verzögert der 20 mg Stärke. / Foto: DAPI
Neben der nationalen Ausrichtung des DAPI in Sachen Lieferengpässen engagiert sich das Institut auch international, um Lieferengpässen vorzubeugen. Seit Ende 2021 ist das DAPI Teil der deutschen Delegation beim paneuropäischen Lieferengpass-Projekt namens Medicines Shortage Reporting Initiative (MedSRI), das geleitet wird vom General Pharmaceutical Council of Spain. Es erfolgen regelmäßige Projektabstimmungen zwischen Delegationen, welche Apothekerorganisationen aus Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Portugal und Spanien vertreten.
Das Projekt zielt darauf ab, ein harmonisiertes (apothekengestütztes) Meldesystem für Versorgungsvorfälle zu schaffen, um mögliche Versorgungsprobleme zu antizipieren und die Beteiligten in die Lage zu versetzen, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu verhindern oder abzumildern.
Für die anvisierte Proof-of-Concept-Phase des MedSRI-Projektes ist der gleichgerichtete Projektansatz der Projekte MedSRI und DAPI M förderlich:
Eine Zusammenführung über Grenzen benötigt eine gemeinsame »Sprache« der Arzneimittelkodierung. Eine der umfassendsten medizinischen Terminologien weltweit ist hier die »Systematized Nomenclature of Medicine Clinical Terms« (SNOMED CT). DAPI ist Lizenzpartner von SNOMED International (9) und engagierte sich zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit der SNOMED German Translation Group (GTG). Informationen zu GTG-Projekten sind im GTG Community Browser zu finden (10).
Für aussagekräftige Ergebnisse und eine hohe Resilienz des DAPI M ist eine hohe Beteiligung der Apotheken essenziell. Ist eine Apothekensoftware bereits an den DAPI M angebunden, so wurden die betroffenen Apotheken hierüber vom Softwarehaus informiert. Eine Apotheke mit bereits angebundener Software kann durch simples Ankreuzen der DAPI-M-Option in den Softwareeinstellungen die Datenlieferung an den DAPI M selbst initiieren. Das ist alles, kein Mehraufwand darüber hinaus.
Sollte ein Softwarehaus noch nicht angebunden sein, ist das DAPI gerne bereit, das Softwarehaus bei der Einbindung umfänglich zu unterstützen.