Corona boostert Adipositas |
Das bestätigt auch eine Studie der Adipositas-Ambulanz im Sozialpädiatrischen Zentrum der Berliner Charité, die die Auswirkungen der Pandemie auf das Bewegungs- und Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas untersuchte: 60 Prozent gaben an, mehr Zeit am Handy, Laptop, Tablet, Computer, Fernseher oder an der Spielkonsole verbracht zu haben. Dabei sind Süßigkeiten, Knabbereien, Fast Food und gesüßte Getränke für die jungen »Zocker« die perfekten Begleiter. Langeweile, Einsamkeit und psychischer Stress verstärkten die Tendenz zu ungesunden Snacks – als Ersatzbefriedigung.
Vereinzelt gab es kreative Trainer im Verein oder im Sportstudio, die Onlinetraining anboten. Und Tennis spielende Kids traf es zum Beispiel weniger stark als die Fußballer. Aber auch hier hinderte die zunehmende Trägheit auf Couch und Gamingstuhl selbst zuvor sportliche Kinder, daran teilzunehmen. Natürlich gibt es auch diejenigen Familien, die sich während der Pandemie etwa ein kleines Fitnessstudio mit Rüttelplatte oder eine Tischtennisplatte zulegten. Auch im Wald oder Park trainierten einige in virenfreier Umgebung zum Beispiel an wetterbeständigen Geräten ihre Fitness. So manch einer dürfte nun fitter denn je sein, aber leider ist das eher die Minderheit.
Um motiviert aus den über Monate antrainierten Corona-Gewohnheiten auszubrechen, dürfen Familien nicht alleingelassen werden. »Hier ist auch die Politik gefragt!«, betont Weihrauch-Blüher. Sie empfindet es als ermutigendes Zeichen, dass die Ampel-Koalition ungesunde Werbung einschränken möchte, mit der schon die Kids in Werbepausen oder von Influencern bombardiert werden. Auch Lebensmittel müssten verpflichtend klarer gekennzeichnet werden und als ungesund erkennbar sein. Gummibärchen und zuckrige Cerealien dürften nicht mehr länger irreführend als Vitamin- und Mineralstoffquelle suggeriert werden.
Für adipöse Kinder und Jugendliche und ihre Familien braucht es zudem mehr Therapieangebote. Diese umfassen im Idealfall gleich mehrere Bausteine: Ernährungsberatung, Bewegungsförderung sowie eine psychologische und medizinische Betreuung. Derartige ambulante Programme konzentrieren sich jedoch überwiegend auf größere Städte. Die Kostenübernahme ist noch eine weitere Hürde und die Anerkennung der Adipositas bei Kindern als chronische Erkrankung dafür gilt als ein wichtiger Meilenstein.
Experten fordern zudem ein gesundheitsförderndes Umfeld auch außerhalb der Familien:
Es gibt schon jetzt viele Vorbild-Initiativen. Dennoch: Es darf kein Glücksfall für Kinder und Jugendliche sein, wo sie wohnen und auf welche Schule sie gehen.
Eltern sollten ebenfalls die Sinne ihrer Kids für einen gesunden Lebensstil schärfen, etwa indem sie häufiger mit ihnen gemeinsam kochen und erklären, welche Gemüsesorte auf dem Teller liegt und was achtsames Essen bedeutet. Auch am Abend schon das Pausenbrot und gesunde Snacks mit Ruhe vorzubereiten (Stichwort Meal Prep), ist eine weitere Möglichkeit.
Wichtig: Eltern müssen den gesunden Lebensstil vorleben, um glaubwürdig zu bleiben. Freilich finden viele Kids Spazierengehen mit den Eltern langweilig. Aber vielleicht können Fitnesstracker oder Smartphones helfen: Warum ihnen nicht einmal als Anreiz geben, »Schritte zu sammeln«, um sich die Medienzeit zu verdienen?
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.