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Folgen der Pandemie

Corona boostert Adipositas

Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm: Nach der Corona- droht die Adipositas-Welle – schleichend und stetig. Dr. Susann Weihrauch-Blüher von der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) erlebt derzeit eine Entwicklung, die sie bislang nicht kannte.
Andrea Pütz
09.03.2022  07:00 Uhr

In ihren Spezialsprechstunden dokumentieren Weihrauch-Blüher und ihre Kollegen dramatische Gewichtszunahmen von bis zu 30 Kilogramm innerhalb eines halben Jahres. »Wir sehen gerade eine zweite, eine stille Pandemie des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen, deren Folgen wir im Moment noch gar nicht abschätzen können.« Ihr jüngster Patient sei gerade mal elf Jahre alt.

Ein hoher Body-Mass-Index (BMI) reduziert die Lebensqualität der Kids und Teenies und lässt ihre Psyche leiden (Mobbing!). Aber auch das Risiko für chronische Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Hypertonie und Fettleber steigt bekanntermaßen mit zunehmendem Gewicht. Die Zeiten, in denen Typ-2-Diabetes als Altersdiabetes bezeichnet wurde und jenseits des 40. Lebensjahres auftrete, seien definitiv vorbei, so die Medizinerin. Mittlerweile seien chronische Erkrankungen bei adipösen Jugendlichen keine Rarität mehr. Hinzu kommt das besondere Gesundheitsrisiko von extrem Übergewichtigen für einen schweren Verlauf der Covid-19-Infektion.

Die traurige Tendenz zu Adipositas bei Kindern und Jugendlichen existierte schon vor der Pandemie. Die Prävalenz betrug im Jahre 2018 für Übergewicht 15,4 Prozent und für Adipositas 5,9 Prozent, heißt es etwa in der KiGGS-Langzeitstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen des Robert-Koch-Instituts. Besonders gefährdet sind Kinder aus Familien mit geringem sozioökonomischen Status. Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen hat diesen Trend jedoch wie ein Booster angetrieben.

Weniger Bewegung ….

Während der Lockdowns war die Tagesstruktur in Familien gestört. Digitaler Unterricht setzte sich erst zeitverzögert und nicht flächendeckend durch, und der Aktionsradius im Freizeitbereich war stark beschnitten – und hat sich bis heute noch nicht normalisiert. Das hat zu einem massiven Anstieg des Medienkonsums der Heranwachsenden geführt.

… mehr Snacks

Das bestätigt auch eine Studie der Adipositas-Ambulanz im Sozialpädiatrischen Zentrum der Berliner Charité, die die Auswirkungen der Pandemie auf das Bewegungs- und Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Adipositas untersuchte: 60 Prozent gaben an, mehr Zeit am Handy, Laptop, Tablet, Computer, Fernseher oder an der Spielkonsole verbracht zu haben. Dabei sind Süßigkeiten, Knabbereien, Fast Food und gesüßte Getränke für die jungen »Zocker« die perfekten Begleiter. Langeweile, Einsamkeit und psychischer Stress verstärkten die Tendenz zu ungesunden Snacks – als Ersatzbefriedigung.

Vereinzelt gab es kreative Trainer im Verein oder im Sportstudio, die Onlinetraining anboten. Und Tennis spielende Kids traf es zum Beispiel weniger stark als die Fußballer. Aber auch hier hinderte die zunehmende Trägheit auf Couch und Gamingstuhl selbst zuvor sportliche Kinder, daran teilzunehmen. Natürlich gibt es auch diejenigen Familien, die sich während der Pandemie etwa ein kleines Fitnessstudio mit Rüttelplatte oder eine Tischtennisplatte zulegten. Auch im Wald oder Park trainierten einige in virenfreier Umgebung zum Beispiel an wetterbeständigen Geräten ihre Fitness. So manch einer dürfte nun fitter denn je sein, aber leider ist das eher die Minderheit.

Um motiviert aus den über Monate antrainierten Corona-Gewohnheiten auszubrechen, dürfen Familien nicht alleingelassen werden. »Hier ist auch die Politik gefragt!«, betont Weihrauch-Blüher. Sie empfindet es als ermutigendes Zeichen, dass die Ampel-Koalition ungesunde Werbung einschränken möchte, mit der schon die Kids in Werbepausen oder von Influencern bombardiert werden. Auch Lebensmittel müssten verpflichtend klarer gekennzeichnet werden und als ungesund erkennbar sein. Gummibärchen und zuckrige Cerealien dürften nicht mehr länger irreführend als Vitamin- und Mineralstoffquelle suggeriert werden.

Für adipöse Kinder und Jugendliche und ihre Familien braucht es zudem mehr Therapieangebote. Diese umfassen im Idealfall gleich mehrere Bausteine: Ernährungsberatung, Bewegungsförderung sowie eine psychologische und medizinische Betreuung. Derartige ambulante Programme konzentrieren sich jedoch überwiegend auf größere Städte. Die Kostenübernahme ist noch eine weitere Hürde und die Anerkennung der Adipositas bei Kindern als chronische Erkrankung dafür gilt als ein wichtiger Meilenstein.

 

Es gibt schon jetzt viele Vorbild-Initiativen. Dennoch: Es darf kein Glücksfall für Kinder und Jugendliche sein, wo sie wohnen und auf welche Schule sie gehen.

Eltern sollten ebenfalls die Sinne ihrer Kids für einen gesunden Lebensstil schärfen, etwa indem sie häufiger mit ihnen gemeinsam kochen und erklären, welche Gemüsesorte auf dem Teller liegt und was achtsames Essen bedeutet. Auch am Abend schon das Pausenbrot und gesunde Snacks mit Ruhe vorzubereiten (Stichwort Meal Prep), ist eine weitere Möglichkeit.

Wichtig: Eltern müssen den gesunden Lebensstil vorleben, um glaubwürdig zu bleiben. Freilich finden viele Kids Spazierengehen mit den Eltern langweilig. Aber vielleicht können Fitnesstracker oder Smartphones helfen: Warum ihnen nicht einmal als Anreiz geben, »Schritte zu sammeln«, um sich die Medienzeit zu verdienen?

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