Cochrane stellt sich vor |
Annette Rößler |
10.02.2021 09:00 Uhr |
Wer zu einer Frage aus der klinischen Praxis einen passenden Cochrane-Review findet, kann sich glücklich schätzen. / Foto: Getty Images/PeopleImages
»Wir alle wissen: Um eine Fragestellung aus der klinischen Praxis zu beantworten, muss man immer die Gesamtheit der Evidenz betrachten. Aber keiner kann die Übersicht behalten über alle Einzelstudien«, sagte Dr. Viktoria Mühlbauer von der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm beim virtuellen ADKA-Kongress. Eine große Hilfe dabei ist Cochrane, ein weltweites, Industrie-unabhängiges Wissenschaftsnetzwerk, das 1993 in Oxford gegründet wurde und derzeit etwa 79.000 Mitglieder hat.
Herzstück von Cochrane ist die Database of Systematic Reviews (CDSR). Sie enthält mehr als 8500 Übersichtsarbeiten und mehr als 2400 Protokolle, in denen geplante Übersichtsarbeiten beschrieben werden. Im Central Register of Controlled Trials (CENTRAL) finden sich Primärstudien und Einträge aus Studienregistern und Datenbanken wie PubMed und Embase, insgesamt mehr als 1,7 Millionen Einträge. Die Volltexte der Studien sind dort jedoch nicht einsehbar, nur die Abstracts.
Cochrane Clinical Answers sind kurze Zusammenfassungen von Cochrane Reviews basierend auf einer klinischen Fragestellung. »Das ist ein Praxisformat«, sagte Mühlbauer. Der Fokus liege auf den wichtigsten Endpunkten. Etwa ein Drittel der Reviews sei auf diese Weise aufbereitet. Ebenfalls sehr praxisnah sind die Special Collections, Zusammenstellungen von Informationen zu einem Themengebiet, die auch in anderen Sprachen als Englisch vorliegen.
Wie recherchiert man nun in Cochrane? »Das Einfachste ist, auf der Startseite das Suchwort einzugeben«, sagte Mühlbauer. Abhängig von der Spezifität des Suchworts erhält man dabei allerdings auch viele Treffer, die für die eigene Fragestellung nicht relevant sind. Bei der Advanced Search lässt sich die Suche weiter verfeinern, etwa mit sogenannten MESH (Medical Subject Headings). »Das sind Schlagworte, die von Bibliothekaren händisch einzelnen Studien zugeordnet werden«, informierte die Referentin. »Mit MESH zu suchen lohnt sich, weil auch Studien gefunden werden, die das Schlagwort nicht im Titel tragen.«
Wer auch mit MESH nicht fündig wird, kann bei Cochrane die PICO-Suche nutzen. Das P steht dabei für Patient, Population oder Problem, I für Intervention, C für Comparison (Vergleich) und O für Outcome (Endpunkt). »PICO ist ein Schema, um eine Frage in eine recherchierbare Form zu bringen«, erläuterte Mühlbauer.
Hat man schließlich gefunden, wonach man gesucht hat, gilt es, das Ergebnis einzuordnen. Folgende Fragen sind dabei wichtig: Ist der Review aktuell? Wie belastbar ist die Evidenz? Sind die Ergebnisse auf meinen Fall übertragbar?
Angaben zur Aktualität finden sich im Feld »History«. Hier sollte man auf jeden Fall nachschauen, bevor man einen Review als »zu alt« abschreibt. Möglicherweise steht nämlich dort, dass weitere Updates nicht als notwendig angesehen werden (»Review declared as stable, no further updates neccessary.«). Stets aktuell sind sogenannte living systematic Reviews. Sie werden kontinuierlich aktualisiert, neue Evidenz wird sofort hinzugefügt.
Um die Belastbarkeit der Evidenz zu beurteilen, schaut man in die »Summary of findings«. Dort ist die »Certainty of the evidence« gemäß den GRADE-Kriterien (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) aufgeschlüsselt. Die Übertragbarkeit des Ergebnisses schließlich hängt maßgeblich davon ab, wie sehr die Population des Reviews dem eigenen Fall entspricht.