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Coronavirus-Epidemie

Chinas Führung gesteht Defizite ein

Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen ist über 20.000 gestiegen. Eine neue Modellrechnung geht sogar davon aus, das bis zum 25. Januar bereits bis zu 76.000 Menschen allein in Wuhan infiziert waren.
PZ/dpa
04.02.2020  11:44 Uhr

Über Nacht stieg die Zahl der bestätigten Infektionen und Todesfälle durch das Coronavirus 2019-nCoV erneut sprunghaft. Wie die chinesische Gesundheitsbehörde mitteilte, gab es bis Dienstag 20.438 bestätigte Erkrankungen – 3.225 neue Fälle im Vergleich zum Vortrag. Die Zahl der Todesopfer stieg demnach um 64 auf 425. Es war erneut der bisher stärkste Anstieg der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus und der Todesfälle innerhalb eines Tages. In Hongkong gab es den zweiten Toten außerhalb Festland-Chinas. Zuvor war auch ein Patient auf den Philippinen gestorben. Weltweit sind rund 200 Infektionen in rund zwei Dutzend Ländern bestätigt. 

Die Sterblichkeitsrate der Lungenkrankheit in China liegt aktuellen Angaben zufolge im Schnitt bei 2,1 Prozent. Das bedeutet, dass rund jeder 50. nachweislich Erkrankte an dem Virus stirbt. In der schwer betroffenen Metropole Wuhan erreicht die Mortalität allerdings 4,9 Prozent, wie Jiao Yahui von der Gesundheitskommission berichtete. In der gesamten Provinz Hubei, dessen Hauptstadt Wuhan ist, sind es demnach 3,1 Prozent.

Am Freitag hatten Forscher um Professor Gabriel Leung von der University of Hong Kong im Fachjournal »The Lancet« vermutet, dass das wahre Ausmaß der Epidemie um ein Vielfaches größer sein könnte. »Nicht jeder, der sich mit 2019-nCoV infiziert, hat vermutlich medizinische Hilfe in Anspruch genommen«, so Leung. Sie schätzen, dass jeder Infizierte zwei bis drei weitere Personen angesteckt hat. Ihren Berechnungen zufolge könnten sich bis zum 25. Januar bis zu 75.800 Menschen allein in Wuhan angesteckt haben. Ein weiterer Grund für die Diskrepanzen der Modellrechnung und den offiziellen Zahlen könnten in der bis zu 14-tägigen Inkubationszeit liegen – dem Zeitpunkt der Ansteckung bis erste Symptome auftreten. Im Gegensatz zu SARS sind bei 2019-nCoV auch symptomlose Infizierte bereits ansteckend. Die Hongkonger Forscher gehen davon aus, das mit ein bis zwei Wochen Verzögerung auch größere Epidemien in anderen chinesischen Großstädten auftreten werden. Ein Ende der Epidemie ist noch nicht in Sicht. Chinesische Experten schätzten am Montag, dass der Ausbruch ihren Höhepunkt in 10 bis 14 Tagen erreichen könnte. Dafür müssten aber vorbeugende Maßnahmen verstärkt werden.

An Medikamenten und Impfstoffen gegen das neue Coronavirus wird weltweit fieberhaft gearbeitet. Die WHO hat am Freitag die internationale Notlage erklärt. Wissenschaftler sind nun aufgerufen, sich auf das neue Coronavirus 2019-nCoV zu konzentrieren, entsprechende Anfragen werden von den regulierenden Behörden mit Priorität behandelt. Nach Einschätzung vom Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Dr. Klaus Cichutek, kommt jedweder Impfstoff nicht mehr rechtzeitig, um die aktuelle Pandemie einzudämmen. Alle Impfstoffkonzepte hätten ihre Vor- und Nachteile. »Wir werden sehen, welche die besten und schnellsten sind«, so Cichutek im Interview mit dem Berliner »Tagesspiegel«. Einen konkreten Zeitpunkt, wann die ersten Phase-I-Studien starten könnten, konnte er noch nicht nennen. 

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