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GKV-Spargesetz

BPI befürchtet mehr Marktaustritte

Derzeit nehmen Pharma-Hersteller jedes achte Arzneimittel wieder vom Markt, nachdem es das Verfahren zur frühen Nutzenbewertung durchlaufen hat. Darauf weist der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hin und warnt davor, dass das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz diesen Trend verstärken könnte.
Anne Orth
21.11.2022  15:40 Uhr

Nach Einschätzung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie bleiben Marktaustritte ein Problem. Der Verband weist auf mögliche Folgen hin. »Aus jeder mit einem Marktaustritt entstehenden Verfügbarkeitslücke kann auch eine Versorgungslücke entstehen, sofern das Medikament therapeutisch nicht oder nur schwer ersetzbar ist«, heißt es in einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Pressemitteilung. Welche Wirkstoffe konkret in letzter Zeit vom Markt genommen wurden, darüber informiert der Herstellerverband allerdings nicht.

Nach PZ-Recherchen gibt es jedoch einige Beispiele für Marktrücknahmen in jüngster Zeit. So nahm der Hersteller Roche im vergangenen Jahr das Grippemittel Baloxavir marboxil (Xofluza®) vom deutschen Markt. Grund war eine aus Sicht des Herstellers enttäuschende Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Das Mittel ist in der EU seit 2021 zur Behandlung einer unkomplizierten Grippe und als Postexpositions-Prophylaxe einer Influenza bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren zugelassen. Im Sommer dieses Jahres verschwand das Krebsmedikament Amivantamab (Rybrevant) des Pharmakonzerns Janssen-Cilag vom deutschen Markt, da der G-BA einen Zusatznutzen des Wirkstoffes nicht als erwiesen angesehen hatte. Der Wirkstoff Amivantamab wurde im Dezember 2021 für Deutschland und die EU zugelassen und wird seitdem für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem, nichtkleinzelligem Lungenkarzinom eingesetzt. Sowohl das Grippemittel Baloxavir marboxil (Xofluza®) als auch Amivantamab (Rybrevant) können weiterhin aus dem Ausland importiert werden.

BPI: AMNOG wird zum »Kostensparinstrument«

Der BPI befürchtet nun, dass sich die Zahl der Marktaustritte durch die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz enthaltenen Neuregelungen hinsichtlich der frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln weiter erhöhen könnte. Wenn dem Gesetz zufolge in Zukunft nur noch Präparate mit den sehr seltenen Kategorien »beträchtlicher und erheblicher Zusatznutzen« einen höheren Erstattungsbetrag erzielen könnten, gingen wichtige Anreize verloren, in Innovationen und damit in eine bessere Versorgung zu investieren, teilt der Verband mit. Damit würde das im Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) etablierte Verfahren zur Nutzenbewertung »zu einem reinen Kostensparinstrument umgebaut«, kritisierte der BPI.

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, dem der Bundesrat am 28. Oktober zugestimmt hatte, führt der Gesetzgeber sogenannte Leitplanken für die Arzneimittel-Preisverhandlung ein. Demnach erzielen Hersteller mit Arzneimitteln, deren Zusatznutzen gering oder nicht quantifizierbar ist, künftig keinen hohen Preis mehr, sondern lediglich einen Preis auf dem Niveau eines Generikums. Bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen liegt der Erstattungspreis noch zehn Prozent darunter. Hinzu kommen weitere Kostensenkungsinstrumente, die allesamt das Ziel haben, die Preise neuer Arzneimittel zu senken. Außerdem wurde den Krankenkassen für schon bestehende Erstattungsbeträge ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, sodass damit zu rechnen ist, dass in den kommenden Jahren viele Arzneimittelpreise neu ausgehandelt werden müssen.

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