BPI befürchtet mehr Marktaustritte |
Der BPI warnt, dass die Zahl der Marktaustritte infolge des GKV-Spargesetzes zunehmen könnte. Durch die Neuregelungen fehlten Anreize für die Hersteller. In der Folge stünden den Patienten weniger Innovationen zur Verfügung. / Foto: ©Wolfilser - stock.adobe.com
Nach Einschätzung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie bleiben Marktaustritte ein Problem. Der Verband weist auf mögliche Folgen hin. »Aus jeder mit einem Marktaustritt entstehenden Verfügbarkeitslücke kann auch eine Versorgungslücke entstehen, sofern das Medikament therapeutisch nicht oder nur schwer ersetzbar ist«, heißt es in einer am vergangenen Freitag veröffentlichten Pressemitteilung. Welche Wirkstoffe konkret in letzter Zeit vom Markt genommen wurden, darüber informiert der Herstellerverband allerdings nicht.
Nach PZ-Recherchen gibt es jedoch einige Beispiele für Marktrücknahmen in jüngster Zeit. So nahm der Hersteller Roche im vergangenen Jahr das Grippemittel Baloxavir marboxil (Xofluza®) vom deutschen Markt. Grund war eine aus Sicht des Herstellers enttäuschende Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Das Mittel ist in der EU seit 2021 zur Behandlung einer unkomplizierten Grippe und als Postexpositions-Prophylaxe einer Influenza bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren zugelassen. Im Sommer dieses Jahres verschwand das Krebsmedikament Amivantamab (Rybrevant) des Pharmakonzerns Janssen-Cilag vom deutschen Markt, da der G-BA einen Zusatznutzen des Wirkstoffes nicht als erwiesen angesehen hatte. Der Wirkstoff Amivantamab wurde im Dezember 2021 für Deutschland und die EU zugelassen und wird seitdem für die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem, nichtkleinzelligem Lungenkarzinom eingesetzt. Sowohl das Grippemittel Baloxavir marboxil (Xofluza®) als auch Amivantamab (Rybrevant) können weiterhin aus dem Ausland importiert werden.
Der BPI befürchtet nun, dass sich die Zahl der Marktaustritte durch die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz enthaltenen Neuregelungen hinsichtlich der frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln weiter erhöhen könnte. Wenn dem Gesetz zufolge in Zukunft nur noch Präparate mit den sehr seltenen Kategorien »beträchtlicher und erheblicher Zusatznutzen« einen höheren Erstattungsbetrag erzielen könnten, gingen wichtige Anreize verloren, in Innovationen und damit in eine bessere Versorgung zu investieren, teilt der Verband mit. Damit würde das im Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) etablierte Verfahren zur Nutzenbewertung »zu einem reinen Kostensparinstrument umgebaut«, kritisierte der BPI.
Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, dem der Bundesrat am 28. Oktober zugestimmt hatte, führt der Gesetzgeber sogenannte Leitplanken für die Arzneimittel-Preisverhandlung ein. Demnach erzielen Hersteller mit Arzneimitteln, deren Zusatznutzen gering oder nicht quantifizierbar ist, künftig keinen hohen Preis mehr, sondern lediglich einen Preis auf dem Niveau eines Generikums. Bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen liegt der Erstattungspreis noch zehn Prozent darunter. Hinzu kommen weitere Kostensenkungsinstrumente, die allesamt das Ziel haben, die Preise neuer Arzneimittel zu senken. Außerdem wurde den Krankenkassen für schon bestehende Erstattungsbeträge ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt, sodass damit zu rechnen ist, dass in den kommenden Jahren viele Arzneimittelpreise neu ausgehandelt werden müssen.
Laut Thomas Müller, Leiter der Abteilung für Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im Bundesgesundheitsministerium, hat der Gesetzgeber die Leitplanken eingeführt, um hohe Ausgaben im Patentbereich zu stoppen und echte Innovationen zu fördern. Während der Tagung »Pharma Trends 2023« am 7. November in Berlin kritisierte Müller, dass es im Patentmarkt wenig neue Präparate mit echtem Zusatznutzen gebe. 20 Prozent der neuen Arzneimittel beträfen die Indikationen Hämatologie und Onkologie. Dabei handele es sich zumeist um Präparate, die die Überlebensdauer der Patienten nur geringfügig verlängerten. Hingegen gebe es bei anderen Indikationen wie beispielsweise Alzheimer und Schizophrenie einen hohen Bedarf an neuen Arzneimitteln, aber nur wenige Anträge auf Zulassung.
Der BPI vertritt die Interessen von mehr als 270 pharmazeutischen Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene. Mit der Broschüre »AMNOG-Daten 2022« informiert der Verband über Grundlagen, Abläufe und Ergebnisse der Zusatznutzenbewertung sowie über die Preisfindung neuer verschreibungspflichtiger Arzneimittel in Deutschland.