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Coronaviren und ACE-Hemmer

Blutdruckmittel nicht einfach absetzen

Das neue Coronavirus infiziert menschliche Zellen über deren ACE2-Rezeptoren. Forscher gehen derzeit der These nach, ob Blutdrucksenker wie ACE-Hemmer Herzpatienten anfälliger für Infektionen machen könnten – bislang nichts als eine Hypothese. Die Hochdruckliga warnt vor einem Absetzen der antihypertensiven Medikation.
Daniela Hüttemann
14.03.2020  08:00 Uhr

»Der mögliche schädliche Einfluss von Blutdrucksenkern auf Virus-Infektanfälligkeit ist äußerst spekulativ«, urteilt Professor Dr. Florian Limbourg, Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga (DHL) in einer Pressemitteilung der Fachgesellschaft. Chinesische Kardiologen hatten am 5. März in einem Fachartikel in »Nature Reviews Cardiology« diskutiert, inwieweit der Eintrittsmechanismus von SARS-CoV-2 über ACE2 eine Rolle bei Herz-Kreislauf-Patienten spielt.

Das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE) wird unter anderem in Zellen der Lunge exprimiert und auf ihrer Oberfläche präsentiert und ist so etwas wie der Türknauf für das neue Coronavirus. Zudem wird ACE2 aber auch als lösliches Protein ins Blut sezerniert und kann dort die Viren abfangen. »Mehr ACE2 könnte also positive oder negative Effekte im Rahmen einer Virusinfektion haben«, erklärt die DHL. ACE2 baue zudem Blutdruckhormone des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) ab, die vom verwandten Enzym ACE gebildet werden. ACE-Hemmer und Sartane blockieren die Bildung von Angiotensin und dessen Effekte, was laut DHL »in Studien an Ratten und einer Studie am Menschen zu einer leichten Erhöhung des ACE2 geführt hat«.

Die Fachgesellschaft betont, dass die Bedeutung für eine potenzielle Infektanfälligkeit für SARS-CoV-2 durch ACE-Hemmer und andere RAS-Blocker noch völlig unklar sei. Dagegen gebe es  sehr überzeugende Daten für einen schützenden Effekt durch RAS-Blocker bei schwerem Lungenversagen, dem sogenannten Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS). So hätten mehrere Arbeiten, veröffentlicht in »Nature«, sehr klar gezeigt, »dass sowohl eine Erhöhung von ACE2, als auch die Blockade von ACE, wie sie zum Beispiel durch Blutdrucksenker erreicht wird, den Verlauf des ARDS günstig beeinflussen«.

»Blutdrucksenker können bei schweren Verläufen Leben retten«, erklärt Limbourg. »Der jetzige Kenntnisstand rechtfertigt also keinesfalls, Blutdrucksenker abzusetzen.« Patienten sollten ihre Medikamente auf keinen Fall eigenmächtig absetzen oder die Dosis reduzieren, ohne dies mit ihrem Arzt abzustimmen. Insbesondere bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten könne es in der Folge zu schweren Erkrankungen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen kommen. Wer stark verunsichert sei, solle mit seinem Arzt sprechen und sich beraten lassen.

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