Beratung als Teil der Therapie |
Vor allem im Liegen kann ständiger Husten plagen. Die Leitlinie empfiehlt Antitussiva allenfalls für die Nachtruhe. / Foto: Getty Images/Drazen Zigic
»Im Vergleich zur Vorgängerversion der Leitlinie haben wir vor allem nachgeschärft bei Strategien zur Reduktion des Antibiotika-Verordnungsverhaltens von Ärzten. Hierbei spielt das >delayed prescribing< eine große Rolle«, informiert Professor Dr. Christoph Heintze, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Charité in Berlin, über die überarbeitete Husten-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Bei diesem Verordnungsprinzip wird dem Patienten ein Rezept mit einem Antibiotikum angeboten mit der Auflage, es erst dann einzulösen, wenn nach einigen Tagen keine Besserung oder wenn früh eine Verschlechterung auftritt. »Vom delayed prescribing in Kombination mit gezielter Patienteninformation wissen wir aus Studien, dass es zu einer Reduktion von Antibiotika-Einnahmen beiträgt.«
Die aktualisierte Leitlinie enthält ein ganzes Kapitel zu Maßnahmen, mit denen sich die Antibiotika-Einnahmen reduzieren lassen, und »dieses vorsorgliche Rezept ist ein wesentlicher Baustein davon. Diese Möglichkeit sollte in Kombination mit den Infozepten verstärkt genutzt werden. Dadurch wird der Patient in den Abwägeprozess zwischen Vor- und Nachteilen einer Antibiotikatherapie konkret miteinbezogen. Dann kommt er möglicherweise von sich aus zu der Entscheidung, abwartend behandeln zu wollen. Hier haben Apotheker eine hohe Verantwortung, diesen Prozess zu unterstützen. Das ist wichtig für die Patienten-Partizipation: Je intensiver und präziser der Patient aufgeklärt wird, desto mehr kommt er zu der Überzeugung, mit herkömmlichen Mitteln auszukommen«, erklärt Heintze. Diese Vorgehensweise ist möglich, weil der akute Husten aufgrund eines respiratorischen Infekts überwiegend viraler Genese ist. »So kann man auch mit konservativem Abwarten mit genügend Flüssigkeit und Aufenthalten an der frischen Luft sowie Schonung viel erreichen. Ein solcher Infekt ist selbstlimitierend.«
Um mehr über die Ursachen des Hustens zu erfahren, ist die Kenntnis der Hustendauer ein wichtiger Faktor. Halten die Beschwerden bis zu drei Wochen an, spricht man von einem akuten Husten; meist handelt es sich dabei um einen Erkältungshusten, der in den allermeisten Fällen auf einen viralen Infekt der oberen und/oder unteren Atemwege zurückzuführen ist. Heintze: »Da der akute Husten im Rahmen eines Atemweginfekts bei erwachsenen Patienten auch ohne medikamentöse Behandlung abklingt, verzichten wir bei fehlenden Risikofaktoren auf weitreichende Diagnostik. Ohnehin sucht der Patient deshalb auch oft erstmal die Apotheke auf.« Dem Apotheker obliege dann die Aufgabe, den Patienten aufmerksam zu beraten und bei möglichen Auffälligkeiten wie Thoraxschmerzen, einer Atemnot in Ruhe oder schaumigem Auswurf an den Arzt zu verweisen.
Freilich muss seit vergangenem Jahr bei jeder neu aufgetretenen respiratorischen Symptomatik auch an eine Covid-19-Infektion gedacht werden. Der Verdacht begründet sich vor allem durch das gleichzeitige Auftreten von akutem Husten mit weiteren typischen Symptomen wie Fieber, Atemnot und plötzlichem Riech- und Geschmacksverlust.
Erkältungsviren können den Atemwegen aber auch deutlich länger als 21 Tage zusetzen: Dauert der Husten länger als drei und bis zu acht Wochen, sprechen die Leitlinienautoren von einem subakuten Husten und handeln bezüglich des therapeutischen Vorgehens beide Hustenphasen in einem ab. Jeder Husten, der länger anhält, wird als chronisch bezeichnet. Heintze weist darauf hin, dass in einigen Fällen bereits vor der Dauer von acht Wochen chronische Hustenursachen mitbedacht werden sollten. So ist zum Beispiel bei entsprechend vorbelasteten Patienten an eine akute Exazerbation einer COPD oder an eine Lungenentzündung zu denken.
Was ist der Grund für einen solchen protrahierten Verlauf? »Wenn ein Husten bei einem Patienten ohne Red Flags nicht nach zwei bis drei Wochen abklingt, dann könnte das zum Beispiel an einem Keim wie Mycoplasma pneumoniae oder Bordetella pertussis liegen, die die Schleimhäute besonders stark schädigen. Nach einer Infektion mit dem Keuchhusten-Erreger husten die Patienten gar noch länger als acht Wochen. Allerdings ist zu erwähnen, dass Mykoplasmen eher bei Kindern und Jugendlichen als Atemwegsinfekte auftauchen und bei Erwachsenen eher atypisch sind.«
Professor Dr. Christoph Heintze: Die Beratung in der Apotheke stärkt die Patienten-Partizipation. / Foto: Charité Universitätsmedizin Berlin
Der zweite mögliche Grund: Eine infektbedingte vorübergehende bronchiale Hyperreagibilität kann ebenfalls zögerlich verlaufen. Die Hustenrezeptoren reagieren dann hypersensibel und ein Hustenstoß wird bereits durch Temperaturwechsel etwa beim Sport, inhalative Reize, nächtliches Liegen oder Lachen ausgelöst. Die Leitlinienautoren empfehlen eine probatorische Behandlung mit einem inhalativen Corticosteroid für vier Wochen. »Die Hyperreagibilität, die durch fortlaufenden Hustenreiz erzeugt wird, bedingt einen Circulus vitiosus, der wieder Hustenreiz erzeugt. Durch Corticoid-haltige Sprays kann man den Kreislauf durchbrechen, weil die Entzündung zurückgefahren wird. Dadurch bessert sich auch die Hustenfrequenz«, sagt der Allgemeinmediziner.
Die Frage, ob ein Husten trocken oder produktiv ist, ist jedenfalls nicht zielführend hinsichtlich Ursache und Therapie. »Das ist eine Systematik, die man verlassen hat. Für die Einschätzung der Symptome ist die Hustendauer viel entscheidender. Die Produktivität spielt möglicherweise klinisch in der Einschätzung des Arztes für das Gesamtbild eine Rolle, aber ist von Patientenseite nur schwer einzuschätzen beziehungsweise schlecht objektivierbar.« Auch die Farbe des Sputums hilft bei der richtigen Therapiefindung nicht weiter. »Es gibt keine klinischen Studien, die belegen, dass ein grünes Sputum prädiktiv für eine bakterielle Erkrankung und damit für Antibiotika spricht.«
Ein Husten, der länger als acht Wochen anhält, muss ärztlich abgeklärt werden und verlangt eine weiterführende Diagnostik. »Mithilfe von Lungenfunktionstests und Röntgenaufnahmen können ernsthafte Erkrankungen wie ein Bronchialkarzinom oder eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung erkannt beziehungsweise ausgeschlossen werden.« Heintze erinnert daran, dass die Ursache eines chronischen Hustens nicht immer in Lunge oder Atemwegen liegen muss. Ein gastroösophagealer Reflux und auch einige Medikamente wie ACE-Hemmer, Inhalativa wie Corticosteroide, Beta-2-Adrenergika, Betablocker, Amiodaron oder Interferone können für den Dauerhusten verantwortlich sein.
Antibiotika sind jedenfalls beim akuten Erkältungshusten und einer akuten Bronchitis in aller Regel aufgrund deren viraler Genese nicht indiziert. Darüber hinaus ist die Antibiotikagabe, unabhängig von viraler oder bakterieller Genese, auch nicht sehr erfolgsversprechend. Sie bringt nur eine marginale Erleichterung der Symptome sowie eine geringe Verkürzung der Krankheitsdauer, heißt es in der Leitlinie. Sowohl der akute Erkältungshusten als auch die akute Bronchitis sind selbstlimitierend und heilen folgenlos aus. »Nicht-medikamentöse und medikamentöse Maßnahmen sind im Regelfall nicht notwendig, können aber zur subjektiven Besserung des Hustens beitragen«, heißt es in der Leitlinie. »Hier ist es die Aufgabe des Apothekers, zusammen mit dem Patienten herauszufinden, welches Präparat individuell geeignet sein könnte. Die Datenlage zu Antitussiva und Expektoranzien ist erstaunlich dünn«, sagt Heintze.
Systematische Übersichtsarbeiten zeigen für synthetische Expektoranzien zwar eine moderate Evidenz bezüglich einer geringen Reduktion von Exazerbationen bei einer COPD. »Für den akuten Husten aber gibt es keine Studie, die zeigt, dass ACC und Ambroxol eine Wirkung hätten. Für Guaifenesin und Bromhexin gibt es allenfalls eine schwache Evidenz«, führt Heintze aus. Insofern kommt die Leitlinie bezüglich Ambroxol zu einer anderen Einschätzung als die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, die »von akzeptablen Studien spricht, die eine Verkürzung der Dauer und/oder die Senkung der Intensität des Hustens bei der akuten Bronchitis belegen«.
Besser sieht es bei bestimmten pflanzlichen Arzneimitteln aus. Zur Wirksamkeit von Phytotherapeutika bezüglich Symptomlinderung gibt es inzwischen zu einzelnen Präparaten eine recht zufriedenstellende Evidenzlage aus mittelgroßen Einzelstudien, die überwiegend positive Resultate zeigen, welche klinisch jedoch fraglich relevant sind, formulieren es die Leitlinienautoren. Durch die unterschiedliche Zusammensetzung pflanzlicher Präparate sind Metaanalysen zu einzelnen pflanzlichen Wirkstoffen methodisch schwierig; Die Leitlinie nennt Zubereitungen aus Efeu, Kombinationen aus Thymian und Primelwurzel sowie aus Thymian und Efeu, Pelargoniumwurzelextrakt und die Kombination mehrerer ätherischer Öle. Damit dürften die Präparate Prospan®, Bronchipret® TP und Bronchipret® Saft, Bronchicum®, Umckaloabo® und Gelomyrtol® gemeint sein.
Während die Leitlinie der Pneumologen Dextromethorphan ein gewisses antitussives Potenzial einräumt, wirken laut den Allgemeinmedizinern alle Antitussiva, inklusive Codein und Dihydrocodein bei akutem Husten nicht besser als Placebo. Sie eignen sich allenfalls ergänzend für einen nächtlichen Einsatz, um quälenden Hustenreiz zu unterdrücken und so den Schlaf möglichst erholsam zu gestalten. Allerdings sei auf »die opiattypischen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen und das Abhängigkeitspotenzial« zu achten.
Ganz neu in der Leitlinie sind die Angaben zum ungeklärten oder therapierefraktären Husten. »Dieser tritt zwar sehr selten auf, beschert den Betroffenen aber einen enormen Leidensdruck. Trotz gründlichster Diagnostik kann keine Ursache gefunden werden. Wir geben den Patienten jetzt Empfehlungen mit niedriger Evidenz, was man tun kann.« Bei hoher Symptomenlast bietet sich etwa eine logopädische oder physiotherapeutische Behandlung an. Auch eine Therapie mit Gabapentin oder niedrig dosiertem Morphin ist möglich, wobei nach Absetzen der Arzneistoffe die Hustensymptomatik laut Heintze wieder auftritt.
Bei der Beratung von Patienten mit chronischem ungeklärten Husten ist es wichtig zu betonen, dass trotz sorgfältiger Diagnostik keine schwerwiegende, zugrunde liegende Organerkrankung gefunden wurde, ein Husten aber dennoch persistieren kann. Die Modellvorstellung einer durch einen Infekt ausgelösten Überempfindlichkeit kann potenziell hilfreich sein, um Patienten zu erklären, dass ein Hustenreiz auch ohne eine Erkrankung vorliegen kann und nicht »eingebildet« ist. Das kann manchmal schon ausreichend sein, sodass der Patient keine weitere Therapie wünscht. »Auch das hat wieder etwas mit Patienten-Partizipation zu tun«, erläutert Heintze.
Gruppe | Wirkstoffe | Evidenz für Wirksamkeit |
---|---|---|
Antitussiva | Codein/Dihydrocodein | Antitussiver Effekt in Studien nicht besser als unter Placebo. Evtl. bei gestörtem Nachtschlaf sinnvoll (sedierend) |
Noscapin | Keine | |
Dextrometorphan | Hinweise auf antitussive Wirkung, aber nur wenige Studien, Effekte eher gering: Klinischer Stellenwert bleibt bei derzeitiger Studienlage unklar. | |
Dropropizin/Levodropropizin | Keine | |
Pentoxyverin | Keine | |
Expektoranzien | Ambroxol/Bromhexin | Keine |
Acetylcystein | Keine | |
Guaifenesin | Wenige Studien mit eher geringen Effekten. Klinischer Stellenwert bei derzeitiger Studienlage unklar. | |
Phytotherapie | EfeuThymianPelargonium | Unterschiedlicher Grad an Evidenz aus kontrollierten Studien für eine stärkere bzw. schnellere symptomatische BesserungPositive Studienergebnisse für:Kombinationen Thymian-Primel und Thymian-Efeu• Pelargonium• Kombination mehrerer ätherischer ÖleDer Umfang der klinischen Effekte ist jedoch begrenzt, daher individuelle Therapieentscheidung. |
Kombinationen Phytotherapie | Thymian + EfeuThymian + PrimelKombination mehrerer ätherischer Öle | Unterschiedlicher Grad an Evidenz aus kontrollierten Studien für eine stärkere bzw. schnellere symptomatische Besserung Positive Studienergebnisse für:Kombinationen Thymian-Primel und Thymian-Efeu• Pelargonium• Kombination mehrerer ätherischer ÖleDer Umfang der klinischen Effekte ist jedoch begrenzt, daher individuelle Therapieentscheidung. |
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.