Pharmaziestudium - und dann? |
17.12.2007 10:33 Uhr |
Pharmaziestudium - und dann?
Von Bettina Sauer, Berlin
Anorganik, Analytik, Arzneistoffsynthese: Mit einem Pharmaziestudium lässt sich einiges anfangen. Nur was genau? Auf Podiumsdiskussionen, die GOVI-Verlag und Fachschaften organisieren (diesmal mit der Apothekerkammer Berlin), informieren Apotheker über die vielfältigen Berufsmöglichkeiten. Und sie geben Tipps für den Einstieg.
Für mehr als 80 Prozent der Absolventen spielt sich das Leben nach dem Pharmaziestudium in der öffentlichen Apotheke ab. Sie bewerkstelligen die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Auch Dr. Kerstin Kemmritz hat sich nach ihrer Promotion für diesen Weg entschieden. Sie sammelte Erfahrungen als Angestellte in drei Apotheken und gründete 1995 ihr eigenes Unternehmen: die Falken-Apotheke in Berlin-Weißensee. »Die meisten Apothekenleiter gucken bei der Personalauswahl nicht so sehr auf die Noten oder eine Promotion«, berichtete sie Ende November den Studenten beim Info-Abend in der Freien Universität Berlin. »Ich zum Beispiel möchte im persönlichen Gespräch das Gefühl gewinnen, dass jemandem Pharmazie Spaß macht, dass er sich fortbildet, gerne im Team arbeitet und laienverständlich über Arzneimittel sprechen kann.«
Arbeitsplatz Krankenhausapotheke
Pharmazeutischer Sachverstand, Teamfähigkeit, Gesprächsbereitschaft: Jeder Referent auf dem Podium nannte die drei Begriffe. Diese Schlüsselkompetenzen sollten also auch Apotheker mitbringen, die bei Krankenkassen und -Verbänden, an der Universität, in der Pharmaindustrie oder im Krankenhaus arbeiten. »Unser Team berät den ganzen Tag Kunden«, sagte etwa Markus Müller, leitender Apotheker in den Berliner Vivantes Kliniken. »Dabei handelt es sich aber weniger um Patienten, als vielmehr um Ärzte oder Pflegekräfte, die Informationen über Arzneimittelanwendungen und -risiken brauchen.« Dieser Tätigkeitsbereich umfasst umfangreiche Recherchen in medizinischen Datenbanken und oft auch die Teilnahme an ärztlichen Visiten auf den Stationen. Er bildet eine von drei Säulen, auf die sich die Arbeit eines Krankenhausapothekers stützt. »Die zweite Säule umfasst die Herstellung«, sagte Müller. Viele Medikamente im Krankenhaus seien gewissermaßen maßanzufertigen, darunter Kapseln in kindgerechter Dosis, Zytostatika für Krebspatienten oder Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung. Als dritte Säule nannte Müller die Logistik, also die ordnungsgemäße Lagerung und Verteilung von Arzneimitteln auf die Stationen sowie ihre ökonomische Beschaffung.
Arzneimittelversorgung unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, das beschäftigt auch Frank-Ullrich Schmidt, und zwar im ganz großen Maßstab. Er arbeitet in Berlin als Arzneimittelreferent beim Landesverband Ost der Betriebskrankenkassen (BKK). »Wir müssen es schaffen, unsere Versicherten bestmöglich zu versorgen, ohne dass der Beitragssatz in die Höhe schnellt«, sagte er. »Wir wirken beispielsweise beim Abschluss von Rahmenverträgen mit Apotheken und Ärzten oder bei Impfvereinbarungen mit.« Auch an Rezeptprüfungen ist Schmidt beteiligt. Und er löst Fragen und Probleme zu Arzneimitteln, bei denen die Mitarbeiter der einzelnen Krankenkassen nicht mehr weiterwissen.
Jobs in der Pharmaindustrie
Gleich ganz viele Berufsbilder versammeln sich unter dem Dach eines pharmazeutischen Unternehmens: »Zu den Apothekerdomänen zählen die Herstellung, Analytik und Zulassung«, sagte Joachim Schmidt. Er ist in einem eher untypischen Bereich für Apotheker weit aufgestiegen und nun einer der Leiter für Forschung und Entwicklung bei Bayer Schering Pharma in Berlin. Er entscheidet über die Zukunft neuer Wirkstoffe. Lohnt es sich, sie weiterzuentwickeln, sie in die nächste Prüfungsphase zu nehmen bis hin zu klinischen Studien mit Hunderten von Teilnehmern? Schmidt lebt einen Manageralltag: 10 bis 15 Termine und 300 Mails am Tag, so viele Gespräche und Flugmeilen, dass er abends gar nicht mehr so gerne redet und in den Urlaub am liebsten mit dem Auto fährt. »Führungsqualitäten, Flexibilität, Fremdsprachen, das nützt jedem Apotheker in der pharmazeutischen Industrie«, sagte er.
Die wichtigste Voraussetzung für eine Hochschullaufbahn sei ein großes Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten, sagte Dr. Ronald Gust, Professor für Pharmazeutische Chemie und derzeit Dekan am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin. Schon im sechsten Semester entdeckte er für sich die Krebsforschung - »ein faszinierendes Gebiet, dessen konkrete Anwendung den Menschen nützt«. Heute synthetisiert und testet seine Arbeitsgruppe mögliche neue Wirkstoffe für die Tumortherapie. »Spaß an der Lehre braucht man als Professor natürlich auch«, sagte Gust. Dann gewährte er den Studenten einen Einblick in seinen Berufsalltag, wenn er ihnen gerade keine Vorlesung hält oder sie nicht im Praktikum besucht. »Dann betreue ich meine derzeit 26 Doktoranden«, sagte er. »Ich erstelle mit ihnen Arbeitspläne und werte ihre Versuche aus. Die Ergebnisse bilden die Grundlage neuer Forschungsziele und wissenschaftlicher Artikel, die ich verfasse und zur Veröffentlichung in möglichst hochrangigen Journals einreiche.« Zudem muss er Drittmittel beantragen, um die Forschung zu ermöglichen. »Durch die vielen Büroarbeiten komme ich selbst kaum noch zur Arbeit im Labor.«
Der Weg zur Professur
Ob ihnen der Forscher-Alltag zusagt, sollten Studenten durch eine Diplomarbeit oder eine Promotion überprüfen. »Dazu muss man sich für einen Bereich entscheiden und auf den Homepages der entsprechenden Arbeitskreise informieren«, sagte Gust. »Haben Sie keine Hemmungen, Professoren per Mail oder telefonisch nach freien Stellen zu fragen.« In der Regel spielten die Noten aber keine ganz unwesentliche Rolle. Zudem müsse man sich auf drei bis vier Jahre Promotionsdauer mit sehr langen Arbeitszeiten einstellen. Und das Einkommen betrage meist nur etwa ein Drittel des Einstiegsgehalts in anderen pharmazeutischen Berufen. »Rechnen Sie mit 1000 Euro netto.« Wer nach der Promotion die Forscherlaufbahn weiterverfolgen will, geht meist als Postdoc in ein ausländisches Labor, um Erfahrungen zu sammeln und weitere Methoden zu erlernen. »Anschließend kann man versuchen, in Deutschland eine Juniorprofessur zu bekommen. Damit lassen sich 2000 bis 3000 Euro netto verdienen. Doch braucht man dazu ein sehr interessantes Forschungsgebiet und vielversprechende Publikationen.« Das gelte erst recht später bei der harten Konkurrenz um eine richtige Professur.
Gute Chancen bei Krankenkassen
Gusts Erfahrung nach erleichtert die Promotion auch den Einstieg in andere pharmazeutische Berufe: »Sie gilt als Beleg dafür, dass jemand Durchhaltevermögen hat, wissenschaftlich arbeiten, Studien sichten und Fakten bewerten kann.« Ansonsten, sagten Apothekerin Kemmritz, Krankenhausapotheker Müller und Schmidt von Bayer-Schering übereinstimmend, lohne es sich, Augen und Ohren nach interessanten Stellen offen zu halten, diesbezüglich aktiv herumzufragen, Kontakte zu nutzen und den Mut aufzubringen, einen möglichen Arbeitgeber direkt anzurufen. Daraus lasse sich am meisten über sein Profil und seine Anforderungen herausfinden. Weitaus leichter als an Festanstellungen komme man natürlich an Praktikumsplätze oder Stellen für das Praktische Jahr. Doch sei es sinnvoll, sich darum schon etwa ein Jahr vor dem geplanten Arbeitsbeginn zu kümmern. Kemmritz sagte: »Wer durch Praktika vieles ausprobiert, kennt sich bei der Berufswahl besser aus und macht sich für mögliche Arbeitgeber interessant.«
»Die Krankenkassen bieten in der Regel keine Praktikumsplätze und Stellen für das Praktische Jahr an«, sagte Schmidt. Allerdings stünden derzeit die Chancen für approbierte Apotheker auch so sehr gut, dort eine Festanstellung zu bekommen. Er empfiehlt Interessenten sogar, erst einmal ein wenig Berufserfahrung zu sammeln. »Dann kann man sich die Abläufe im Gesundheitssystem viel besser vorstellen.« Bevor er vor knapp fünf Jahren in seine jetzige Stellung bei der BKK wechselte, arbeitete Schmidt rund 20 Jahre in öffentlichen Apotheken. In dieser Zeit bildete er sich zum Fachapotheker für Offizinpharmazie, Gesundheits- und Ernährungsberatung weiter und studierte sogar ein zweites Mal, nämlich Gesundheitswissenschaften (Public Health). »Viele unserer Quereinsteiger haben solche Zusatzqualifikationen«, sagte er. Auch Kemmritz ermutigte die Studenten: »Bleiben Sie neugierig, wenn Sie Ihren Berufseinstieg gemeistert haben, und nutzen sie Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung. Das eröffnet Ihnen möglicherweise ungeahnte Möglichkeiten. Und es bereichert Ihren Arbeitsalltag.«