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BKK Gesundheitsreport

Diagnose je nach Wohnort

10.12.2014  11:16 Uhr

Von Anna Hohle, Berlin / Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch eine bestimmte Krankheitsdiagnose bekommt, ist stark von der Region abhängig, in der er lebt. Zu diesem Ergebnis kommt der BKK Gesundheitsreport 2014.

Sie kommen aus Regensburg? Dann könnten Sie irgendwann die Diagnose Depression bekommen. Zumindest ist die Chance dafür größer als bei Ihrem Cousin aus Bielefeld. Denn in einigen Regionen werden bestimmte Krankheiten besonders häufig diagnostiziert. Das fanden die Autoren des neuesten BKK Gesundheitsreports heraus. Die Betriebskassen werteten dafür die Behandlungsdaten von rund 9,3 Millionen Versicherten aus.

 

Zunächst sei auffallend, wie sehr bestimmte Erkrankungen etwa von Alter und sozialer Lage abhingen, sagte der Vorstand des BKK-Dachverbands Franz Knieps. Krankheitsbedingte Fehlzeiten kämen weit häufiger in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, niedriger Vergütung und vielen alten Menschen vor. Wo mehr junge und gut verdienende Menschen leben, wird man dem Report zufolge dagegen weniger häufig krank.

 

Dennoch würden regionale Unterschiede nicht allein von solchen Strukturen abhängen, so Knieps. Teilweise träten bestimmte Diagnosen in einer Ecke eines Bundeslands weit häufiger auf als in einer anderen, trotz ähnlicher Bevölkerungsstruktur. So wird laut Studie etwa das Krankheitsbild Depressive Episode deutschlandweit mit am häufigsten im Osten Bayerns gestellt. Im Westen des Freistaats wird diese Erkrankung dagegen viel seltener diagnostiziert. Noch seltener geschieht dies in den neuen Bundesländern. Daraus lasse sich aber nicht zwingend schließen, dass die Menschen dort weniger häufig Depressionen bekommen, sagte Studienautor Holger Pfaff.

 

Man müsse vielmehr fragen, ob Krankheiten in bestimmten Regionen einfach seltener diagnostiziert werden, sei es, weil die Menschen seltener zum Arzt gehen oder weil manche Ärzte ihre Diagnosen aufgrund festgefahrener Denkmuster stellten. Hier seien die Politiker gefordert, sagte Pfaff. Schließlich müssten sie in Deutschland für gleiche Lebensverhältnisse sorgen.

 

Zweite Meinung einholen

 

Die Betriebskrankenkassen wollen sich nun für mehr evidenzbasierte Leitlinien einsetzen, kündigte Pfaff an. Auch sei denkbar, in Regionen mit auffallend vielen Diagnosen einer bestimmten Erkrankung künftig ärztliche Zweitmeinungen vorzuschreiben. Der zweite Arzt müsse dann aus einer Region mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur, aber anderer Diagnosehäufigkeit stammen.

 

Daneben wollen die Kassen sich BKK-Vorstand Knieps zufolge dafür starkmachen, mehr Ärzte in unterversorgte Regionen zu bringen. Denn Mediziner fehlten häufig genau dort, wo die Menschen oft krank werden, so Knieps. Auch für mehr Prävention wollen die Betriebskassen sorgen und zum Beispiel psychotherapeutische Sprechstunden in Betrieben einrichten. Damit künftig Gleichheit herrscht zwischen Regensburg und Bielefeld. /

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