Sind Testsubstanzen Arzneimittel? |
11.12.2012 18:04 Uhr |
Von Ev Tebroke / Wer mit einem allergischen Kontaktekzem zu kämpfen hat, muss die allergieauslösende Substanz mithilfe eines Epikutantests ermitteln, um sie meiden zu können. Doch das ist leichter gesagt als getan. Viele neue Allergene sind in den alten Testkits überhaupt nicht enthalten. Nun ist eine Lösung in Sicht.
Beruflich bedingte Hauterkrankungen sind hierzulande die häufigsten Erkrankungen am Arbeitsplatz. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie verlieren fast ein Drittel der Erkrankten ihren Arbeitsplatz oder rutschen in schlechtere Arbeitsverhältnisse, weil die Ursache für ihre Allergie nicht gefunden werden kann. Viele neuere Substanzen wie beispielsweise aktuelle Desinfektionsmittel, Biozide oder in der Altenpflege eingesetzte Benzodiazepine sind in den standardisierten Testkits gar nicht enthalten. Denn die Herstellung neuer Testsubstanzen ist aufgrund aufwendiger Zulassungsbedingungen seit 2004 faktisch unmöglich geworden.
Damit Hersteller neue Substanzen für Epikutan-Testkits herstellen dürfen, brauchen sie bislang eine Zulassung vom jeweiligen Landesuntersuchungsamt.
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Grund waren die regulativen Bedingungen, die 2001 mit der »Clinical Trials Directive« 2001/20/EC seitens der EU vorgegeben und 2004 in nationales Recht umgesetzt wurden. Nach deutscher Interpretation der EU-Richtlinie waren für deren Identifizierung und Herstellung – wie bei der Zulassung neuer Medikamente – aufwendige klinische Studien erforderlich. Somit war es aufgrund der damit verbundenen enormen Kosten faktisch unmöglich, Epikutan-Testkits mit neuen Allergenen zu aktualisieren. Hier hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun eingelenkt. Zukünftig können neue allergieauslösende Substanzen auf Basis epidemiologischer Studien identifiziert werden. Das ist für einen Hersteller erheblich kostengünstiger, denn er muss beispielsweise nicht, wie bei klinischen Studien notwendig, jede Testperson mit 500 000 Euro versichern.
»Wir haben mit dem BMG einen zweistufigen Konsens gefunden, der den langjährigen Konflikt um die regulativen Bedingungen beendet«, sagte Professor Dr. Swen Malte John, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie. Nachdem verdächtige Stoffe nun zunächst in epidemiologischen Studien als allergieauslösend identifiziert werden sollen, erfolge im nächsten Schritt eine multizentrische Zulassungsstudie für die neu ermittelten Allergene mit etwa 20 Probanden. »Die Hersteller halten das kostentechnisch für umsetzbar«, so John.
Der Konsens ist das Ergebnis eines Spitzengesprächs im Juli dieses Jahres, an dem neben den dermatologischen Fachgesellschaften, der Gesetzlichen Unfallversicherung und einzelnen Berufsgenossenschaften auch das Bundesgesundheitsministerium und das Paul Ehrlich-Institut (PEI) als Zulassungsbehörde beteiligt waren. Maßgeblich für die Einigung waren klare Signale der EU-Kommission: Es handele sich bei den Testsubstanzen eindeutig nicht um Medikamente, sondern um Substanzen ohne pharmakologische Wirkung, die bereits im Alltag zum Einsatz kommen. Epidemiologische Studien mit Epikutantests galten demnach nicht als klinische Studien, wie sie in der Direktive definiert seien, so der damalige EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Jedes Land solle hier eigene nationale Regeln anwenden. Das Bundesgesundheitsministerium schloss sich der EU-Interpretation an.
Der Teufel steckt im Detail
Mit dieser Einigung könnten nun erste Studien in Angriff genommen und anschließend neue Testsubstanzen hergestellt werden. Theoretisch. Praktisch sieht die Sache anders aus. »Der Teufel liegt hier im Detail«, sagte Professor Dr. Axel Schnuch, Leiter des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken in Göttingen. Momentan dürfe kein Hersteller die Substanzen für die epidemiologischen Studien produzieren. Sobald diese in einen standardisierten Epikutantest eingefügt werden, gelten sie als Arzneimittel und bedürfen einer Zulassung durch die entsprechende Behörde, so Schnuch. Im Rahmen der epidemiologischen Studien sei nun nicht mehr das PEI für eine Genehmigung zuständig, sondern die Landesuntersuchungsämter. »Wir sind mit den verantwortlichen Ämtern im Gespräch, um das Problem der Herstellung nicht zugelassener Testzubereitungen zu lösen«, sagte Schnuch. /