Wie man häufige Anwendungsfehler vermeidet |
10.12.2007 13:39 Uhr |
Wie man häufige Anwendungsfehler vermeidet
Von Norbert Doktor
Mechanische Einstichhilfen für Diabetiker, kurz Pens genannt, sind heute etablierter Bestandteil der Therapie, weit verbreitet und aus der Behandlung nicht mehr wegzudenken. Doch die Bedienung der Geräte ist nicht immer einfach.
Auf dem Markt ist eine große Zahl von Pens erhältlich, die sich in Funktion und Umfang zum Teil sehr stark unterscheiden. Dies bietet die Möglichkeit, einen für den Anwender individuell optimalen Pen zu finden, birgt aber auch Gefahren. Eine fehlerhafte Insulininjektion ist unabhängig vom Hilfsmittel und auch mit einem Pen (leicht) möglich. Der Apotheker sollte die häufigsten Anwendungsfehler kennen, um einen Diabetiker gezielt informieren und Probleme lösen zu können. Ferner gilt es, manche Details zu beachten, damit die Beratung beim Patienten auch »ankommt«.
Subjektiv ungeeigneter Pen
Die richtige Auswahl der geeigneten Einstichhilfe ist sehr wichtig, liegt aber in der Regel weit im Vorfeld der Interventionsmöglichkeiten der Apotheke. Grundsätzlich muss das Insulin zum Pen passen, denn bei den meisten Pens dürfen nur die Insulinkartuschen des jeweiligen Herstellers verwendet werden. Jedoch erhalten viele Patienten Pens, die sich am Hersteller des verordneten Insulins orientieren und nicht an ihren individuell möglicherweise eingeschränkten manuellen oder anderen für die Bedienung notwendigen Fähigkeiten. Dies kann zu erheblichen Hürden bei der Handhabung des Hilfsmittels führen.
Die Auswahl eines geeigneten Pens muss die »Handicaps« des Patienten berücksichtigen. So müssen bei eingeschränkter Sehkraft Pens mit großem Display und gut ablesbaren Zahlen zur Anwendung kommen, während bei eingeschränkter Motorik Einstichhilfen verwendet werden sollen, die die Insulinapplikation ohne großen Kraftaufwand ermöglichen. Schwierig wird es, wenn mehrere Einschränkungen vorliegen und der Hersteller nur eine begrenzte Auswahl an Pens zur Verfügung stellt.
Eine professionelle Beratung geht bei der Auswahl der passenden Einstichhilfe so vor, dass dem Patienten die breite Produktpalette verschiedener Hersteller vorgelegt wird, aus der er dann den für ihn geeigneten Pen in Ruhe (!) auswählen kann. Dabei werden alle erdenklichen Situationen des Alltags ausprobiert. Ist ein passender Pen gefunden, wird in einem zweiten Schritt das Insulin zum Pen ausgewählt. Die Verordnung obliegt selbstverständlich dem Arzt.
Bei der Auswahl muss auch der Auslösemechanismus beachtet werden, den der Patient bei der Applikation des Insulins bedienen muss. Zurzeit existieren drei Verfahren, wie das Insulin nach Einstellen der Dosis zu applizieren ist.
Bei sogenannten manuellen Pens hat der Dosierknopf zwei Aufgaben: Er dient zur Einstellung der Dosis und danach als Auslösemechanismus. Ausgelöst wird der Pen, indem der Patient den Dosierknopf mit dem Daumen, manchmal auch mit dem Zeigefinger, gleichmäßig, langsam und vollständig bis zur Null-Stellung der Dosieranzeige herunterdrückt. Bei einigen Pens wird das Erreichen der Null-Stellung zusätzlich durch ein Einrasten des Dosierknopfs angezeigt. An manuellen Pens mit leerer Kartusche gelingt das Herunterdrücken des Dosierknopfs leicht. Mit eingelegter Kartusche und hohen Insulineinheiten wird es für Patienten mit motorischen Einschränkungen wie Daumensattelgelenkarthrose (Rizarthrose), Lähmungen nach Schlaganfall (Hemiparese), Koordinationsstörungen (Morbus Parkinson) oder allgemeiner Muskelschwäche, wie sie im Alter häufig vorkommt, deutlich schwieriger. Es besteht die Gefahr, dass die Insulindosis durch das nicht gleichmäßige oder unvollständige Herunterdrücken des Dosierknopfs nicht vollständig appliziert wird.
Hier bieten halbautomatische Pens Abhilfe. Mit dem Einstellen der Insulindosis am Dosierrad wird eine Feder vorgespannt. Das Auslösen des Pens erfolgt nicht mit dem Dosierrad, sondern mit einem meist seitlich angebrachten Auslösemechanismus (»Schieber«). Dieser wird einfach nach unten, das heißt zur Pennadel hin geschoben und löst hierdurch die arretierte Feder, deren Kraft jetzt den Penkolben in die Kartusche drückt. Damit wird die Insulindosis ohne Kraftanwendung des Patienten appliziert. Eine Unterbrechung der Injektion oder die ungleichmäßige Applikation werden wirkungsvoll vermieden. Dem Vorteil dieser Geräte stehen fehlende Eigenschaften der manuellen Pens wie eine mögliche Dosiskorrektur entgegen. Zudem ist der Zahlenaufdruck auf dem Dosierrad oft zu klein und damit zu wenig deutlich sichtbar.
Die dritte Gruppe sind vollautomatische Pens. Diese bieten den Vorteil, dass auch die Injektion der Nadel in das Gewebe durch den Pen vorgenommen wird. Während der Patient beim manuellen und halbautomatischen Pen vor der Applikation der Dosis immer die Nadel in das Subkutangewebe stechen muss, wird beim vollautomatischen Pen beim Auslösen zuerst die Nadel in das Gewebe gestochen und unmittelbar danach das Insulin durch die Kanüle gespritzt.
Zu beachten ist, dass die Mechanik von Dosiseinstellung und Auslösevorgang identisch mit der von halbautomatischen Pens ist (Dosierknopf nicht gleich Auslöseknopf). Vorteilhaft ist zudem, dass der Anwender eine Dosiskorrektur vornehmen kann. Zur automatisierten Injektion der Kanüle ist eine separate Mechanik nötig. Der Pen muss vor der Injektion gespannt werden. Dieser zusätzliche Schritt verlangt eine gewisse Feinmotorik und Kraft und muss dem Patienten genau erläutert und demonstriert werden. Beachtet man aber, dass automatische Einstichhilfen vor allem von Patienten mit »Spritzenangst« oder von Angehörigen, die die Injektion durchführen müssen, benutzt werden, relativiert sich die etwas schwierige Bedienung.
Zu später Wechsel des Pens
Auch Einstichhilfen unterliegen dem Verschleiß und sollten regelmäßig gewechselt werden. Daher haben Hersteller von Pens, deren Display batteriebetrieben ist, die Lebensdauer der Batterie und damit die der Einstichhilfe genau vorgegeben. Sie gehen davon aus, dass der Kunde mit dem Erlöschen der Dosisanzeige im Display den (oft vermeintlich defekten) Pen austauscht.
Häufig sind die Kunden über den plötzlichen Ausfall des Geräts erstaunt oder verärgert. Viele wissen nicht, dass ein Spannungsabfall der Batterie beispielsweise durch Blinken der eingestellten Dosis rechtzeitig angezeigt wurde. Bei richtiger Handhabung nach der Injektion hat die Batterie normalerweise eine maximale Lebensdauer von zwei bis vier Jahren (je nach Produkt und Hersteller); eine falsche Handhabung kann die Lebensdauer zum Teil drastisch verringern. Beispielsweise muss beim OptiPen® Pro der Dosierknopf nach der Injektion eingedrückt bleiben, damit die Batterie abgeschaltet wird. Deshalb passt der Pen nur mit eingedrücktem Dosierknopf in das vorgesehene Etui.
Die Batterie selbst hat keinen Einfluss auf die Mechanik des Pens. Sie dient ausschließlich der Displayanzeige.
Rein mechanische Pens sollen ähnlich wie die mit einer Batterie bestücken Applikationshilfen alle zwei bis vier Jahre gewechselt werden. Bei Beschädigung muss der Pen unverzüglich gewechselt werden, um die Dosisgenauigkeit zu garantieren.
Fehler mit der Kartusche
Für den Anwender unterscheiden sich viele Insulinkartuschen äußerlich nicht voneinander. So berichten Patienten immer wieder, dass es durchaus möglich sei, auch Insulinpatronen anderer Hersteller in ihren Pen einzuführen. Vielen Anwendern ist nicht bewusst, dass der Pen genauestens auf die Konstruktionsmerkmale der Insulinkartusche abgestimmt wurde, um eine hohe Genauigkeit und Präzision der eingestellten Insulindosis zu garantieren. Daher gibt der Hersteller in der Gebrauchsanweisung deutlich an, mit welchen Insulinpatronen der Pen bestückt werden kann und übernimmt für andere Kartuschen keine Gewähr bezüglich der Dosiergenauigkeit.
Beim Wechsel der Insulinpatrone passieren, abgesehen von der Injektion, die meisten Handhabungsfehler, die zudem oft zur Beschädigung des Pens führen. Zum Patronenwechsel muss das Penfunktionsteil vom Kartuschenhalter getrennt werden. Schraubgewinde sind dabei weniger anfällig als Bajonettverschlüsse, die bei zu starker Kraftanwendung brechen können und den Pen unbrauchbar machen. Die anschließende Rückführung des Penkolbens in die Ausgangstellung kann von Hersteller zu Hersteller unterschiedlicher nicht sein. Vom einfachen Eindrücken des Penkolbens über die Drehung des Penkolbengewindes im Uhrzeiger- oder Gegenuhrzeigersinn bis hin zur Betätigung des Dosierknopfs (leichtes Eindrücken oder auch Drehen) ist alles möglich; vom einen leicht verständlichen Standard ist man noch weit entfernt.
Die gut gemeinten Benutzerhinweise können selbst versierten Patienten Schwierigkeiten bereiten, wie folgendes Zitat zeigt: »Falls der Dosierknopf (1) eingerastet ist, drücken Sie den Startknopf (3). Der Dosierknopf (1) wird entriegelt. Halten Sie den Dosierknopf (1) senkrecht nach unten zeigend (...) und drehen ihn bis zum Anschlag (90° oder 180°) nach links zurück (zum Zurückdrehen des Dosierknopfes (1) muss er ein wenig eingedrückt werden). Dabei fällt die Gewindestange (5) ins Gehäuse zurück. Jetzt Dosierknopf (1) wieder bis zum Anschlag nach rechts drehen (90° oder 180°). Dabei wird die Gewindestange wieder verriegelt. (Falls die Gewindestange nicht leichtgängig ganz ins Gehäuse (4) zurückfällt, schauen Sie bitte unter E 16. auf Seite 19.)«
Bei ungestümen Manipulationen am Penkolben (Gewindestange) können Beschädigungen auftreten, die den Pen unbrauchbar machen. Wichtig ist zudem, dass der Patient das Beseitigen von Luftblasen beherrscht. Durch Temperaturschwankungen (cave: Kühlschranklagerung des Pens) kann bei aufgeschraubter Nadel Luft in die Patrone gelangen, sodass die Dosis hierdurch gering schwanken kann. Daher sollte die Penpatrone ab und zu kontrolliert und Luftblasen entfernt werden. Dazu spritzt man durch den senkrecht gehaltenen Pen eine geringe Insulindosis in die Luft; größere Luftblasen werden auf die gleiche Weise entfernt. Gegebenenfalls muss man den Vorgang wiederholen.
Kein Nadelwechsel, falsche Nadel
Häufig verbleibt die Nadel zwischen den einzelnen Injektionen auf dem Pen. So kann sich Luft in der Ampulle bilden, was beim Aufziehen zu einer fehlerhaften Dosierung führt. Zudem kann Insulin aus der Patrone auslaufen, was bei Mischinsulinen das Mischungsverhältnis der einzelnen Insulinbestandteile verändern kann.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Diabetiker in Deutschland erst nach durchschnittlich neun Injektionen ihre Pennadel ersetzen. Zum Vergleich: In Frankreich tun sie dies nach durchschnittlich 1,5 Injektionen. Bei der Injektion wird der auf der Pennadel haftende Gleitfilm zerstört und die Nadel sehr hohen Belastungen ausgesetzt. Dies verändert die Schliffgeometrie und das Eindringverhalten der Kanüle, was zur Gewebstraumatisierung führt und die Bildung von Lipohypertrophien begünstigt. Nach dem Medizinproduktegesetz sind Penkanülen Einmalartikel und entsprechend mit dem Symbol »Für den einmaligen Gebrauch« gekennzeichnet.
Damit Insulin richtig wirkt, darf die subkutane Injektion weder mit einer zu kurzen noch zu langen Injektionsnadel vorgenommen werden. 5 und 6 mm lange Nadeln eignen sich sehr gut für Kinder und schlanke Erwachsene, wenn die Injektion im 90-Grad-Winkel vorgenommen wird.
8-mm-Kanülen sollen schlanke Erwachsene nur unter Bildung einer Hautfalte im 45-Grad-Winkel einstechen. Am Oberschenkel dürfen Nadeln mit einer Länge über 8 mm wegen der Möglichkeit einer intramuskulären Injektion nicht verwendet werden. Die häufig anzutreffenden 10 und 12 mm langen Nadeln dürfen nur Erwachsene mit deutlichem Fettgewebe verwenden. Auch sie werden im Winkel von 90 Grad unter Bildung einer Hautfalte eingestochen. Bei ausgeprägter Adipositas können auch 12 mm lange Nadeln verwendet werden. Keinesfalls dürfen Kinder und normalgewichtige Erwachsene diese Nadellängen verwenden.
Auch wenn es einfach aussehen mag: Beim nicht korrekten Aufstecken oder Aufschrauben der Penkanülen (motorische Schwäche, Sehschwäche) kann der innere Dorn, der innerhalb des Gewindegehäuses liegt und den Gummistopfen durchstoßen soll, an den Rändern der Kartusche umgebogen werden, sodass eine Injektion unmöglich ist. Daher empfehlen die Hersteller, die Kanüle ohne große Kraftanstrengung immer senkrecht aufzustecken oder aufzuschrauben.
Fehlerhafte Lagerung von Insulin
In Gebrauch befindliches Insulin kann bis zu vier Wochen bei Zimmertemperatur (bis 30 °C) aufbewahrt werden; der übrige Vorrat sollte im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C gelagert werden. Frost und längere direkte Sonneneinstrahlung führen zu einem Wirkverlust des Insulins. Bei Urlaubsreisen kann man sich helfen, indem die Insulinpatrone in ein nasses Handtuch eingeschlagen oder in eine Thermoskanne gelegt wird, die mit kaltem Wasser gefüllt ist.
Falscher Injektionsort
Langzeitinsuline (NPH-Insuline) sollten nach wie vor subkutan in den Oberschenkel injiziert werden, da sie hier langsamer und gleichmäßiger resorbiert werden. Insulin glargin (Beispiel: Lantus®) scheint bei einigen Patienten länger und gleichmäßiger aus dem Bauchgewebe resorbiert zu werden. Normal- und Kurzzeitinsuline hingegen sollten subkutan in die Bauchhaut gespritzt werden. Am Oberarm sollte nicht injiziert werden, da die Faltenbildung erschwert ist und sehr häufig eine intramuskuläre Injektion resultiert.
Der Anwender sollte den Injektionsort regelmäßig wechseln, damit sich das Gewebe erholen kann. Hierzu bevorzugen einige Patienten Schablonen, bei denen die Spritzenstelle im Uhrzeigersinn im Abstand von zwei bis drei Zentimeter gewechselt wird.
Vorsicht ist geboten, wenn ein Patient berichtet, den idealen, weil völlig schmerzfreien Injektionsort gefunden zu haben. Meistens liegen Lipohypertrophien, das heißt Fettgewebswucherungen vor, die zum Beispiel durch fehlerhafte Insulininjektionen entstehen können. Lipohypertrophien sind mit wenigen Schmerzrezeptoren ausgestattet, aber äußert schlecht durchblutet. Hier injiziertes Insulin wird nicht gleichmäßig resorbiert und führt zu erheblichen Schwankungen beim Insulinbedarf und beim Glucosespiegel.
Fehler vor der Injektion
Misch- oder NPH-Insulin muss zwingend vor jeder Injektion durchmischt werden. In verschiedenen Untersuchungen konnte man nachweisen, dass ein vier- bis fünfmaliges Schwenken unzureichend ist. Eine wirksame Durchmischung stellt sich bei den meisten Insulinen erst nach 15- bis 20-maligem Schwenken ein.
Vor jeder Injektion muss zwingend die Funktionsfähigkeit des Pens festgestellt werden. Hierzu werden am aufrecht gehaltenen Pen mit aufgesteckter Kanüle eine bis zwei Einheiten in die Luft gespritzt. Mit dieser einfachen und schnellen Methode kann die Durchgängigkeit der Nadel getestet sowie die Dosisgenauigkeit (Totraumvolumen) garantiert werden.
Eine Desinfektion der Einstichstelle ist nicht notwendig, da sich nach dem Spritzen der Einstichkanal schnell schließt und Insulin mit Bakterien abtötenden Konservierungsmitteln versehen ist.
Fehler bei der Injektion
Intramuskuläre Injektionen sind zwingend zu vermeiden. Daher darf die Hautfalte nur zwischen Daumen oder Zeige- und Mittelfinger gebildet werden. Benutzt man die ganze Hand, kann Muskelgewebe mit in die Falte einbezogen und das Insulin intramuskulär appliziert werden.
Wird bei der Hautfaltenbildung zu viel Druck ausgeübt (»Klemme«), kann das aus der Nadel austretende Insulin nicht ausreichend schnell im Gewebe resorbiert werden und tritt an der Einstichstelle wieder aus. Die Patienten berichten dann über »Feuchtigkeit an der Einstichstelle«. Keinesfalls darf die ausgetretene Insulinmenge abgeschätzt und nachinjiziert werden.
Insulin muss immer langsam injiziert werden. Selbst bei korrekter, das heißt lockerer Hautfaltenbildung führt eine zu schnelle Injektion zum Wiederaustritt von Insulin aus dem Stichkanal. Daher soll der Patient gleichmäßig und langsam injizieren. Nach der Applikation muss die Nadel für mindestens acht bis zehn Sekunden im Unterhautfettgewebe belassen werden.
Falsche Reaktion bei defektem Pen
Penbenutzer müssen für den Fall geschult werden, dass der Pen nicht mehr angewendet werden kann. Aus diesem Grund sollte jeder Patient, der einen Pen gebraucht, in seinem Etui eine U-100-Insulinspritze mitführen und wissen, wie er diese aus der Kartusche befüllen kann. Unbedingt muss der Unterschied zwischen U-40-Durchstechflaschen und U-100-Kartuschen bekannt sein.
Würde man Insulin aus einer Penkartusche mit einer gewöhnlichen U-40-Spritze aufziehen, erhält man bei gleichem Volumen die zweieinhalbfach so hohe Dosis, da Peninsulin zweieinhalbmal konzentrierter ist als Insulin aus den klassischen Insulinflaschen. Es empfiehlt sich, das Aufziehen aus einer Kartusche zu üben, damit die nicht alltägliche Situation »Pen defekt« nicht zur Überforderung führt.
Die Penkartuschen sind mit einem Gummistopfen luftdicht verschlossen. Um einen Unterdruck zu vermeiden, muss man daher zunächst etwa so viel Luft mit der Spritze in die Flasche drücken, wie an Insulin benötigt wird. Danach kann man die Insulinmenge problemlos aufziehen. Bewährt hat sich die Praxis, eine bis zwei Einheiten mehr als benötigt aufzuziehen, da in der Nadel eine geringe Menge Luft zurückbleibt, die beim Aufziehen dann in die Spritze gelangt. Durch Klopfen und leichtes Zurückdrücken des Stempels bis zur gewünschten Insulinmenge lässt sie sich diese leicht entfernen.
Zwingend muss man den Begriff »Notfallspritze« für die Ersatzspritze vermeiden. Dies könnte im diabetischen Notfall (Hypoglykämie!) dazu führen, dass (nicht aufgeklärte) Angehörige die Insulinspritze gebrauchen und zusätzlich Insulin injizieren anstatt Glucose zu geben oder Glukagon zuzuführen.
Beratung optimieren
Es ist kein Makel, wenn man als Apotheker die Besonderheiten der vom Patienten vorgelegten Einstichhilfe nicht kennt oder den Pen vielleicht zum ersten Mal überhaupt in Händen hält. Die Entscheidung, welchen Pen der Patient erhält, ist längst gefallen und oft hat der Patient den Pen direkt vom Hausarzt bekommen. Manchmal sogar mit dem Hinweis, sich die notwendigen Informationen doch in der Apotheke geben zu lassen. Gerade deshalb gilt es, einige wenige Punkte für eine erfolgreiche Beratung einzuhalten.
Sicherheit geht vor: Beim Entgegennehmen eines (vermeintlich) defekten Pens ist darauf zu achten, dass man sich nicht durch die Kanüle verletzt. Der Apotheker sollte den Kunden daher bitten, den Pen auf die Ablage zu legen. Der Stich durch eine Kanüle mag wenig schmerzhaft sein, aber das damit verbundene Procedere »Stichverletzung« ist aufwendig und die Sorge vor einer möglichen Infektion, zum Beispiel mit Hepatitisviren, nicht unbegründet. Es ist zwingend zu vermeiden, Kanülenkappen über die Kanüle zu ziehen (»recapping«). Oftmals bohrt sich die Kanülenspitze unbemerkt seitlich durch die Kappe und wird zum Verletzungsrisiko.
Daher gilt: dem vorgelegten Pen die Kanüle entfernen und eine neue Pennadel aus dem Apothekenfundus aufstecken. War die Pennadel verstopft, ist damit das Problem gleich gelöst. Gebrauchte Kanülen werden sofort in die dafür vorgesehenen Behälter geworfen und niemals auf der Ablage liegengelassen. Senkrechte stehende Penkanülen sind schlecht zu erkennen!
Keine rohe Kraft bei der Bedienung des Pens: Einstichhilfen sind medizinische Präzisionsinstrumente und leicht zu bedienen, wenn man die Funktionen kennt. Die Anwendung von Kraft, zum Beispiel beim Einstellen der Dosis, beim Trennen des Kartuschenhalters vom Steuerteil oder beim Rückführen des Penkolbens, kann den Pen schnell beschädigen und unbrauchbar machen. Da dies beim Kunden einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, sollte man Blockaden, Sperren oder andere Widerstände nicht gewaltsam überbrücken. Liegt keine Gebrauchsanweisung in der Apotheke vor, kann man den Kunden bitten, diese von zu Hause mitzubringen, oder man besorgt sie sich aktuell von den Internetseiten des Herstellers. Auf jeden Fall sollte man dem Kunden erklären, dass die Penreparatur etwas Zeit braucht.
Beratung in Schulungsatmosphäre: Eine Beratung über die Funktionsweise eines Pens zwischen »Tür und Angel« ist für beide Seiten unbefriedigend. Wenn der Kunde die Benutzung des Pens selbst vorführen kann und der Apotheker gegebenenfalls korrigiert, kann man davon ausgehen, dass nahezu 90 Prozent des Gesagten, Gesprochenen und Gezeigten behalten werden. Idealerweise erfolgt die Beratung daher am Tisch in der Beratungsecke und mit praktischer Übungsmöglichkeit.
Norbert Doktor ist Medizinpädagoge (Lehrer für Gesundheitsberufe) mit Schwerpunkt Anästhesie-, Intensiv- und Notfallmedizin. Er arbeitet im Bildungszentrum des Klinikums Stuttgart als Leiter der Weiterbildungsstätten Anästhesie und Intensivpflege, Operationsdienst, Onkologie und Nephrologie und ist zudem in der Apothekerfortbildung tätig.
Norbert Doktor
Gräfin-von-Linden-Weg 19
70569 Stuttgart