Für Säuglinge lebensgefährlich |
11.12.2006 11:26 Uhr |
Für Säuglinge lebensgefährlich
Von Brigitte M. Gensthaler
Keuchhusten ist längst keine reine Kinderkrankheit mehr. Immer häufiger erkranken auch Jugendliche und Erwachsene. Bei ihnen verläuft die Infektion zwar meist nicht so schwer, sie können jedoch gefährdete Personen wie Säuglinge anstecken. Bei ihnen kann Pertussis tödlich enden.
Leichter Husten, Schnupfen, mäßiges Fieber und Schwächegefühl: Ein Keuchhusten beginnt in der Regel mit unspezifischen leichten Beschwerden. Dieses sogenannte Stadium catarrhale dauert eine bis zwei Wochen.
Erst im folgenden Stadium convulsivum treten die charakteristischen, oft minutenlangen Hustenstöße (Stakkatohusten) auf, die mit einem juchzenden Geräusch beim Einatmen enden. Das typische Keuchen wird bei etwa der Hälfte der erkrankten Kinder beobachtet. Es entsteht durch das plötzliche Einatmen gegen die geschlossenen Stimmlippen (Glottis) am Ende des Anfalls. Oft würgen die kleinen Patienten während der Hustenattacken zähen Schleim hervor und müssen anschließend erbrechen. Besonders belastend ist die Häufigkeit der Anfälle: Innerhalb von 24 Stunden können 5 bis 50 Attacken auftreten, nachts häufiger als am Tag. Wenn Fieber hinzukommt, liegt in der Regel eine bakterielle Sekundärinfektion vor. Das Stadium convulsivum dauert vier bis sechs, manchmal auch acht Wochen.
In der dritten Phase, dem Stadium decrementi, klingen die Hustenanfälle allmählich ab. Dies kann sich über sechs bis zehn Wochen hinziehen.
Etwa zwei Drittel der Erkrankungen im Kindesalter verlaufen typisch. Bei Säuglingen können allerdings statt der Hustenattacken lebensbedrohliche Anfälle von Atemstillstand (Apnoen) auftreten. Über 70 Prozent der Todesfälle durch Keuchhusten betreffen Säuglinge bis zum 5. Lebensmonat. Daher ist bei Apnoen eine Intensivtherapie im Krankenhaus erforderlich.
Säuglinge im ersten Lebensjahr haben auch das höchste Risiko, schwere Komplikationen zu erleiden. So wird bei 15 bis 20 Prozent der stationär behandelten Patienten eine Lungenentzündung festgestellt. Weitere Komplikationen sind Mittelohrentzündung als Folge einer Sekundärinfektion mit Haemophilus influenzae oder Pneumokokken, seltener mit Strepto- oder Staphylokokken, sowie zerebrale Krampfanfälle.
Bei Jugendlichen und Erwachsenen äußert sich eine Pertussis dagegen oft nur als lang andauernder Husten ohne die typischen Keuchhustenattacken. Manchmal verläuft sie nahezu symptomlos. Kinder und Jugendliche, die an Asthma leiden, erkranken meist heftiger, zum Teil mit schweren Lungenentzündungen.
Hoch infektiöse Bordetellen
Keuchhusten wird hauptsächlich durch das Bakterium Bordetella pertussis ausgelöst, dessen einziger Wirt der Mensch ist. Das bekapselte, aerobe, gramnegative Stäbchen bildet zahlreiche Toxine und Virulenzfaktoren wie Pertussis-Toxin (PT), filamentöses Hämagglutinin (FHA), Trachea-Zytotoxin, Pertactin, hitzelabiles Toxin und Adenylatcyclase-Toxin. Auf der Oberfläche des Bakteriums befinden sich äußere Membranproteine und Agglutinogene (Fimbrien). Bordetellen werden durch Tröpfchen, zum Beispiel beim Husten, Niesen oder Sprechen, übertragen und sind hoch infektiös. Von 100 nicht geimpften Angesteckten erkranken 80 bis 90.
Die Bakterien vermehren sich auf dem zilientragenden Epithel der Atemwegsschleimhäute und zerstören dort die Mucosa. Toxine verschlechtern zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursachen Gewebeschäden.
Infektionen mit Bordetella parapertussis können ebenfalls zu einer Keuchhusten-ähnlichen Erkrankung führen, die aber meist leichter und kürzer verläuft.
Vor allem Infizierte im Anfangstadium der Erkrankung, die selbst noch keine typischen Symptome zeigen, sind eine gefährliche Infektionsquelle für Säuglinge und Kleinkinder. Die Ansteckungsfähigkeit beginnt am Ende der Inkubationszeit (7 bis 20 Tage), ist während der ersten beiden Wochen der Erkrankung besonders hoch und kann bis zu drei Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum andauern. Erhält der Patient Antibiotika, ist er noch etwa fünf Tage nach Beginn der Therapie infektiös.
Als Überträger von Bordetellen werden Jugendliche und Erwachsene immer wichtiger, warnt das Robert-Koch-Institut (RKI). Zum einen sind viele nicht geimpft oder die letzte Impfung liegt lange zurück, zum anderen wird die Erkrankung bei ihnen aufgrund des unspezifischen Verlaufs mitunter nicht erkannt. Sogar geimpfte Personen können nach Kontakt mit dem Erreger vorübergehend Träger von Bordetellen sein. Dies ist besonders fatal, wenn sie mit Säuglingen zusammenkommen und diese anstecken. Anscheinend gibt es keinen oder nur einen geringen Nestschutz.
Viele Schulkinder erkranken
Der Zusammenhang zwischen Impfschutz und Infektionskrankheit lässt sich am Beispiel Pertussis gut erkennen. Nach Streichung der Impfempfehlung für die alten Bundesländer stieg die Inzidenz von 1974 bis 1991 an. Bis zu 160 Pertussis-Fälle pro 100.000 Einwohner wurden erfasst. Nachdem die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI 1991 die Impfung wieder allgemein empfohlen hatte und ab 1995 azelluläre Pertussis-Vakzinen verfügbar waren, stieg der Durchimpfungsgrad deutlich an. In einer Erhebung 2004 waren neun von zehn eingeschulten Kindern geschützt. Die Zahl der seit 1993 erfassten Krankenhauseinweisungen wegen Pertussis bei Kleinkindern ging in den alten Bundesländern deutlich zurück, sodass die Inzidenz vermutlich gesunken ist. Belegt ist dies aber nicht, da Pertussis nicht meldepflichtig ist.
In der DDR erkrankten aufgrund der hohen Durchimpfungsrate in den 1980er-Jahren weniger als einer pro 100.000 Einwohner. Nach 1991 stieg die Fallzahl in den neuen Bundesländern an und mehr ältere Menschen erkrankten. So betrafen in den Jahren 2000 bis 2004 nur noch 1,2 Prozent der Erkrankungen Kinder im ersten Lebensjahr, sieben von zehn Erkrankten waren älter als 15 Jahre. Im Jahr 2000 lag die Inzidenz bei 20,4 auf 100.000. Seit einigen Jahren wird beobachtet, dass viele Kinder nach dem sechsten Lebensjahr erkranken, obwohl sie als Kleinkind vollständig geimpft wurden. Dies zeigt zum einen die nachlassende Immunität mit zunehmendem Abstand zu Impfung oder Erkrankung, aber auch eine bessere Diagnostik an. Weder Erkrankung noch Impfung erzeugen eine lebenslange Immunität.
Antibiotika nur zu Beginn
Eine antibiotische Therapie kann den Ausbruch der Krankheit nicht verhindern, bei frühem Einsatz aber den Verlauf mildern und die Zeit der Ansteckungsfähigkeit verkürzen. Antibiotika sind aber nur sinnvoll, solange der Patient Bordetellen ausscheidet (vom Ende der Inkubationszeit bis zu drei Wochen nach Beginn des Stadiums convulsivum). Eingesetzt werden in der Regel Makrolide, als Alternative auch Cotrimoxazol. Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin sind Mittel der Wahl und besser verträglich als Erythromycin. Oralpenicilline und Cephalosporine sind nicht wirksam gegen Bordetella pertussis. Makrolide eignen sich laut RKI auch zur Chemoprophylaxe für ungeimpfte Menschen, die engen Kontakt mit Erkrankten, zum Beispiel in der Familie oder in Wohngemeinschaften, haben.
Hustensäfte bringen meist keine wesentliche Linderung. Das Kind sollte viel trinken und vor allem flüssig-breiige Nahrung bekommen. Der kleine Patient braucht viel Zuwendung und Geduld. Aber auch Geschwisterkinder und Eltern sind durch die nächtlichen Hustenattacken stark strapaziert.
Sich selbst und andere schützen
Die einzig wirksame Prävention ist die Impfung. Diese schützt zwar nicht vor jeder Pertussis-Infektion, aber vor einer schweren Erkrankung. Zur Prophylaxe steht in Deutschland derzeit kein monovalenter Pertussis-Impfstoff mehr zur Verfügung, es gibt nur Kombi-Impfstoffe, die azelluläre Pertussis-Komponenten (ap) enthalten. Diese werden biotechnologisch hergestellt und sind in der Regel gut verträglich. Die Grundimmunisierung besteht aus je einer Impfung im Alter von zwei, drei und vier Monaten und einer weiteren Impfung im Alter von 11 bis 14 Monaten. Sechsfachvakzinen schützen den Säugling zugleich gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis, Hepatitis B und Haemophilus influenzae Typ B.
Aufgrund des Anstiegs der Pertussis-Fälle bei Schulkindern empfiehlt die STIKO seit Januar 2006, die im Alter von fünf bis sechs Jahren gegen Diphtherie und Tetanus nötige Auffrischung mit dem Schutz vor Pertussis zu kombinieren. Dafür gibt es einen Dreifach-Impfstoff (Tdap). Bei 10- bis 17-Jährigen sollte der Impfschutz unbedingt nochmals aktualisiert werden, dazu bietet sich die Tetanus-Diphtherie-Pertussis-Polio-Vakzine an (Tdap-IPV). Dabei ist zu beachten, dass zwischen zwei DT/Td-haltigen Impfungen mindestens fünf Jahre liegen sollen.
Seit 2004 empfiehlt die STIKO die Pertussis-Impfung ausdrücklich auch für Personen im häuslichen Umfeld von Säuglingen, die keinen adäquaten Immunschutz haben, das heißt, die innerhalb der letzten zehn Jahre weder eine entsprechende Impfung noch eine mikrobiologisch bestätigte Pertussis hatten. Speziell vor der Geburt eines Kindes sowie bei Frauen mit Kinderwunsch sollte dies überprüft werden. Gleiches gilt für Väter, Geschwister, Großeltern und Tagesmütter oder Betreuer, die engen Kontakt mit dem Säugling haben. Wenn nötig und möglich, sollte der Impfschutz mit einer Tdap-Vakzine aktualisiert werden. Erfolgte dies nicht bereits vor der Konzeption, sollte die Mutter die Spritze bevorzugt in den ersten Tagen nach der Geburt des Kindes bekommen. Auch wer beruflich in Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und in Kinderheimen arbeitet, braucht einen zuverlässigen Pertussis-Immunstatus. Dies sei jedoch keine Empfehlung zur generellen Impfung von Erwachsenen, betont das RKI.
Eine Eradikation von Pertussis erscheint im Gegensatz zu anderen impfpräventablen Krankheiten nicht möglich. Angesichts der Schwere des klinischen Verlaufs sollte die Erkrankung aber deutlich zurückgedrängt werden, mahnt das RKI. Ziel der Impfstrategie in Deutschland ist daher ein möglichst frühzeitiger, vollständiger Impfschutz für die besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder (Grundimmunisierung), der sowohl im Vorschul- als auch im Jugendalter und bei erwachsenen Kontaktpersonen aufgefrischt werden sollte.
RKI-Ratgeber Infektionskrankheiten Merkblätter für Ärzte. Pertussis. Stand August 2006. www.rki.de
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut zur Pertussis-Schutzimpfung. Epidemiol. Bulletin Nr. 3 (2006) 21-23.
Neuerungen in den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI vom Juli 2006. Epidemiol. Bulletin Nr. 32 (2006) 274-275.
Keuchhusten (Pertussis). www.kinderaerzte-im-netz.de