Pharmazeutische Zeitung online
Pharmakon

Pflanzliche Missbrauchsdrogen

03.12.2013  17:22 Uhr

Von Jochen Beyer und Roland Hausmann / Substanzen, die nicht aus medizinischen Gründen, sondern wegen ihrer berauschenden Wirkung aufgenommen werden, bezeichnet man als Missbrauchsdrogen. Übliche Missbrauchsdrogen wie Cannabis, Morphin oder Cocain sind pflanzlicher Herkunft, es werden aber auch andere berauschende Pflanzen immer beliebter. Ein beispielhafter Auszug aus der DPhG-Zeitschrift Pharmakon 6/2013

Als Missbrauchsdrogen werden Substanzen bezeichnet, die nicht aus medizinischen Gründen, sondern wegen ihrer berauschenden Wirkung aufgenommen werden. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um illegale Substanzen wie Heroin oder Cocain, es werden aber auch verschreibungs- und apothekenpflichtige Arzneimittel missbräuchlich als Drogen verwendet. Viele der in der modernen Gesellschaft konsumierten Drogen werden aus Naturprodukten gewonnen. Sie sind dann besonders gefährlich, wenn der aus Pflanzenmaterial extrahierte Wirkstoff als reine Droge konsumiert wird. Dies gilt zum Beispiel für Heroin, das durch Acetylierung von Morphin aus Schlafmohn entsteht, oder für Cocain, welches aus Erythroxylum coca isoliert wird. Pflanzliche Produkte, die wegen ihrer euphorisierenden Wirkung genommen werden, sind zunehmend verbreitet. Oft beziehen die Konsumenten ihr Wissen über Drogen aus Internetquellen. Hier werden Erfahrungsberichte und Pflanzenbeschreibungen untereinander ausgetauscht. Fatalerweise werden dabei neue pflanzliche Drogen oft für ungefährlich und legal gehalten.

 

Ausführliche Informationen zu den klassischen Missbrauchsdrogen wie Cannabis, Cocain und Mohn finden sich im Originalbeitrag der Pharmakon-Ausgabe 6/2013. Beispielhaft sollen in diesem Beitrag einige Exoten vorgestellt werden:

 

Wahrsagesalbei

Beim Wahrsagesalbei oder Salvia divinorum handelt es sich um eine krautige Pflanze aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae), die im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca heimisch ist. Die Pflanze wird seit Langem in traditionellen Zeremonien in ähnlicher Art und Weise wie »magic mushrooms« eingesetzt. Nachdem Albert Hofmann ohne Erfolg versuchte, psychoaktive Inhaltsstoffe aus dem Pflanzensaft zu isolieren, gelang dies im Jahre 1982 mit der Entdeckung des Diterpens Salvinorin A. Obwohl inzwischen mehrere Diterpene entdeckt wurden, scheint Salvinorin A (Abbildung 1) der wichtigste aktive Inhaltsstoff im Wahrsagesalbei zu sein. Daniel Siebert gelang es im Jahr 1994 zu zeigen, dass Salvinorin A nach Absorption über die Mundschleimhaut eine psychoaktive Wirkung entfaltet, wohingegen die schnell verschluckte Reinsubstanz keine Wirkung aufwies. Im Jahr 2002 konnte nachgewiesen werden, dass es sich bei Salvinorin A um den ersten beschriebenen, nicht Stickstoff-haltigen κ-Opioid-Rezeptor-Agonisten handelt. Durch eine Verbreitung über den Internethandel hat sich der Wahrsagesalbei schnell zu einer beliebten Droge entwickelt. Die Pflanze wurde in Deutschland mittlerweile dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt, aber in vielen anderen Ländern ist sie noch frei erhältlich beziehungsweise verschreibungspflichtig.

 

Neue Untersuchungen von beschlagnahmten Proben von Salvia divinorum aus dem mittleren Osten zeigten Mischungen der Pflanze mit THC, dem bereits erwähnten Inhaltsstoff des Cannabis. Die Droge wie auch ihre Inhaltsstoffe werden derzeit pharmakologisch und toxikologisch eifrig erforscht, mit vielen neuen Erkenntnissen ist daher in naher Zukunft zu rechnen.

 

Ayahuasca

Ayahuasca ist der Name eines psychoaktiven Getränks, das ursprünglich aus der Amazonasregion stammt; der Begriff lässt sich aus der indigenen Sprache Quechua als »Liane der Seelen« übersetzen. Das traditionelle Ayahuasca besteht aus Pflanzenteilen von Banisteriopsis caapi, die zusammen mit Blättern von Psychotria viridis bis zu mehreren Tagen in einem Sud ausgekocht werden. Für die psychoaktive Wirkung ist das in Psychotria viridis enthaltene N,N-Dimethyltryptamin (DMT) verantwortlich. DMT entfaltet seine Wirkung als Agonist am 5-HT2A-Rezeptor.

 

Hierbei sind intravenöse Dosen von über 25 mg psychoaktiv. Bei oraler Aufnahme hingegen kommt es zu einer schnellen Metabolisierung durch die Monoaminoxidase (MAO) und einen dadurch sehr ausgeprägten First-Pass-Effekt. Orale Dosen von DMT von bis zu 1000 mg zeigen keine psychoaktiven Wirkungen. In der Pflanze B. caapi, die dem Ayahuasca zugesetzt wird, sind β-Carboline, die sogenannten Harman-Alkaloide, enthalten. Diese Alkaloide, zum Beispiel Harmin (Abbildung 2) und Harmalin, sind selbst nicht psychoaktiv, blockieren aber effektiv die MAO. Durch diese Kombination der beiden Pflanzen wird das Getränk psychoaktiv.

 

Als weitere Alternative zum traditionellen Ayahuasca, welches sowohl als Pflanze als auch als fertiges Getränk geschmuggelt wird, haben sich auch so­genannte Pharmahuasca entwickelt. Hierbei werden die Harman-Alkaloide durch synthetische MAO-Inhibitoren (zum Beispiel Isocarboxazid) ersetzt, um den pharmakologischen »Trick«, der die psychoaktive Wirkung vermittelt, auszunutzen.


Ololiuqui oder Morning Glory

 

Bei Ololiuqui oder Morning Glory handelt es sich um Samen verschiedener Windengewächse (Convolvulaceae), die üblicherweise aus Mittel- und Südamerika stammen. Die unter diesen Drogenbezeichnungen am häufigsten verwendeten Pflanzen sind Ipomea tricolor und Turbina corymbosa. Der Konsum der zerstoßenen und getrockneten Samen dieser Pflanzen hat unter mexikanischen Indianern und Mayas eine lange Tradition. Im Jahre 1960 gelang es Albert Hofmann, aus T. corymbosa Ergotalkaloide wie zum Beispiel Lysergsäureamid (Abbildung 3) zu isolieren.

Muskatnuss

 

Die Muskatnuss ist der Samen des immergrünen tropischen Baumes Myristica fragrans, einer Pflanze, die auf den sogenannten Gewürzinseln heimisch ist. Bei den Gewürzinseln, die ihren Namen aufgrund des natürlichen Vorkommens der Nelken und der Muskatnuss bekommen haben, handelt es sich um die indonesische Inselgruppe der Molukken zwischen Sulawesi und Neuguinea.

 

Der Samen der Muskatnuss ist von einem Arillus umgeben, der getrocknet auch als Gewürz, der sogenannten Muskatblüte, Verwendung findet. Sowohl Muskatnuss wie auch Muskatblüte sind in hohen Dosen als psychoaktiv beschrieben; die älteste Beschreibung der psychoaktiven Wirkung geht bis auf Hildegard von Bingen zurück.

Es wird davon ausgegangen, dass die pharmakologische Aktivität der Muskatnuss auf die im ätherischen Öl enthaltenen Inhaltsstoffe Myristicin (Abbildung 4), Elemicin und Safrol zurückzuführen ist. Alexander Shulgin stellte im Jahr 1966 die Hypothese auf, dass Myristicin und Elemicin ihre Wirkung durch eine mögliche metabolische Aminierung der Seitenketten zu den Amphetaminderivaten MMDA und TMA entfalten. Obwohl diese Stoffwechselreaktion zum einen sehr unwahrscheinlich ist und zum anderen nie bewiesen wurde, fand sie weite Verbreitung. Nachdem in einer neueren Studie nach Einnahme größerer Mengen von Muskatnuss die vorgeschlagenen Metaboliten nicht nachgewiesen werden konnten, bleibt die Frage nach der pharmakologischen Aktivität der Muskatnuss weiter offen. /

Pharmakon – Zeitschrift der DPhG

Rauschmittel sind der Themenschwerpunkt der aktuellen Ausgabe von »Pharmakon«, der Zeitschrift für Mitglieder der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Sie enthält neben dem hier vorgestellten Beitrag von Dr. Jochen Beyer und Professor Dr. Roland Hausmann unter anderem Artikel zur Pharmazie­geschichte, Pharmakologie, Toxikologie sowie zum Pharmazeutischen Recht.

 

»Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. Ein kostenloses Abonnement ist in der DPhG-Mitgliedschaft inbegriffen. Die Zeitschrift ist auch als Einzelbezug erhältlich. Weitere Informationen finden Interessierte auf pharmakon.info. Des Weiteren läuft derzeit eine Govi-Aktion: Pharmaziestudierende des 5. und 6. Semesters können die ersten drei Ausgaben 2014 kostenfrei beziehen. Interessierte können sich unter www.dphg.de/aktivitaeten/govi-aktion/ registrieren.

Mehr von Avoxa