Union und SPD lösen Finanzierungsstreit |
26.11.2013 17:30 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Nach zähen Verhandlungen haben Union und SPD die strittigen Fragen zur Finanzierung von Gesundheit und Pflege gelöst. Demnach soll es keine pauschalen Zusatzbeiträge mehr geben. In der Pflegeversicherung wollen die Parteien einen Vorsorgefonds einrichten, der künftige Beitragssteigerungen dämpfen soll.
Mit ihrer Einigung haben Union und SPD einen zentralen Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen ausgeräumt. Anstelle pauschaler Zusatzbeiträge sollen die Krankenkassen künftig einkommensabhängige Zuschläge erheben können. Der allgemeine Beitragssatz soll auf 14,6 Prozent festgeschrieben werden, heute liegt er bei 15,5 Prozent. Wie bislang auch wollen die Parteien den Anteil der Arbeitgeber auf einer Höhe von 7,3 Prozent einfrieren, er kann dann nicht mehr steigen.
Individuelle Beitragssätze
Von den Arbeitnehmern können die Krankenkassen hingegen sehr wohl mehr Geld verlangen. Auch sie zahlen zunächst 7,3 Prozent von ihrem Einkommen – je nach Finanzlage der jeweiligen Kasse kann diese aber einen prozentualen Zuschlag erheben.
Zufriedene Verhandlungsführer: Jens Spahn (CDU) (links) und Karl Lauterbach (SPD) verkünden vor der versammelten Hauptstadtpresse ihren Kompromiss zur Finanzierung von Gesundheit und Pflege.
Foto: dpa
Damit können die Krankenkassen ihren Beitragssatz letztlich wieder selbst festlegen. Bereits heute zahlen Arbeitnehmer 0,9 Beitragssatzpunkte mehr in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein als ihre Chefs. Dieser Anteil soll künftig in den Zusatzbeitrag einfließen. Die beiden Verhandlungsführer der Arbeitsgruppe Gesundheit verbuchen die Einigung als Erfolg. »Das ist ein guter Kompromiss für beide Seiten«, sagte CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn in Berlin. Dass die Arbeitgeber auch künftig keine höheren Beiträge in die GKV einzahlen müssen als bislang, ist der Union besonders wichtig. »Damit machen steigende Gesundheitskosten nicht automatisch Arbeit in Deutschland teurer«, so Spahn.
Die SPD kann sich im Gegenzug auf die Fahnen schreiben, die Abschaffung pauschaler Zusatzbeiträge durchgesetzt zu haben. Diese hatte sie stets als unsozial kritisiert. Über die prozentuale Erhebung der Zuschläge sollen die Lasten künftig gleichmäßig verteilt werden. SPD-Verhandlungsführer Professor Karl Lauterbach begrüßte das Ergebnis denn auch als »das historische Ende der Kopfpauschalen«. Der steuerfinanzierte Sozialausgleich, der bislang für mehr Gerechtigkeit sorgen sollte, wird damit überflüssig und soll abgeschafft werden.
Auch bei den Krankenkassen stößt die Einigung auf breite Zustimmung. Die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sieht Entlastungen auf die Kassen zukommen. So entfalle das bürokratische Verfahren beim Einzug pauschaler Zusatzbeiträge in Verbindung mit einem aufwendigen Sozialausgleich, sagte sie. Auch Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen, lobte den Kompromiss: »Das ist ein gutes Signal und wird den Krankenkassen wieder mehr Spielraum für die Gestaltung der medizinischen Versorgung der Versicherten geben.« Allerdings dürfe der Arbeitgeberbeitrag nicht dauerhaft festgeschrieben werden, so Elsner. »Ausgabensteigerungen müssten sonst künftig allein die Versicherten schultern.«
Kritische Opposition
Kritik am Verhandlungsergebnis kommt erwartungsgemäß aus der Opposition. Die Einführung prozentualer Zusatzbeiträge sei für den Einzelnen zwar etwas gerechter, erklärten die Grünen-Gesundheitspolitikerinnen Maria Klein-Schmeink und Elisabeth Scharfenberg in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Letztlich zementiere dieser Schritt jedoch »den Ausstieg aus der gemeinsamen solidarischen Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber«, so die Grünen. »Der Weg von Schwarz-Gelb wird nur leicht verändert fortgesetzt.« Kathrin Vogler von der Linkspartei warf der SPD vor, ihre eigenen Ideen zu verraten. Der Beschluss der Koalitionsrunde könne von einer Bürgerversicherung kaum weiter entfernt sein, sagte sie. »Die SPD hat sich nun endgültig von einer paritätischen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet.«
Beim Thema Pflege haben SPD und Union ebenfalls eine Lösung gefunden. So soll der Beitrag zur Pflegeversicherung spätestens 2015 zunächst um 0,3 Prozentpunkte auf dann 2,35 Prozent beziehungsweise 2,6 Prozent für Kinderlose steigen. Davon werden 0,1 Beitragssatzpunkte für den Aufbau eines Pflegevorsorgefonds verwendet, um künftige Kostensteigerungen abzufedern. Langfristig sollen die Beiträge dann mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs um weitere 0,2 Beitragssatzpunkte und damit insgesamt um 0,5 Prozentpunkte wachsen.
Union setzt Fonds durch
Mit der Einführung eines Vorsorgefonds hat sich die Union klar gegen die SPD durchgesetzt. Der Fonds sei »ein wichtiges Signal für die Zukunft«, so Spahn. Die Sozialdemokraten hatten eine solche Rücklage hingegen bis zuletzt abgelehnt und auf die unsichere Lage an den Kapitalmärkten verwiesen. Die Grünen sehen das ganz ähnlich. Durch die anhaltenden Niedrigzinsen könne der Fonds schnell zu einem Verlustgeschäft werden, warnten Klein-Schmeink und Scharfenberg. Der GKV-Spitzenverband hält die Bildung einer Kapitalreserve mit Blick auf den demografischen Wandel hingegen für nachvollziehbar. »Es kommt nun darauf an, dass diese Rücklage dauerhaft vor dem Zugriff des Finanzministers geschützt wird und tatsächlich für die Pflegeleistungen in der Zukunft zur Verfügung steht«, sagte Verbandsvorstand Gernot Kiefer. /