Neues zur Ernährungsberatung |
27.11.2013 10:07 Uhr |
Von Sven Siebenand, Berlin / Diabetiker müssen darauf achten, was sie essen. Das gilt bei Patienten mit Folgeschäden an der Niere noch mehr. Die Ernährungsempfehlungen für Menschen mit diabetischer Nephropathie haben sich jedoch verändert: Alte Dogmen sind gefallen, neue Risikofaktoren sind hinzugekommen.
Etwa 40 bis 50 Prozent aller Diabetiker entwickeln im Laufe ihrer Stoffwechselerkrankung eine diabetische Nephropathie. Die Schädigung kleiner Blutgefäße in den Nieren drosselt die Klärleistung der Niere, Blutdruck und Blutfette steigen in der Folge an. Somit erhöht die diabetische Nephropathie auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Auf Proteinbomben wie Eier müssen Patienten mit diabetischer Nephropathie nicht verzichten, doch mit Kochsalz sollten sie sparsam umgehen.
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Patienten mit diabetischer Nephropathie wurde früher eindringlich geraten, ihre Eiweißzufuhr zu beschränken. Darauf wies Professor Dr. Eberhard Ritz vom Nierenzentrum Heidelberg auf dem Herbstkongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft Mitte des Monats in Berlin hin. Diese Empfehlung sei immer noch häufig zu lesen oder zu hören. Studien hätten aber ergeben, dass die Eiweißbeschränkung die Progression der Nierenerkrankung nicht verbessert. Im Gegenteil: Ritz zufolge begünstigt sie sogar das Nierenversagen. Eine Untersuchung habe gezeigt, dass eine Proteinregression häufiger zum terminalen Nierenversagen führt. Man müsse diese Ernährungsempfehlung damit als passé betrachten.
Kochsalzreduktion ist nötig
Anders sieht es bei den Empfehlungen in Sachen Kochsalzzufuhr aus. Wie Ritz erklärte, ist eine Natriumchlorid-Beschränkung bei eingeschränkter Nierenfunktion unbedingt anzuraten. Wegen nephroprotektiver Effekte ist die Blockade des Renin-Angiotensin-Systems, zum Beispiel mit einem ACE-Hemmer, bei Diabetikern mit Folgeschäden an der Niere geläufig. In mehreren Studien konnten Forscher nachweisen, dass bei diesen Patienten die Proteinurie stärker abfiel und parallel dazu der Rückgang der glomerulären Filtrationsrate vermindert war, wenn sie sich zusätzlich natriumarm ernährt hatten. Dem Referenten zufolge hat eine verminderte Kochsalzzufuhr nicht nur einen direkten Vorteil für die Nieren: Bei Diabetikern mit Nephropathie senkt sie auch die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse. Teilweise waren die Effekte sogar unabhängig vom Blutdruck, das heißt die Proteinurie nahm ab, obwohl der Blutdruck des Patienten unverändert blieb. Ritz betonte, dass eine Salzbeschränkung nicht zu empfehlen ist, solange noch keine Nierenschädigung vorliegt. Sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern haben Untersuchungen gezeigt, dass eine niedrigere Kochsalzzufuhr dann sogar mit einem erhöhten Risiko von terminaler Niereninsuffizienz und Mortalität verbunden war.
Vom Paulus zum Saulus
Ob eine medikamentöse Lipidsenkung anzuraten ist oder nicht, muss differenziert betrachtet werden. »Die Senkung von Lipiden mit Statinen bei Dialysepatienten mit Diabetes hat in Studien keine Veränderung des kardiovaskulären Risikos gebracht«, informierte Ritz. Das gelte allerdings nicht für Typ-2-Diabetiker mit Nephropathie, die noch nicht dialysepflichtig sind. Bei ihnen führte eine Statin-Behandlung in einer Untersuchung zu einem signifikanten Rückgang kardiovaskulärer Ereignisse beziehungsweise atherosklerotischer Zwischenfälle. Wie erklärt sich der fehlende Effekt bei Dialysepatienten? Ritz informierte, dass HDL-Cholesterol bei diesen Patienten nicht mehr gefäßschützend, sondern gefäßschädigend wirke. HDL werde zu einem proatherogenen Lipidpartikel, der zu Entzündung und Apoptose und oxidativem Stress führt, so der Mediziner.
Phosphathaltiges meiden
Ein neuentdeckter Risikofaktor bei Diabetikern mit Nierenschädigung ist eine hohe Phosphatzufuhr über die Nahrung. Die Serum-Phosphat-Konzentration ist bei eingeschränkter Nierenfunktion Ritz zufolge ein Prädiktor für eine spätere terminale Niereninsuffizienz, für kardiale Probleme und Mortalität. Bereits höhere Werte im normophosphatämischen Bereich erhöhten das Risiko des Auftretens einer chronischen Nierenerkrankung. Liege diese bereits vor, beschleunige ein hoher Serum-Phosphat-Wert den Nierenfunktionsverlust. Selbst bei Menschen mit normaler Nierenfunktion nehme die Rate kardiovaskulärer Ereignisse zu, je höher der Serum-Phosphat-Wert liegt.
Alkoholische Getränke, in Maßen konsumiert, haben einen positiven Effekt auf die Nierenfunktion.
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Ritz erklärte ferner, dass erhöhtes Serum-Phosphat auch die Wirksamkeit von ACE-Hemmern vermindern oder ganz aufheben kann. Wie bereits erwähnt, wird in der Behandlung von Diabetikern mit Nephropathie aber gerade diese Wirkstoffklasse häufig zur Progressionshemmung der Nierenerkrankung eingesetzt. Ritz empfahl Diabetikern mit Nierenbeteiligung, Lebensmittel mit hohem Phosphatgehalt zu meiden. Phosphate sind unter anderem als Konservierungsmittel in Schmelzkäse, vielen Fleisch- und Wurstwaren, Fertiggerichten wie Tiefkühlpizza oder Softdrinks enthalten. Der Referent kritisierte die weitgehend fehlende Deklaration von Phosphat-Zusätzen in Lebensmitteln. Hier bestehe dringender Änderungsbedarf.
Relativ neuentdeckt ist auch die potenziell nierenschädigende Wirkung erhöhter Harnsäure-Konzentrationen im Blut. Diese sind Ritz zufolge nicht nur ein Prädiktor für das Auftreten von Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Sie korrelieren auch mit dem frühzeitigen Auftreten einer diabetischen Nephropathie. Im Vergleich zu Normalwerten verdopple eine Hyperurikämie (mehr als 7 mg/dl bei Männern beziehungsweise 6,5 mg/dl bei Frauen) das Risiko des Eintretens einer Nephropathie bei Typ-2-Diabetikern. Ritz stellte eine Untersuchung mit Allopurinol vor, in der die Harnsäuresenkung mit einem verbesserten Verlauf der Nephropathie einherging. Diese Befunde sind aber in weiteren Studien noch zu bestätigen. Um die Menge an Harnsäure im Blut gering zu halten, sollten Patienten sich purinarm ernähren, also wenig Fleisch und Innereien, sowie fruchtzuckerhaltige Getränke konsumieren.
Bierchen für die Nierchen
Last but not least ging Ritz auf den Einfluss von Alkohol ein. Vor einigen Jahren konnte für die Allgemeinbevölkerung gezeigt werden, dass regelmäßiger maßvoller Alkoholkonsum das Risiko des Neuauftretens einer Nierenfunktionsstörung reduziert. Eine neuere Studie, die Ritz vorstellte, zeigte, dass moderater Alkoholkonsum auch das Risiko des Fortschreitens zur terminalen Niereninsuffizienz vermindert. Das konnte auch bei Typ-2-Diabetikern belegt werden. Sogar der Konsum von bis zu 20 Drinks pro Woche ging mit weniger progredientem Nierenfunktionsverlust und Mortalität einher. Bei mehr als 20 alkoholischen Getränken drehte sich der Spieß allerdings um, so Ritz. Dann hatte Alkohol keinen protektiven Effekt mehr, die Progression der Nierenerkrankung erfolgte rascher, und auch die Mortalität war erhöht. Insgesamt sollte Alkohol aufgrund seiner schädlichen Wirkungen nur in Maßen konsumiert werden, wobei Männer nicht mehr als ein Glas Bier oder Wein pro Tag und Frauen nur halb so viel trinken sollten. /