Neues Wissen für die Praxis |
25.11.2013 13:11 Uhr |
Von Burkhard Kleuser, Potsdam / Weltweit und auch in Deutschland zählen Diuretika zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Ihre Nebenwirkungen, und hier insbesondere die unerwünschten Wirkungen von Thiaziden und Schleifendiuretika, sind jedoch nicht unerheblich.
Bei der Behandlung der Hypertonie werden Thiazide und Schleifendiuretika daher auch kritisch betrachtet. Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse zum Nutzen und Risiko ihrer Gabe bei Bluthochdruck werden die deutschen Leitlinien zur Hypertonie-Therapie auch und gerade im Alter derzeit überarbeitet und neu verfasst.
Diuretika werden vor allem auch bei Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsretention eingesetzt.
Foto: Fotolia/Infinity
Ganz anders hingegen sieht es bei den Aldosteronantagonisten und deren Einsatz sowohl bei der schweren als auch bei der milden Form der Herzinsuffizienz aus. Diese zeigen hier einen protektiven Effekt, der jedoch nicht auf die diuretische Wirkung zurückzuführen ist. Vielmehr verhindern Aldosteronantagonisten pathologische Veränderungen des Herzens bei Insuffizienz. Daher sollten sie bei Herzinsuffizienz schon frühzeitig eingesetzt werden. Eine detaillierte Betrachtung.
Probleme bei Hypertonietherapie
Thiazide und Schleifendiuretika werden vor allem bei Menschen in höheren Lebensjahren verordnet, da die Häufigkeit der arteriellen Hypertonie, der Herzinsuffizienz und der chronischen Nierenerkrankungen nach dem 60. Lebensjahr steil ansteigt. 75 Prozent der Menschen über 75 Jahre leiden an Bluthochdruck und zehn Prozent an einer Herzinsuffizienz. Mit 85 Jahren ist schon jeder Dritte von einer Herzinsuffizienz betroffen (1,2).
Auch die Prävalenz der chronischen Nierenkrankheit korreliert mit zunehmendem Lebensalter. Bei den über 70-Jährigen leiden 10 Prozent an einer chronischen Nierenkrankheit im Stadium 1 und 2 und 38 Prozent sind von Stadium 3 und 4 betroffen (3).
In allen Krankheitsfällen spielen Diuretika eine große Rolle, obwohl sie nicht nur generell, sondern gerade bei betagten Patienten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen, Komplikationen und Hospitalisierungen vor allem durch Elektrolytstörungen, Hypovolämie und metabolische Effekte führen können (4).
Stehen bei den Elektrolytstörungen Hypokaliämien durch Thiazide und Schleifendiuretika im Vordergrund, so ist das aufgrund des ihnen eigenen Wirkmechanismus nicht verwunderlich.
Schleifendiuretika wie Furosemid oder Torasemid hemmen den Na+/K+/2Cl--Kotransporter am dicken aufsteigenden Ast der Henleschen Schleife. Durch diese Hemmung des Carriers kommt es zur Ausscheidung eines fast isotonen Urins, da die Niere ihre Konzentrationsfähigkeit verloren hat. Neben Na+-, K+- und Cl--Ionen werden auch Mg2+- und Ca2+-Ionen vermehrt ausgeschieden.
Der Einsatz von Thiaziden und Schleifendiuretika zur Therapie der Hypertonie wird aufgrund unerwünschter Wirkungen kritisch diskutiert.
Foto: Fotolia/Arto
Bei den Schleifendiuretika handelt es sich um »high ceiling«-Diuretika, das heißt, die Diurese kann dosisabhängig erheblich gesteigert werden. Der Grund hierfür liegt in einer Entkopplung der tubuloglomerulären Rückresorption. Das tubuloglomeruläre Feedback regelt die Filtration der Nephronen in der Niere. Die osmosensorischen Macula-densa-Zellen als Teil des juxtaglomerulären Apparates im distalen Tubulus messen die intraluminale Na+-Ionen-Konzentration.
Kommt es zu einer Erhöhung der Na+-Ionen-Konzentration, resultiert dies in einer Vasokonstriktion des Vas afferenz und der Verminderung der glomerulären Filtrationsrate. Da die Macula-densa-Zellen den gleichen Carrier für die Messung der Ionenkonzentration nutzen, an dem die Schleifendiuretika angreifen, wird dieser Mechanismus außer Kraft gesetzt.
Thiazid-Diuretika wie Hydrochlorothiazid, Xipamid oder Chlortalidon hemmen den Na+/Cl--Kotransporter des frühen distalen Tubulus und des proximalen Sammelrohrs. Im Vergleich zu den Schleifendiuretika ist die durch Thiazide ausgelöste Diurese sehr viel geringer und kann durch Dosissteigerung auch nicht erhöht werden (»low ceiling«-Diuretika). Nach Gabe von Thiaziden kommt es zur Ausscheidung von Na+-, K+-, Cl-- und Mg2+-Ionen. Im Gegensatz zu Schleifendiuretika ist allerdings die Ca2+-Ionen-Ausscheidung vermindert.
Zahlreiche Nebenwirkungen
Die »Systolic Hypertension in the Elderly Program« (SHEP)-Studie, bei der ältere Hochdruckpatienten mit dem Thiazid-Diuretikum Chlortalidon therapiert wurden, führte bei mehr als sieben Prozent der Patienten in der Verum-Gruppe im Vergleich zu nur einem Prozent in der Placebogruppe zum Auftreten einer Hypokaliämie (5).
Im Fall einer Hypokaliämie ist der protektive Effekt der Diuretika hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse vollständig aufgehoben, da Hypokaliämien Arrhythmien und damit einen plötzlichen Herztod begünstigen (6). Darüber hinaus kann eine lang anhaltende Hypokaliämie auch zu Muskelschwäche und damit zur Erhöhung eines Sturzrisikos führen. Denn K+-Ionen sind vorwiegend intrazellulär lokalisiert, die vermehrte K+-Ionen-Ausscheidung ist mit einer Depletion von intrazellulären K+-Speichern in Muskelzellen verbunden (7).
Neben der Skelettmuskulatur kann auch die glatte Muskulatur betroffen sein. Nicht selten kommt es daher auch zu Obstipationen. Kommt nun noch die zusätzliche diuretische Wirkung hinzu, kann die Obstipation sehr ausgeprägt sein und die Lebensqualität stark einschränken.
Die Häufigkeit der Hypertonie und auch der Herzinsuffizienz steigt mit dem 60. Lebensjahr steil an.
Foto: Fotolia/farbkombinat
Eine weitere Elektrolytstörung infolge einer Diuretika-Behandlung ist die Hyponatriämie, von der in der SHEP-Studie nach Gabe von Chlortalidon mehr als vier Prozent der Patienten betroffen waren. Diuretika wie diese sind damit neben Antidepressiva und Neuroleptika die Arzneistoffe, die am häufigsten zu einer Na+-Elektrolytstörung führen (8).
Ein Na+-Ionenmangel ist oft mit dem Auftreten von Müdigkeit, Demenz und Inappetenz, also fehlendem Verlangen nach Nahrung verbunden. Zudem kommt es bei chronischer Hyponatriämie zu Aufmerksamkeits- und Gangstörungen, die wiederum mit einer erhöhten Sturzrate verknüpft sind (9). Weiterhin ist eine verminderte Mineralisierung des Knochens mit der Folge einer Neigung zur Osteoporose zu beobachten. Dies betrifft insbesondere Schleifendiuretika, da diese auch eine Ca2+-Ionenausscheidung begünstigen (10).
Die diuretische Wirkung führt nicht selten auch zu einer Hypovolämie. Gerade bei älteren Patienten, die wenig Flüssigkeit zu sich nehmen, kann dies ein Problem darstellen. Die Volumendepletion kann mit einer arteriellen Hypotonie, Verwirrtheit, Sturzgefahr und einem erhöhtem Thromboserisikio verbunden sein (11).
Auch kommt es im Zuge eines Gegenregulationsmechanismus zu einer vermehrten Ausschüttung von Catecholaminen, diese wiederum begünstigen, gerade bei Hypokaliämie, Arrhythmien und haben eine negativen Effekt auf die Herzfunktion bei älteren Menschen.
Schließlich zeigen neuere Studien, dass Schleifen- und Thiazid-Diuretika gleichermaßen mit einer erhöhten Diabetes-mellitus-Inzidenz einhergehen. Bei Patienten der »Antihypertensive and Lipid-Lowering Treatment to Prevent Heart Attack Trial« (ALLHAT)-Studie zeigten Patienten, die zwei beziehungsweise vier Jahre mit Chlortalidon behandelt wurden, eine Zunahme des Diabetes mellitus von 28 auf 33 Prozent (12). Die molekularen Ursachen sind nicht genau geklärt.
Angenommen wird, dass das vermehrte Auftreten von Diabetes mellitus eine Folge der Hypokaliämie ist. Denn hierauf reagieren die Beta-Zellen des Pankreas mit einer verminderten Insulinausschüttung und die hepatischen Zellen weisen bei Hypokaliämie eine Insulinresistenz auf.
Überarbeitung der Leitlinien
Auch und gerade vor dem beschriebenen Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die internationalen Leitlinien hinsichtlich des Einsatzes von Diuretika und hier insbesondere der Thiazide und Schleifendiuretika bei Hypertonie nicht einheitlich sind.
Während das US-amerikanische »Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation and Treatment of High Blood Pressure« (JNC) seit Langem vor allem Thiazide in der Monotherapie (Schleifendiuretika erst in der Kombinationstherapie) der Hypertonie präferiert, wird ihr Einsatz von deutschen Hochdruckliga-Experten kritischer gesehen. Nicht zuletzt bei der derzeitigen Überarbeitung der deutschen Leitlinien zur Behandlung der Hypertonie orientieren sich die Deutsche Hochdruckliga e. V. und die Deutsche Hypertoniegesellschaft an den Empfehlungen und den neuen, im Juli dieses Jahres publizierten Leitlinien der European Society of Hypertensiology/European Society of Cardiology (ESH/ESC) (13).
Schleifendiuretika hemmen den Na+/K+/2Cl--Kotransporter am dicken aufsteigenden Ast der Henleschen Schleife, Thiazid-Diuretika den Na+/Cl- -Kotransporter des frühen distalen Tubulus und proximalen Sammelrohrs und Aldosteronantagonisten den intrazellulären Mineralocorticoidrezeptor am spätdistalen Tubulus und Sammelrohr.
Unstrittig ist, dass zahlreiche Metaanalysen publizierter Hypertoniestudien den großen prognostischen Vorteil einer antihypertensiven Therapie zeigen. Der Vorteil ist bei Patienten im Alter über 65 Jahre genauso ausgeprägt wie bei jüngeren Patienten. Für ältere Patienten bis zum Lebensalter von 80 Jahren gilt aus diesem Grund auch die allgemeine Empfehlung, den Blutdruck mindestens auf Werte unter 140/90 mm Hg zu senken. Bei Hypertonikern im Alter von ≥ 80 Jahren sollte der systolische Blutdruck auf Werte unter zumindest 150 mm Hg gesenkt werden.
Thiazide in der Monotherapie gehören neben Calciumkanal-Antagonisten, Angiotensinrezeptor1- (AT1)-Antagonisten, ACE-Hemmern und Betablockern zu den First-Line-Antihypertensiva sowohl für die initiale als auch die langfristige Behandlung der Hypertonie.
Eine Ausnahme bilden Patienten mit metabolischem Syndrom, hohem Diabetesrisiko und Diabetiker. Hier sollten diese Diuretika aufgrund ihrer diabetogenen Wirkung nicht eingesetzt werden. Gleiches gilt auch für Betablocker und vor allem die Kombination beider Arzneistoffklassen.
Unter den First-Line-Antihypertensiva haben Diuretika die schlechteste Compliance. Dies belegen inzwischen mehrere Studien. Eine italienische Hypertoniestudie zeigt die beste Compliance für AT1-Antagonisten (68,5 Prozent), gefolgt von ACE-Hemmern (64,5 Prozent) und Betablockern (44,8 Prozent). Die Diuretika belegen hier mit 34,4 Prozent den letzten Platz (14).
Eine in diesem Jahr publizierte bevölkerungsbasierte Studie belegt, dass Hypertoniker mit einer niedrigen Compliance ein deutlich erhöhtes Risiko besitzen, einen Schlaganfall zu erleiden oder daran zu sterben (15).
Die Präferenz des US-amerikanischen JNC für den Einsatz von Diuretika bei Hypertonie ist zum Teil auf die bereits erwähnte ALLHAT-Studie zurückzuführen. ALLHAT ist mit 42 418 Teilnehmern über 55 Jahre in 623 nordamerikanischen Zentren die erste große Studie, in der mit Chlortalidon, dem Calciumkanal-Antagonisten Amlodipin, dem ACE-Hemmer Lisinopril und dem Alphablocker Doxazosin mehrere Wirkstoffe verglichen wurden (16).
Primärer Endpunkt war nicht nur die antihypertensive Wirkung, sondern auch die Zahl der tödlichen und nicht tödlichen Herzinfarkte. Eingeschlossen waren Patienten mit einem Blutdruck von mehr als 140/90 mm Hg, die neben einer Herzerkrankung wenigstens einen weiteren Risikofaktor aufwiesen, also Raucher oder Typ-2-Diabetiker waren.
Der Alphablocker-Arm der Studie wurde frühzeitig beendet, nachdem eine um 25 Prozent erhöhte Rate an kardiovaskulären Ereignissen aufgetreten war. In dieser Studie schnitten Thiazide hinsichtlich der kardiovaskulären Komplikationen besonders gut ab.
Kritische Diskussion
Allerdings wird die ALLHAT-Studie nicht unkritisch betrachtet. Wegen des relativ hohen Anteils an Afroamerikanern von weit über 30 Prozent, die schlechter auf ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten ansprechen, sind die Ergebnisse nur bedingt auf europäische Länder übertragbar. Zudem war der Blutdruck unter Chlortalidon deutlich niedriger als unter Lisinopril, was die vergleichende Interpretation der Ergebnisse erschwert.
Während in der amerikanischen JNC-7 Leitlinie Thiazide als verbindlicher Bestandteil einer Zweierkombination eingesetzt werden, wird zudem in Europa die Zweierkombination aufgrund der Ergebnisse der »Avoiding Cardiovascular Events through Combination Therapy in Patients Living with Systolic Hypertension« (ACCOMPLISH)-Studie wesentlich differenzierter betrachtet (17).
Bei chronischer Hyponatriämie kann es zu Aufmerksamkeits- und Gangstörungen kommen, die wiederum mit einer erhöhten Sturzrate einhergehen.
Foto: Fotolia/Glenda Powers
Die Studie belegt, dass die Kombinationsbehandlung der Hypertonie mit Benazepril plus Amlodipin der Kombination Benazepril plus Hydrochlorothiazid hinsichtlich der Verringerung von Herzkreislauferkrankungen und Sterblichkeitsraten überlegen ist. Hier wurden 11 506 an Bluthochdruck erkrankte Patienten mit einem erhöhten Risiko von Herzkreislauf-Zwischenfällen entweder mit einer einmaligen täglichen oralen Gabe von Benazepril plus Amlodipin oder Benazepril plus Hydrochlorothiazid behandelt.
Aufgrund der überlegenen Wirkung der Kombination Benazepril plus Amlodipin wurde die Studie früh beendet. Allerdings scheinen die Vorteile der Kombination Benazepril/Amlodipin weitgehend auf normalgewichtige Personen beschränkt zu sein. Bei Patienten mit Normalgewicht senkte die Kombination den primären Endpunkt um 68 Prozent, bei übergewichtigen Patienten betrug der Unterschied jedoch nur noch 24 Prozent. Zudem waren bei adipösen Patienten keine signifikanten Vorteile gegenüber der Diuretika-Kombination erkennbar (18).
In den neu publizierten ESH/ESC-Leitlinien werden Thiazid-Diuretika immer noch als Bestandteil einer Zweierkombination empfohlen. Es sollen weitere Studien abgewartet werden, die den Vorteil der Kombination ACE-Hemmer/Calciumkanal-Antagonisten gegenüber ACE-Hemmer/Diuretika bestätigen. In der britischen Leitlinie werden Diuretika bei einer Zweierkombination allerdings gar nicht mehr genannt.
Ihren festen Platz haben diese aber in der Kombination von drei und mehr Wirkstoffen. In der Dreierkombination wird das Diuretikum neben einem ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten sowie einem Calciumkanal-Antagonisten verabreicht. Bei der Kombinationstherapie wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob Thiazide ihren Stellenwert behaupten oder eine Kombination von ACE-Hemmstoffen und Calciumkanal-Antagonisten vorzuziehen ist.
Diuretika und Herzinsuffizienz
Die chronische Herzinsuffizienz ist vor allem durch eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems, des Renin-Angiotensin-Systems, des Endothelin-Systems, der natriuretischen Peptide und des Vasopressins gekennzeichnet. Mit dieser Aktivierung von humoralen und neuronalen Mechanismen versucht ein herzinsuffizienter Organismus, die kardiovaskuläre Homöostase aufrechtzuerhalten.
Ergebnisse US-amerikanischer Studien sind nur bedingt auf Europa übertragbar.
Foto: Fotolia/beermedia
Bei längerfristiger Aktivierung tragen diese Mechanismen aber zur Verstärkung der Herzinsuffizienz bei. Wesentliche Therapie ist daher die Hemmung der neurohumoralen Überaktivität. Diuretika sind vor allem bei Herzinsuffizienz mit Flüssigkeitsretention oder ehemaliger Flüssigkeitsretention (periphere Ödeme, Lungenstauung) vorgesehen. Bei therapieresistenten Ödemen kann die Kombination eines Schleifendiuretikums und eines Thiazids zur sequenziellen Nephronblockade durchgeführt werden.
Diuretika führen zur symptomatischen Verbesserung und steigern so die Lebensqualität. Problematisch ist häufig nur ihre Überdosierung. Vielfach wird unterschätzt, dass für die Erhaltungstherapie nach Volumennormalisierung eine viel geringere Dosierung möglich ist. Wird dies nicht umgesetzt, sind die beschriebenen Nebenwirkungen die Folge.
Bei Patienten, die keine systolische Dysfunktion aufweisen, ist häufig auch ein Absetzen des Diuretikums möglich. Bei einer systolischen Dysfunktion dagegen sollte man nicht auf Diuretika verzichten. Allerdings sollte versucht werden, die Dosierung so niedrig wie möglich zu titrieren. Dies gilt insbesondere bei der sequenziellen Nephronblockade, bei der Thiazide und Schleifendiuretika gleichzeitig eingesetzt werden.
Aldosteronantagonisten hemmen den intrazellulären Mineralocorticoidrezeptor am spätdistalen Tubulus und Sammelrohr. Damit ist die Bildung von Na+-Ionen Kanälen vermindert, die auf der luminalen Seite eingebaut werden. Kaliumsparende Diuretika wie Amilorid und Triamteren hemmen dagegen direkt den Na+-Ionenkanal. Es resultiert eine Steigerung der Natriurese, während die Kaliurese verringert ist. Die natriuretische Wirkung ist gegenüber Thiaziden und Schleifendiuretika verringert, wesentlich ist jedoch der kaliumsparende Effekt.
Spironolacton als kaliumsparendes Medikament aus der Gruppe der Aldosteronantagonisten war das erste Medikament mit Angriffspunkt in der Renin-Angiotensin-Aldosteron-Kaskade. Der Zusammenhang zwischen einem Aldosteron-Antagonismus und einer diuretischen Wirkung zeigte sich zuerst bei Schwangeren.
Kommt es in der Schwangerschaft zu erhöhten Aldosteronspiegeln ist dies nicht unbedingt mit einer Ödembildung verknüpft. Grund ist die Aldosteron-antagonistische Wirkung des schwangerschaftserhaltenden Hormons Progesteron. Spironolacton wurde daher als Diuretikum zugelassen und häufig als Kombinationspartner mit Schleifendiuretika eingesetzt.
Die Verwendung von Spironolacton ist jedoch mit zahlreichen Nebenwirkungen verknüpft, denn die Selektivität der Verbindung für den Aldosteronrezeptor ist gering. Vielmehr zeigt die Verbindung auch eine agonistische Aktivität am Progesteron- sowie eine antagonistische Wirkung am Androgen-Rezeptor mit Gynäkomastie, Libidoverlust und Menstruationsbeschwerden als unerwünschte Wirkungen. In der Folge wurde Spironolacton deshalb als Diuretikum immer weniger verwendet. Vor allem mit der Einführung von ACE-Hemmstoffen und AT1-Antagonisten nahm sein Einsatz rapide ab.
Da erhöhte Aldosteronspiegel auch ein typisches Merkmal bei Herzinsuffizienz sind, lag es nahe, die Wirkung von Spironolacton bei dieser Erkrankung zu prüfen. In der »Randomized Aldactone Evaluation Study« (RALES)-Studie wurden der Krankheitsverlauf und die Sterblichkeit bei 1663 Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz untersucht (19). Sie erhielten 25 mg Spironolacton einmal täglich zusätzlich zur Standardtherapie. Die Dosis konnte auf 50 mg erhöht werden, wenn sich die Herzinsuffizienz verschlechterte und keine Hyperkaliämie auftrat.
Obwohl die Studie auf drei Jahre angelegt war, wurde sie nach 24 Monaten wegen signifikanter Vorteile der Spironolacton-Behandlung beendet. In der Verumgruppe kam es zu einer Reduktion der Todesfälle um 30 Prozent gegenüber Placebo. Auch das Risiko einer Hospitalisierung wurde deutlich gesenkt.
Die Emphasis-HF-Studie hat gezeigt, dass die Gabe von Eplerenon die Rate der kardiovaskulären Todesfälle um 37 Prozent senkt.
Die Blockade des Aldosteron-Rezeptors scheint das kardiale »remodeling« nach Myokardinfarkt zu verhindern. Denn in der Postinfarktphase kommt es zu einer strukturellen Umgestaltung des Herzgewebes, welche durch Hypertrophie, interstitielle Fibrose, Apoptose der Kardiomyozyten und Verformung und Dilatation der Ventrikel charakterisiert ist. In der Folge nimmt die Arrhythmieneigung zu, und es kommt zur progressiven diastolischen und systolischen Dysfunktion.
Das Ausmaß des Remodelings, klinisch erkennbar am ventrikulären Innendurchmesser sowie der Wanddicke, ist der entscheidende Parameter für die Prognose der Herzinsuffizienz. Aldosteron ist an dem kardialen Remodeling- Prozess essenziell beteiligt, indem es die fibrotischen Vorgänge im Herzen durch eine direkte Wirkung auf den Aldosteron-Rezeptor stimuliert. Tatsächlich findet man in Gegenwart eines Aldosteronantagonisten auch einen verminderten Kollagengehalt im nicht infarziertem Myokard nach einem Infarkt.
Stärkung der Position
Eine zweite große klinische Studie, die »Eplerone post-acute myocardial infarction heart failure efficacy and survival study« (EPHESUS)-Studie, bestätigte den Nutzen von Aldosteronantagonisten bei Herzinsuffizienz (20). Allerdings wurde hier der 2004 eingeführte Wirkstoff Eplerenon eingesetzt. Er besitzt, verglichen mit Spironolacton, eine niedrigere Affinität zum Aldosteronrezeptor, jedoch ist seine Spezifität wesentlich höher. Durch die verringerte Affinität zu anderen Steroidrezeptoren ist das Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen reduziert.
In die EPHESUS-Studie wurden 6642 Patienten eingeschlossen, die drei bis vierzehn Tage nach einem Myokardinfarkt eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von weniger als 40 Prozent sowie klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz aufwiesen. Neben einer Reperfusionstherapie der Koronararterien wurden die Patienten standardmäßig mit Acetylsalicylsäure, ACE-Hemmern oder AT1-Antagonisten beziehungsweise mit Eplerenon (25 beziehungsweise 50 mg/d) therapiert.
Der Einsatz von Eplerenon zeigte einen erheblichen Überlebensvorteil gegenüber Placebo von 15 Prozent. Besonders vorteilhaft war die Anwendung von Eplerenon bei nicht diabetischen Patienten unter 75 Jahren mit einer Auswurfleistung von weniger als 35 Prozent.
Aufgrund dieser Studien wurden Aldosteronantagonisten zur Therapie der symptomatischen Herzinsuffizienz nach Herzinfarkt in die Leitlinien aufgenommen. Eine Metaanalyse von 19 klinischen Studien, in denen Aldosteronantagonisten gegen Placebo getestet wurden, bestätigte die protektive Wirkung bei schwerer Herzinsuffizienz (21).
Kritisiert wurde die schwache Datenlage für Patienten mit milder Herzinsuffizienz. Diese konnte nunmehr durch die »Eplerenone in Mild Patients Hospitalization and Survival Study in Heart Failure« (EMPHASIS-HF)-Studie geklärt werden, in die zunächst 3100 Patienten mit systolischer linksventrikulärer Dysfunktion und relativ mild ausgeprägter Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium II) eingeschlossen werden sollten (22).
Diese Studie wurde im Mai 2010 aufgrund der sehr positiven Wirkung von Eplerenon frühzeitig beendet. Zu diesem Zeitraum waren bereits 2737 Patienten randomisiert mit Eplerenon (25–50 mg/d) oder Placebo parallel zur Standardtherapie behandelt worden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Eplerenon die Rate der kardiovaskulären Todesfälle um 37 Prozent reduziert.
Die Ergebnisse der EMPHASIS-HF Studie zeigen, dass der Einsatz von Aldosteronantagonisten auch bei Patienten mit systolischer Dysfunktion und relativ milder Herzinsuffizienz sinnvoll ist. So ist es nicht verwunderlich, dass in den neuen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die im August 2012 im European Heart Journal und im European Journal of Heart Failure publiziert worden sind, die Position der Aldosteronantagonisten deutlich gestärkt worden ist (23, 24).
Diese sind nun neben den ACE-Hemmern sowie den Beta-Blockern wichtiger Bestandteil im Trio der neurohumoralen Pharmaka. Es besteht bereits eine Therapieindikation bei Patienten im NYHA-Stadium II mit einer Ejektionsfraktion unter 35 Prozent, dass heißt bei Patienten mit milder Symptomatik, aber ausgeprägter Funktionseinschränkung des linken Ventrikels.
Mit dieser Ausweitung der Therapieempfehlung hat Eplerenon die AT1-Antagonisten bei der Add-on-Therapie aus ihrer Position verdrängt. Diese werden zwar immer noch als Alternative zu ACE-Hemmern bei bestehender Unverträglichkeit eingesetzt. Bei Patienten hingegen, die neben ACE-Hemmer und Beta-Blocker noch zusätzlich behandelt werden müssen, soll nun der Aldosteronrezeptorantagonist anstelle des Sartans eingesetzt werden.
Die Kardiologen begründen diese Änderung der Therapieempfehlung vor allem mit der Reduktion von Mortalität und Morbidität bei der Verwendung von Aldosteronantagonisten, die stärker als die zusätzliche Gabe von Sartanen ist. /
Literatur beim Verfasser
Burkhard Kleuser studierte von 1984 bis 1988 Chemie und Lebensmittelchemie sowie von 1990 bis 1994 Biochemie und Molekularbiologie an den Universitäten Wuppertal und Hamburg. Nach seiner Promotion 1994 und seiner Postdoktorandenzeit am Medical Center, Georgetown University, Washington D.C., USA, war er von 1997 bis 2002 als wissenschaftlicher Assistent und Oberassistent am Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin tätig, bevor er sich 2002 habilitierte und im selben Jahr auch die Lehrbefähigung für das Fach Pharmakologie und Toxikologie erhielt. Kleuser wurde 2006 zum Universitätsprofessor (W2) für Pharmakologie und Toxikologie an der Freien Universität Berlin berufen. Seit 2009 bekleidet er den Lehrstuhl für Toxikologie an der Universität Potsdam.
Professor Dr. Burkhard Kleuser, Lehrstuhl für Toxikologie, Mathematisch Naturwissenschaftliche Fakultät, Universität Potsdam, Arthur-Scheunert Allee 114–116, 14558 Potsdam E-Mail: kleuser(at)uni-potsdam.de