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Digitale Betriebsprüfung

Finanzamt darf nicht schätzen

26.11.2013  17:30 Uhr

Von Anna Hohle / Erneut hat ein Gericht entschieden, dass Apotheker im Rahmen einer Betriebsprüfung keine Einzelverkaufsdaten an das Finanzamt liefern müssen. Auch darf der Fiskus diese Einnahmen im Streitfall nicht selbst schätzen. Es ist bereits das dritte Urteil zum Thema Einzeldaten: Inzwischen steht es 2:1 für die Apotheker.

Apotheker müssen freiwillig gespeicherte Daten über ihre Einzelverkäufe bei einer Betriebsprüfung nicht an das Finanzamt übermitteln. So entschied bereits im Frühjahr das Hessische Finanzgericht und das bekräftigte nun auch das Finanzgericht Münster in einem zweiten Fall. Ein nordrhein-westfälischer Apotheker hatte vor dem Gericht gegen das Finanzamt Borken geklagt.

 

Im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 hatte der Apotheker dem Finanzamt seine Tageseinnahmen für den erforderlichen Zeitraum mitgeteilt. Sein elektronisches Kas­sen­sys­tem listet zwar darüber hi­naus auch jeden einzelnen Barverkauf auf, diese Daten lei­te­te der Apotheker jedoch nicht an das Finanzamt weiter.

 

Als das Amt sie dennoch einforderte, verweigerte der Apotheker die Herausgabe. Er verwies darauf, dass es zu dieser Frage noch keine höchst­rich­ter­li­che Entscheidung gebe und er­klär­te, die Daten nachzuliefern, falls ein oberstes Ge­richt die Notwendigkeit dafür feststelle. Auch bot er dem Steuerprüfer an, eine Stich­probe seiner Einzel­ver­käufe zu nehmen.

 

Tagesabrechnung genügt

 

Das Finanzamt Borken ignorierte die Einwände des Apothekers jedoch und schätzte aufgrund der fehlenden Daten 3 Prozent der Bareinnahmen zum Apothekenumsatz und -gewinn hinzu. Insgesamt machte dies eine Summe von rund 40 000 Euro aus. Der Apotheker klagte – und bekam nun vom Finanzgericht Münster recht. Den Richtern zufolge gehören freiwillig gespeicherte Verkaufsdaten nicht zu den Aufzeichnungen, die Apotheker laut Paragraf 147 der Abgabenordnung aufzeichnen müssen. Die Tagesendsummenbons genügten völlig, sie seien »aus sich heraus verständlich und aussagekräftig«.

 

Summen hinzuschätzen dürften Finanzämter nur dann, wenn die betreffende Person Aufzeichnungen, die sie laut den Steuergesetzen führen muss, nicht vorlegen kann, so die Richter. Dies sei beim betreffenden Apotheker jedoch nicht der Fall gewesen. Hinzu komme, dass der Apotheker gegen die Forderung des Finanzamts schriftlich Einspruch erhoben habe. Bei einem begründeten Einspruch müssen Finanzämter das entsprechende Verfahren zunächst ruhen lassen, bis seine Rechtmäßigkeit geklärt ist. Das Finanzamt Borken habe dieses Rechtsmittel jedoch umgangen, indem es den Einspruch ignoriert, Summen hinzugeschätzt und auf dieser Grundlage einen Steuerbescheid erlassen habe.

 

Diese Vorgehensweise des Fiskus sei »schwerlich vereinbar mit dem Anspruch auf ein faires und geordnetes Verfahren«, erklärten die Münsteraner Richter. Auch widerspreche sie der Abgabenordnung. Der Apotheker sei durch die Bescheide des Finanzamts in seinen Rechten verletzt worden, die Zuschätzungen seien rechtswidrig und müssten nun rückgängig gemacht werden. Allerdings ist das Urteil bislang nicht rechtskräftig. Das Finanzamt Borken könnte also Revision einlegen.

 

Unterschiedliche Urteile

 

Im Streit um die Lieferung von Einzeldaten steht es nun 2:1 für die Apotheker. Anders als das Hessische und das Münsteraner Finanzgericht entschied nämlich im Sommer das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in einem ähnlichen Fall. Die dortigen Richter waren der Auffassung, dass das Finanzamt sehr wohl Einzeldaten einfordern darf – solange es für den Apotheker keinen unzumutbaren Aufwand bedeute, sie aufzuzeichnen. Laut Bernhard Bellinger, Anwalt des betroffenen Apothekers, befindet sich dieses Verfahren inzwischen in Revision beim Bundesfinanzhof. Die Apotheker müssen also möglicherweise nicht mehr lange auf ein Grundsatz­urteil in Sachen Einzeldaten warten. /

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