Demo gegen geplante Kürzungen |
27.11.2013 12:40 Uhr |
Von Laura-Virgilia Kirmse, Jena / Jenas Studenten sind sauer. Mit Beginn des neuen Wintersemesters wurde der neue Struktur-und Entwicklungsplan (StEP) für 2020 vorgestellt. Dieser sieht drastische Kürzungen an allen zehn Fakultäten vor. Auch das Fach Pharmazie ist betroffen. Die geplanten Einsparungen nehmen die Studenten nicht einfach so hin. Vergangene Woche wurde in Jena protestiert.
Insgesamt sollen an der Uni Jena bis Ende 2015 sage und schreibe 125 Vollzeitstellen gestrichen und nicht wieder besetzt werden, bis 2020 stehen 30 Professorenstellen vor dem Aus. Ganze Studiengänge sollen sogar verschwinden oder nur noch in Kooperation mit anderen Hochschulen angeboten werden.
Symbolisch ist von Studenten am 22. November vor dem Hauptgebäude der Uni Jena ein Sarg abgelegt worden. Sie protestieren gegen geplante Sparmaßnahmen an der Bildungseinrichtung.
Foto: dpa
Mit knapp sieben Millionen Euro und einem damit verbundenen Anteil von 10 Prozent der Ausgaben muss die Uni Jena bis zur geplanten Deadline den Gürtel deutlich enger schnallen. Die Gelder vom Land reduzieren sich, weil Zuschüsse von der Europäischen Union und des Bundes ausfallen. Um die gestiegenen Personalkosten durch neue Tarifverträge wieder auszugleichen, sollen nun Vollzeitstellen gekürzt werden. Die Thüringer Landesregierung (SPD und CDU) verordnete durch das Thüringer Bildungsministerium diese deutlichen Streichungen. Ähnliche Sparzwänge erleiden auch die anderen acht Hochschulen in Thüringen. Kritiker glauben, dass es sich hierbei um einen politisch gewollten Sparkurs handelt.
Auch der Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie bleibt von den massiven Einschnitten nicht verschont. 2015 wird Professor Dr. Alfred Fahr in den Ruhestand gehen – mit ihm seine bedeutsame Liposomenforschung. Diese Stelle soll dann nicht wiederbesetzt werden. Professor Dr. Dagmar Fischer wird dann die einzige Professorenstelle innehaben. Was das für Konsequenzen für die Mitarbeiter und Doktoranden haben wird, ist noch unklar. Womöglich können dann zum Beispiel weniger Assistenten zukünftige Praktika betreuen. Definitiv wird die Qualität der Lehre, Wissenschaft und Forschung darunter leiden. Insgesamt hat die biologisch-pharmazeutische Fakultät Verluste an acht verschiedenen Lehrstühlen zu beklagen.
Sensenfrau unterwegs
Zum friedlichen Protest an der Uni rief daher die »Sensenfrau« auf, die symbolisch für alle »zu beerdigenden« Studiengänge und Lehrstellen steht. Passend zur Woche des Volkstrauertages besuchte »der Tod«, begleitet von zwei schwarz gekleideten Bodyguards, eine Lehrveranstaltung nach der anderen, um auf die Demonstration »StEP against – Keine Kürzungen« am 22. November 2103 aufmerksam zu machen.
An der Uni Jena sollen bis Ende 2015 insgesamt 125 Vollzeitstellen gestrichen und nicht wieder besetzt werden. Bis 2020 stehen 30 Professorenstellen vor dem Aus.
Foto: dpa
So dauerte es nicht lange, bis die Kuttenträgerin auch an die Tür zur Parenteralia-Vorlesung des siebten Semesters Pharmazie klopfte. Dabei hatte sie eine Sense mit der Aufschrift »KW Vermerk«. KW steht hierbei für »keine Wiederbesetzung« oder »kann wegfallen«. Dazu wurden fast 20 Professoren in der vergangenen Woche »auf die andere Seite« von der Sensenfrau begleitet.
Nahezu jeden Tag fanden zusätzliche Aktionen von Studenten statt. So wurden Grabsteine für die verstorbenen Studiengänge gebastelt, die zusammen mit Hunderten Grablichtern den Campus in einen gespenstischen Friedhof verwandelten. Parolen, die die dreisten Sparmaßnahmen des Landes ankreideten, wurden auf den Boden geschrieben. Des Weiteren liefen zahlreiche Kurzfilme auf Youtube, Twitter oder Facebook, die für den ultimativen Höhepunkt der Protestbewegung mobilisierten.
Apotheker in spe auf der Demo
Schließlich versammelten sich am 22. November beinahe 6000 Demonstranten auf dem Ernst-Abbe-Platz, um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen. Natürlich waren auch zahlreiche Pharmaziestudenten, Pharmazeuten im Praktikum sowie Institutsmitarbeiter im weißen Kittel dabei.
Auch die Landesapothekerkammer Thüringen unterstützte aus der Ferne: Sie sponserte die auffälligen orangen Buttons vom »Tag der Pharmazie«, einer Nachwuchskampagne für Thüringer Schüler. Dieser bereits zum zweiten Mal veranstaltete Informationstag für das Studienfach Pharmazie fand nur sechs Wochen vorher statt. Die zahlreichen Infostände über die möglichen Perspektiven eines Pharmazeuten sowie die interessanten Fachvorträge fanden bei den mehr als 1500 Besuchern regen Anklang. Wie kann es also sein, dass wir einerseits für mehr Studienanfänger und -plätze werben, aber andererseits bangen müssen, dass unser Studiengang gänzlich gestrichen wird?! Dabei bietet Jena als einzige Uni in Thüringen das Fach Pharmazie an. »Schluss damit!« haben sich daher die angehenden Apotheker gesagt. Mit Pfeifengetriller, Rasseln und dem roten Apotheken-A schlossen sie sich der Massenbewegung an.
Trauermarsch durch die Stadt
Angeführt von der Sensenfrau und einem Sarg, in dem die FSU Jena »aufgebahrt« wurde, erwiesen die Demonstranten mit dem »letzten Gang« ihrer Alma Mater Jenensis die letzte Ehre. Mit aufgebrachten »Wir sind hier und wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut!“-Rufen erreichten die Demonstranten ihr Ziel: das Universitätshauptgebäude, wo am Vormittag der Universitätsrat tagen sollte. Es dauerte nicht lang und viele Fenster öffneten sich. Mit den Worten »Dies ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang!« begann ein Sprecher der »Trauergesellschaft« seinem Unmut Luft zu machen.
Viele Pharmazie-studenten beteiligten sich an den den Protesten in Jena.
Denn auch das Fach Pharmazie ist von den geplanten Kürzungen betroffen.
Foto: Kirmse
Wie auf einer Beerdigung üblich, wurden nun etliche Trauerreden gehalten und Blumen niedergelegt. Tausende »Trauernde« trugen sich in das Kondolenzbuch ein, das als Petition gegen den lächerlichen Sparkurs fungierte. Hinzu kamen riesige Transparente mit Sprüchen wie »Kürzungen töten die Uni«, »Die Vertreibung aus dem Studentenparadies« oder »In der Lichterstadt wird es dunkel«.
Kritik wurde vor allem an den politischen Gegebenheiten und Ausführenden ausgeübt. Die Tatsache, dass der StEP von vornherein nicht offenkundig das Ohr der Betroffenen erreicht hatte, ist vermutlich der Hauptgrund der Frustration vieler Demonstranten. Die Redner riefen ebenso zu mehr sozialem Engagement und Solidarität auf, denn trotz der regen Beteiligung blieb ein Großteil der Studenten der Veranstaltung fern. Auch sinnvolle Einsparungen sollten gemeinsam gesucht werden.
Ein Sprecher des akademischen Mittelbaus fragte: «Wem gehört nun die Uni? Etwa dem Bildungsminister Christoph Matschie oder Rektor Klaus Dicke? Oder dem Universitätsrat? Sicher nicht! Auch nicht dem Namensgeber Friedrich Schiller, der sich bei diesen Sparplänen womöglich im Grab umdrehen würde. Die Universität ist eine öffentliche, vom Land Thüringen finanzierte Einrichtung, dass heißt, sie gehört uns allen!«
Weitere Aktionen geplant
Die ganze Demonstration verlief überwiegend friedlich und wurde von einem beachtlichen Polizeiaufgebot bewacht. Einige Studenten stürmten das Gebäude und ließen ihre Plakate aus den Fenstern hängen. Am Ende der Veranstaltung war der Universitätsrat zu keiner Stellungnahme bereit. Die Initiatoren von »StEP against« wiesen auf weitere Maßnahmen hin, um mit den Verantwortlichen des StEPs im Gespräch zu bleiben. Auch weitere Aktionen in der Landeshauptstadt Erfurt seien geplant.
Die Pharmazeuten hoffen weiterhin auf einen positiven Ausgang. Ein Wegfallen des Lehrstuhls in der Pharmazeutischen Technologie und des gesamten Studienganges gilt es weiterhin zu verhindern. Die Landesapothekerkammer Thüringen möchte sich mit Unterschriftenaktionen mithilfe der Thüringer Apotheker an der Protestbewegung beteiligen. Diese Angelegenheit betrifft eben nicht nur Pharmaziestudenten, sondern auch die Apotheker. /