Apotheker besser als Computer |
27.11.2012 14:35 Uhr |
Von Annette Mende, Rostock / Ungefähr 5 Prozent aller Krankenhauseinweisungen sind arzneimittelbedingt. Apotheker können helfen, Medikationsfehler zu vermeiden. Sie sind darin sogar erfolgreicher als Computer, wie bei einem Vortrag auf dem Jahreskongress für Klinische Pharmakologie in Rostock deutlich wurde.
Auf dem Weg eines Patienten in die Klinik und wieder hinaus kann mit seiner Medikation erschreckend viel schiefgehen. Dr. Hanna Seidling, Leiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie an der Uniklinik Heidelberg, zeigte die Fehlerquellen auf. Offenbar kommt es gar nicht so selten vor, dass in der Klinik die bestehende Medikation nicht richtig übernommen wird, oder dass sich bei der Entlassung (erneut) Fehler einschleichen. Wieder zurück beim betreuenden Hausarzt, wird die Medikation häufig erneut umgestellt: »27 Prozent der Arzneimittel, die im Krankenhaus aufgrund einer unerwünschten Wirkung abgesetzt wurden, werden von niedergelassenen Ärzten wieder angesetzt«, sagte Seidling.
Fehlerquelle Schnittstelle
Um solche Fehler zu vermeiden, gibt es prinzipiell zwei verschiedene Ansätze: Apotheker- oder Computer- gestützte Interventionen. Letztere eignen sich gut, um Übertragungsfehler an den Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu umgehen. Das Problem wäre gelöst, wenn der Patient eine aktuelle Version seiner Medikationsliste immer bei sich trüge, etwa auf der elektronischen Gesundheitskarte (EGK) hinterlegt. »Wir wissen jedoch, dass die Implementierung dieses Systems komplex ist und dass sie bis jetzt noch nicht geklappt hat«, sagte Seidling.
Viele Fehler könnten vermieden werden, wenn auf der Gesundheitskarte eine aktuelle Medikationsliste hinterlegt wäre. Den Apotheker ersetzt dies jedoch nicht.
Foto: imago/Zettler
Selbst wenn die EGK die Schnittstellen eines Tages vollständig glätten sollte, sind damit längst nicht alle Fehlerquellen entschärft. Denn ob eine Verordnung eine unerwünschte Arzneimittelwirkung oder eine Interaktion mit einem anderen Präparat verursacht, kann die Karte nicht erkennen. Dazu braucht es heilkundliches Know-how, das wiederum entweder ein Apotheker oder ein Computer bereitstellen kann. »Der klassische angelsächsische Ansatz, in dem der Apotheker als Teil des therapeutischen Teams die Medikation beurteilt, ist sehr erfolgreich«, erklärte Seidling. Vorschläge des Apothekers zur Therapieänderung würden zu einem sehr hohen Prozentsatz angenommen.
Allerdings scheitert dieser Ansatz in Deutschland meist daran, dass es zu wenige Krankenhausapotheker gibt. Während in Großbritannien durchschnittlich zwei Apotheker 50 Klinikbetten betreuen, sind es hierzulande 0,3 pro 100 Betten. »Die Computer- gestützte Alternative sind elektronische Verordnungssysteme mit Entscheidungsunterstützung«, berichtete Seidling. Entscheidungsunterstützung heißt in diesem Fall, dass der Arzt eine Warnmeldung bekommt, wenn das System eine unerwünschte Arzneimittelwirkung oder eine -interaktion identifiziert hat.
Diese Warnungen sind jedoch häufig sehr wenig spezifisch – und werden daher von vielen Ärzten überhaupt nicht mehr beachtet. »Dieses Problem ist so bekannt, dass es inzwischen einen eigenen Namen hat, nämlich Alert Fatigue«, informierte Seidler. Um die elektronischen Systeme besser zu machen, müsste daher ihre Spezifität erhöht werden. Nicht jedes Risiko sollte tatsächlich zu einer Warnung führen.
Um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, spielen neben dem Schweregrad der möglichen unerwünschten Wirkung auch andere Faktoren wie das Alter des Patienten, seine Nierenfunktion und andere Risikofaktoren eine Rolle. All diese Informationen kann ein Mensch viel besser gewichten und einordnen als ein Computer.
Apotheker filtern Information
Medikationsfehler lassen sich also am effektivsten vermeiden, wenn zunächst Apotheker die Warnmeldungen der IT-Systeme erhalten, und dann nur noch die wirklich relevanten an den Arzt weitergeben. »Apotheker sind dann quasi der Filter, der nur noch die wichtigen Informationen durchlässt«, erklärte Seidling. So könnten Pharmazeuten die Mängel der oft noch nicht ausgereiften IT-Lösungen ausgleichen und letztlich die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern helfen. /