Angst vor schlechterer Versorgung |
27.11.2007 16:21 Uhr |
Angst vor schlechterer Versorgung
Von Uta Grossmann, Berlin
Die Deutschen sorgen sich um die Zukunft des Gesundheitssystems. Über 80 Prozent der Menschen rechnen mit weiter steigenden Kassenbeiträgen und höheren Zuzahlungen für Medikamente. Das ergab eine repräsentative Umfrage zur Gesundheitsreform 2007.
Die Reformen der vergangenen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen: Die Menschen in Deutschland sehen die Veränderungen im Gesundheitssystem mit Sorge. 56 Prozent der Bevölkerung sind überzeugt, dass die Gesundheitsversorgung in den vergangenen zwei, drei Jahren schlechter geworden ist. Noch hält eine Mehrheit von 64 Prozent die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems für gut oder sehr gut. Doch das Vertrauen sinkt. 1994 waren es 82 Prozent.
In einem Zeitraum zwischen Ende September und Anfang Oktober befragten Mitarbeiter des Instituts für Demoskopie Allensbach 1879 Deutsche über 16 Jahre einen repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung. Die Allensbacher Meinungsforscher führten die Umfrage für den Finanzdienstleister MLP mit Sitz in Wiesloch durch. Beide Kooperationspartner stellten den MLP-Gesundheitsreport vergangene Woche in Berlin vor. Es ist die zweite derartige Umfrage, der erste Gesundheitsreport erschien 2005.
Grundlegende Skepsis
Der Tenor ist eine grundlegende Skepsis gegenüber den Entwicklungen im Gesundheitssektor. 84 Prozent der Menschen rechnen damit, dass die Krankenkassenbeiträge steigen, 81 Prozent glauben, dass die Zuzahlungen für Medikamente höher werden. 76 Prozent sind skeptisch, dass es der Politik gelingt, längerfristig eine gute Gesundheitsversorgung für alle sicherzustellen. Vielmehr befürchten zwei Drittel der Deutschen, dass eine Versorgung auf dem heutigen Niveau in Zukunft nicht mehr für alle zu gewährleisten ist. 78 Prozent erwarten eine Zwei-Klassen-Medizin, bei der Wohlhabende eine gute Versorgung erhalten, die breite Mittelschicht und ökonomisch schwächere Schichten dagegen schlechter versorgt werden.
63 Prozent der Interviewten glauben, dass es innerhalb der nächsten zehn Jahre immer schwieriger wird, sich teure Medikamente verschreiben zu lassen. Ein Hauptmotiv für einen Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung ist für 80 Prozent der wechselwilligen Kassenpatienten die Erwartung, in der Privatversicherung auch Medikamente verordnet zu bekommen, die gesetzlich Versicherte nicht erhalten.
Allerdings will nur eine Minderheit von 22 Prozent der Kassenpatienten umsteigen, obwohl 64 Prozent der Überzeugung sind, in der privaten Krankenversicherung besser abgesichert zu sein. Gegen einen Wechsel spricht für die meisten die Höhe der Beiträge der Privaten.
Das Interesse an privaten Zusatzversicherungen ist deutlich auf 40 Prozent gestiegen. 1997 interessierten sich lediglich 23 Prozent der Befragten für eine zusätzliche private Absicherung. Das korrespondiert mit der Tatsache, dass sich nur noch 53 Prozent der gesetzlich Versicherten für den Krankheitsfall gut abgesichert fühlen. Vor zwei Jahren waren es noch 60 Prozent. Auch bei den privat Versicherten sank der (insgesamt wesentlich höhere) Wert von 87 auf 84 Prozent.
Nur 5 Prozent wissen Bescheid
Der zweite MLP-Gesundheitsreport ist das Ergebnis der ersten umfassenden Befragung zum Wettbewerbsstärkungsgesetz der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), das am 1. April in Kraft getreten ist. Auswirkungen der jüngsten Gesundheitsreform sind allerdings erst bei einer Minderheit von 28 Prozent spürbar geworden - in erster Linie bei der Medikamentenversorgung.
Professor Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, erläuterte bei der Präsentation des MLP-Gesundheitsreports, dass die Interviewten auf Nachfrage nach konkreten Auswirkungen des GKV-WSG häufig Änderungen aus früheren Reformen nannten, etwa die Praxisgebühr. Die verbreitete Unkenntnis über Details der Gesetzesänderungen sei symptomatisch: »Je länger die Reformdebatten dauern, desto ratloser wird die Bevölkerung.«
Nur 5 Prozent der Befragten gaben an, »ziemlich genau« über Details des GKV-WSG Bescheid zu wissen. 55 Prozent gestanden ein, nur wenig zu wissen. Für »so ungefähr« informiert halten sich 40 Prozent. Vom Gesundheitsfonds haben gerade einmal 51 Prozent gehört. Entsprechend diffus sind die Vorstellungen, ob er den Versicherten mehr Vorteile (das glauben 10 Prozent) oder mehr Nachteile bringt (was 17 Prozent vermuten). 36 Prozent halten weder das eine noch das andere für wahrscheinlich. Der Gesundheitsfonds soll 2009 eingeführt werden; dann zahlen alle gesetzlich Versicherten den gleichen Beitragssatz.
»Auch im Gesundheitssystem wird mittelfristig kein Weg daran vorbeiführen, ähnlich wie bei der Rente die Eigenverantwortung zu stärken und damit das System zukunftsfähig zu gestalten«, sagte Dr. Uwe Schroeder-Wildberg, Vorstandsvorsitzender von MLP, bei der Vorstellung der Studie in Berlin.