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Computersimulation

Arzneistoffe mal anders nutzen

10.11.2009  14:25 Uhr

Von Daniela Biermann / In vielen bekannten Arzneistoffen steckt ein größeres Potenzial als bislang angenommen. Eine Computeranalyse hat jetzt für mehr als 3500 Substanzen neue Targets gefunden. Auch Nebenwirkungen können so vorausgesagt werden.

Die Annahme ist einfach: Ähnelt ein Arzneistoff einer körpereigenen Substanz, stehen die Chancen gut, dass der Arzneistoff an die gleiche Zielstruktur bindet. Auf Basis dieser Theorie verglich ein US-amerikanisches Team aus Pharmakologen und Bioinformatikern die natürlichen Liganden von etwa 250 Zielstrukturen mit 3665 Arzneistoffen, teils zugelassen, teils aus der Forschungspipeline. Ähnlichkeiten in ihrer Chemie und dreidimensionalen Struktur brachten Tausende möglicher unerwarteter Interaktionen zutage. 30 davon testen die Wissenschaftler um Bryan L. Roth und Brian K. Shoichet von der University of North Carolina auch im Labor. Ihre Ergebnisse stellten sie in der Novemberausgabe von »Nature« vor (Doi: 10.1038/nature08506).

Insgesamt konnten die Forscher 23 neue Wirkstoff-Target-Beziehungen experimentell bestätigen. Zum Beispiel wiesen sie nach, dass der selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Fluoxetin auch als Antagonist am β1-Rezeptor wirkt. Dies könnte Nebenwirkungen wie Übelkeit und Libidoverlust erklären. Der NMDA-Rezeptor-Antagonist Ifenprodil wirkt ähnlich wie Fluoxetin, indem er zusätzlich den Serotonin-Transporter hemmt. Ein weiteres Beispiel, der Reverse-Transkriptase-Inhibitor Delavirdin, ist nicht nur gegen Viren aktiv, sondern verhält sich antagonistisch am Histamin-4-Rezeptor. Auf Labortests und klinische Prüfungen wird die Forschung mittelfristig nicht verzichten können. Doch liefern Computermodelle wie das von Roth und Shoichet wertvolle Hinweise für das Sicherheitsprofil. Nebenwirkungen können so vorausgesagt werden. Das erhöht die Chancen von Arzneistoffkandidaten, nicht kurz vor der Zulassung zu scheitern. Und falls die Nebenwirkung eines bereits verfügbaren Medikaments zur Hauptwirkung gemacht werden kann, wäre die Zulassung vereinfacht, da viele Daten schon vorliegen. /

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