Chemo – ja oder nein? |
05.11.2013 16:32 Uhr |
Von Annette Mende / Wie bei vielen anderen Krebsarten bestimmt auch beim Mammakarzinom zunehmend die Tumorgenetik das therapeutische Vorgehen. Genexpressionstests helfen bei der Therapieplanung und können einigen Patientinnen die Chemotherapie ersparen. Die Kosten werden in Deutschland allerdings nicht von der Krankenkasse übernommen.
Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Estrogen-Rezeptor- und HER2-Status beispielsweise sind Kriterien, die schon seit Langem zur Unterscheidung dienen und auch die Wahl geeigneter Arzneistoffe beeinflussen. Darüber hinaus erlaubt die Analyse der genetischen Ausstattung des Tumors in bestimmten Fällen eine Aussage über die Rezidiv-Wahrscheinlichkeit und gibt eine Antwort auf die Frage, ob die Patientin eine Chemotherapie benötigt oder nicht.
Genexpressionstests können die Therapieentscheidung bei Brustkrebspatientinnen beeinflussen und einigen Frauen eine Chemotherapie ersparen.
Foto: Superbild
So lässt sich bei Frauen mit Estrogen-Rezeptor-positivem Brustkrebs ohne Lymphknotenbefall anhand eines Genexpressionstests das Risiko eines Rezidivs in hoch, mittel oder niedrig quantifizieren. 2006 konnte in einer Studie im »Journal of Clinical Oncology« gezeigt werden, dass vor allem Frauen mit hohem Rezidiv-Risiko von einer Chemotherapie profitieren (doi: 10.1200/JCO.2005.04.7985). Patientinnen mit niedrigem Risiko hatten nur einen marginalen Nutzen. Frauen mit intermediärem Risiko profitierten nicht im selben Maß wie Patientinnen mit hohem Risiko, ein klinisch bedeutsamer Nutzen war aber nicht auszuschließen.
Die Tests heißen beispielsweise Oncotype DX®, MammaPrint® oder EndoPredict®. Die Kosten von 3180 Euro (Oncotype DX), 2675 Euro (MammaPrint) beziehungsweise 1800 Euro (EndoPredict) müssen die Patientinnen selbst tragen, oder eine Kostenübernahme als Einzelfallentscheidung bei ihrer Krankenkasse beantragen. Dagegen protestieren nicht nur Patientinnen-Verbände, sondern auch der Berufsverband Deutscher Pathologen (BDP).
»Pathologen konnten bis September dieses Jahres die Kosten des EndoPredict-Tests als ambulante ärztliche Leistung über die Krankenkasse abrechnen«, sagte Dr. Georg Kox, Geschäftsführer des in Köln ansässigen Herstellers Sividon Diagnostics, gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung. Bei den anderen beiden Tests war das nicht möglich, da diese nicht von zugelassenen Leistungserbringern vorgenommen werden, sondern in Labors in den USA beziehungsweise in den Niederlanden. Seit einer Änderung des sogenannten einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM), in dem die Inhalte ärztlicher Leistungen zu Abrechnungszwecken beschrieben sind, kann aber auch der EndoPredict-Test seit 1. Oktober nicht mehr abgerechnet werden.
Komplizierte Beantragung
»Wir hoffen sehr, dass die entsprechende EBM-Ziffer wieder geändert wird, damit auch gesetzlich versicherte Brustkrebs-Patientinnen unseren Test wieder kostenlos bekommen können«, so Kox. Einige Kassen seien trotz der Änderung weiter bereit, die Kosten für den Test zu übernehmen, doch sei das eben immer eine Einzelfallentscheidung und die Beantragung entsprechend umständlich. »Frauen, die gerade die Diagnose Brustkrebs erhalten haben und davon noch unter Schock stehen, kann man das eigentlich nicht zumuten«, sagte Kox.
Festgelegt werden die Ziffern des EBM vom Bewertungsausschuss, einem gemeinsamen Gremium von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der BDP gibt in einer Pressemitteilung vor allem dem GKV-Spitzenverband die Schuld daran, dass die Tests aus der Erstattungsfähigkeit gestrichen wurden. Der GKV-Spitzenverband verweigere sich der Erstattung von Genexpressionstests mit der Begründung, sie seien nicht ausreichend validiert. »Diese Begründung ist falsch«, sagt BDP-Präsident Professor Dr. Werner Schlake laut Mitteilung.
NICE für Kostenübernahme
Die Pathologen-Fachgesellschaft verweist auf Großbritannien, wo gerade erst das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) die Kostenübernahme des Oncotype-DX-Tests beschlossen hat. Dieses Argument wiegt schwer, ist doch das NICE nicht gerade bekannt dafür, mit den Geldern britischer Versicherter leichtfertig umzugehen. /