Pharmazeutische Zeitung online
Hermann Julius Böttger

PZ-Journalist und Fachschriftsteller

20.10.2017  11:32 Uhr

Von Christoph Friedrich / Am 2. November 2017 jährt sich der 100. Todestag des Apothekers Hermann Julius Böttger, der ab 1869 zunächst als Mitredakteur und ab 1881 als alleiniger Redakteur die Pharmazeutische Zeitung prägte. Böttger galt als Autorität auf dem Gebiet des pharmazeutischen Rechts und verfasste hierzu eine Reihe von Büchern (1).

Böttger (1843–1917) erblickte am 28. Februar 1843 in Strelnow (heute Strzelno) in der polnischen Wojewodschaft Kujawin-Pommern als Sohn des Gymnasialprofessors Julius Böttger und dessen Ehefrau Emma, geborene Müller, das Licht der Welt. Seinen ersten Unterricht erhielt er bei einem Hauslehrer. Da er mehrere Geschwister hatte, konnte er nicht studieren, sondern absolvierte 1857 bis 1861 in Rawitsch (heute Rawicz) in der Provinz Posen eine pharmazeutische Lehre (1, 2).

Anschließend war er als Gehilfe in Apotheken in Deutschland, in Paris bei Apotheker H. Schuhmann, in Italien und in der Schweiz tätig und erhielt hier Einblicke in das Apothekenwesen verschiedener Länder. Neben dem Studium der Pharmazie wandte er sich auch dem der Nationalökonomie und der Philosophie zu. Seine Promotion an der Universität Göttingen 1876 zum Dr. phil. zeigt seine breiten Kenntnisse auch auf diesen Gebieten (1, 3).

 

1876 hatte sich Böttger an den Dekan der Philosophischen Fakultät Göttingen mit der Bitte gewandt, ihn mit seiner Dissertation »Die deutsche Apothekenreformbewegung der letzten Jahrzehnte, in ihrem Zusammenhange mit der Entwicklung der volkswirthschaftlichen Theorie der Neuzeit historisch-kritisch dargestellt« zu promovieren. Der Dekan sandte die Arbeit an die Mitglieder der Fakultät und bat den Vertreter des Faches Pharmazie, das innerhalb der Medizinischen Fakultät angeboten wurde, den Apotheker und Botaniker August Wiggers (1803–1880) sowie den Nationalökonom Georg Hanssen (1809–1894) um ihre Meinung. Wiggers schrieb: »Der Herr J. Böttger ist mir unbekannt. [...] Die Geschichte der deutschen Apotheken-Reformbewegung ist von demselben aber so verständig als richtig dargestellt.« Auch Hanssen schloss sich diesem »günstigen Urtheil« an, äußerte aber seine Verwunderung darüber, dass Böttger im Fach Nationalökonomie geprüft werden wolle und nicht in Chemie und Pharmazie. Er erklärte sich aber bereit, die Prüfung vorzunehmen, die am 30. Juni stattfand (2).

 

Apotheken- Reformbewegung

 

Das Thema der Dissertation lässt bereits Böttgers eigentliche Interessen erkennen. Im Vorwort zu seiner Arbeit bemerkt er: »Das Apothekergewerbe gleicht nunmehr während einer Reihe von Jahren jener verlorenen Seele, um deren Besitz sich Himmel und Hölle streiten, in dem die herrschenden wirthschaftlichen Theorien auf jenem Gebiete mit den medicinalpolizeilichen Forderungen in einen Conflict gerathen, an denen sich die hervorragendsten Nationalökonomen, die Regierungen, die Parlamente, Juristen, Medicinalbeamte, Apotheker und Aerzte betheiligt haben, zum endgültigen Abschlusse immer noch nicht gediehen ist« (4). In dieser Arbeit bedient er sich der historisch-kritischen Methode und schildert die Entwicklung des Apothekengewerbes seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Sein Ziel war es, »den engen Zusammenhang zwischen der Apotheken-Reformbewegung Deutschlands und den jeweiligen Zeitströmungen in der Wirthschafts-Lehre« darzulegen. Dabei stellt er auch die Frage, ob der Gesetzgeber Staatsapotheken oder Niederlassungsfreiheit bevorzugen sollte (4).

 

»Pharmaceutische Zeitung«

 

Nachdem Böttger 1869 nach Bunzlau gezogen war, trat er in die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung ein, die dort 1859 von dem Apotheker Hermann Mueller (1828–1896) gegründet worden war. Die Ära Böttger war neben der seines Nachfolgers Ernst Urban (1874–1958) eine besonders erfolgreiche in der Geschichte der Pharmazeutischen Zeitung. Seine publizistischen Fähigkeiten hatte Böttger zuvor bereits in verschiedenen Beiträgen zum Apothekenwesen in den neupreußischen Landesteilen Nassau, Hessen und Frankfurt am Main sowie Reiseberichte aus der Schweiz und Frankreich nachgewiesen. Gemeinsam mit Mueller bildete er eine »untrennbare Gemeinschaft, die nur der Tod lösen konnte« (5). Nachdem Böttger 1878 die älteste Tochter Muellers geheiratet hatte, übernahm er 1881 die Leitung der Zeitung. 1886 siedelte diese von Bunzlau nach Berlin zur »Weltfirma« Julius Springer-Verlag, Monbijouplatz 3, über, um dort »Berichte über alle wichtigen Ereignisse in der Pharmazie« aus erster Hand zu erhalten (5–8).

 

Mit seinem geschliffenen, prägnanten Stil prägte Böttger die Zeitung bis 1917. Insbesondere widmete er sich der Gewerbefrage und der Bekämpfung der Personalkonzession, die er als eine Art »Beamtenstellung« betrachtete. 1882 veröffentlichte er einen Gesetzesentwurf zur Apothekenreform. Dieser sah vor, dass den Besitzern neu errichteter Apotheken die Kosten zur Ablösung der bestehenden Apothekenwerte auferlegt werden sollten (5). 1872 befürwortete er den sogenannten Dellbrückschen Entwurf, der eine Niederlassungsfreiheit an solchen Orten empfahl, in denen bisher keine Apotheke bestand (9), und setzte sich für eine Verständigung mit den Krankenkassen ein. Sein journalistisches Talent beweisen ferner seine stets umfangreichen Jahresrückblicke, in denen er besonders die gewerbliche, wirtschaftliche und praktische Entwicklung der Pharmazie neben wissenschaftlichen Fragen behandelt und die daher eine wichtige Quelle für die Geschichte des Apothekenwesens darstellen (5, 8).

 

Kritischer Beobachter und Buchautor

Neben den redaktionellen Arbeiten für die Pharmazeutische Zeitung verfasste Böttger auch einige Bücher. 1879 erschien seine Monografie »Der Militär-Pharmazeut«, es folgte ein Jahr später das Werk »Giftverkauf-Buch für Apotheker und Drogisten« sowie weitere Monografien zur Apotheken- und Arzneimittelgesetzgebung. 1882 griff er mit dem Werk »Geschichte der Apothekenreformbewegung in Deutschland von 1862–1882« das Thema seiner Dissertation nochmals auf, in das nun seine langjährigen Erfahrungen als Zeitzeuge und kritischer Beobachter flossen. Daneben gab er gemeinsam mit Ewald Geissler (1848–1898) und dann Bernhard Fischer (1856–1905) den Pharmazeutischen Kalender heraus und war Mitarbeiter und Herausgeber zahlreicher enzyklopädischer Werke, so der ›Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde‹ von Albert Eulenburg (1840–1917) und der ›Real-Encyclopädie der gesammten Pharmacie‹ von Geissler und Joseph Moeller (1848–1924) (10).

 

Während Böttger in den früheren Jahren seiner Redaktionstätigkeit häufig auf den Generalversammlungen und Vorstandssitzungen des Deutschen Apotheker-Vereins sowie auch auf internationalen pharmazeutischen Kongressen ein gern gesehener Teilnehmer war, zog er sich die letzten Jahre ganz in seine Redaktionsstube zurück. Obwohl er zahlreiche Auszeichnungen wie Ehrenmitgliedschaften der Österreichischen Pharmazeutischen Gesellschaft sowie der von St. Petersburg und Antwerpen erhielt und korrespondierendes Mitglied der Brüsseler Societé Royale de Pharmacie war, standen die deutschen Standesführer ihm reservierter gegenüber. Böttger konnte die Worte, die er in einem Jubiläumsartikel schrieb, auch auf sich beziehen: »Du willst bei Fachgenossen gelten? Das ist verlor’ne Liebesmüh. . . Was Dir misslingt, verzeihen sie selten, was Dir geglückt, verzeihen sie nie!« (5, 8). In seiner Redaktion erwies sich Böttger als autoritärer Chef, der nur ungern andere Meinungen gelten ließ und der dank seines vorzüglichen Gedächtnisses ohne registratorischen Apparat arbeitete. Dagegen zeigte er sich in seinem gastfreundlichen Heim in Lichterfelde als humorvoller und geistreicher Gesprächspartner, der guten Wein liebte und junge Leute gern um sich hatte. Obwohl er gesund wirkte, trug er den Keim einer schweren Krankheit in sich und wurde am 2. November 1917 mitten aus seiner aktiven Redaktionstätigkeit durch den Tod herausgerissen (5). /

Quellen und Literatur

 

(1) E. Wolf, Stationen im Leben einer Zeitung. In: Pharmazeutische Zeitung 126 (1981), S. 647–657.

(2) Lateinische Vita in der Promotionsakte. In: Universitätsarchiv Göttingen Phil. Dek. 161, S. 426.

(3) Promotionsakte. In: Universitätsarchiv Göttingen Phil. Dek. 161, S. 421 f.

(4) H. J. Boettger, Die deutsche Apothekenreformbewegung der letzten Jahrzehnte, in ihrem Zusammenhange mit der Entwicklung der volkswirthschaftlichen Theorie der Neuzeit historisch-kritisch dargestellt. Phil. Dissertation Bunzlau 1876, Vorwort o. S.

(5) [E.] Urban, Dr. Hermann Julius Böttger †. In: Pharmazeutische Zeitung 62 (1917), S. 607–610.

(6) Ernst Urban, Hundert Jahre Pharmazeutische Zeitung. Rückblick und Ausblick. In: Pharmazeutische Zeitung 101 (1956), S. 355–367, hier 358f.

(7) S. Wolf, Das deutsche pharmazeutische Reformschrifttum und Zeitschriftenwesen im 19. Jahrhundert. Dissertation Marburg 1971, S. 341–346.

(8) E. Wernicke, Zur Geschichte der Pharmazeutischen Zeitung. In: Pharmazeutische Zeitung 51 (1906), S. 281–286, hier 284 f.

(9) Ch. Friedrich, Christoph / W.-D. Müller-Jahncke, Geschichte der Pharmazie. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart (Geschichte der Pharmazie / R. Schmitz 2). Eschborn 2005, S. 875.

(10) K. Conrath, Pharmazeutische Wissenswelten. Lexika der Pharmazie des ›langen‹ 19. Jahrhunderts als Spiegelbild eines Wandels von der techne zur scientia. Stuttgart 2017 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie; 110) S. 306.

Verfasser

Professor Dr. Christoph Friedrich

Institut für Geschichte der Pharmazie

Roter Graben 10

35032 Marburg

ch.friedrich@staff.uni-marburg.de

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