Rivaroxaban versus Dabigatran |
26.10.2016 09:05 Uhr |
Von Kerstin A. Gräfe / Welches direkte orale Antikoagulans ist sicherer – Rivaroxaban oder Dabigatran? Dieser Frage haben sich Mitarbeiter der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA in einer großen retrospektiven Beobachtungsstudie genähert.
In ihrer Auswertung berücksichtigten sie die Daten von mehr als 118 000 Patienten mit Vorhofflimmern. Unter Rivaroxaban kam es im Vergleich zu Dabigatran zu weniger Schlaganfällen, aber zu mehr Hirnblutungen und schweren extrakraniellen Blutungen. Die Ergebnisse sind im Fachjournal »JAMA Internal Medicine« veröffentlicht (DOI: 10.1001/jamainternmed.2016.5954).
Laut einer retrospektiven Studie hat Dabigatran ein günstigeres Sicherheitsprofil als Rivaroxaban. Ob Ärzte nun bevorzugt Dabigatran verordnen, bleibt abzuwarten.
Foto: Imago/ Jochen Tack
Das Team um FDA-Mitarbeiter Dr. David J. Graham korrelierte die Verordnungsdaten der beiden neuen oralen Antikoagulanzien mit den Raten an thromboembolischen Schlaganfällen und Blutungskomplikationen. Insgesamt wurden 52 240 neu auf Dabigatran und 66 651 neu auf Rivaroxaban eingestellte Patienten in die Analyse eingeschlossen. Während der Anwendungsdauer von 15 524 Personenjahren Dabigatran und 20 199 Personenjahren Rivaroxaban kam es zu 2537 primären Ereignissen wie Schlaganfall, Hirnblutungen und großen extrakraniellen Blutungen. Dabei war die Einnahme von Rivaroxaban im Vergleich zu Dabigatran mit einer nicht signifikant niedrigeren Schlaganfall-Rate assoziiert.
Die Autoren errechneten, dass auf 1000 Anwenderjahre unter Rivaroxaban 1,8 Schlaganfälle weniger als unter Dabigatran kamen. Zugleich war jedoch unter Rivaroxaban die Rate an Hirnblutungen signifikant erhöht; auf 1000 Personenjahre kamen 2,3 zusätzliche Ereignisse. Gleiches gilt für die Anzahl an größeren extrakraniellen Blutungen (13,0 zusätzliche Ereignisse), was in den meisten Fällen Blutungen im Magen-Darm-Trakt betraf. Zudem war laut der Berechnung unter Rivaroxaban die Gesamtsterblichkeit erhöht, wobei der Unterschied nicht signifikant war: Auf 1000 Personenjahre kamen 3,1 zusätzliche Todesfälle.
Kontroverse Schlussfolgerungen
Die Studienautoren weisen darauf hin, dass in den USA Rivaroxaban im Jahr 2014 etwa zwei- bis dreimal häufiger verordnet wurde als Dabigatran. Das beruhe womöglich auf der FDA-Warnung vor einer erhöhten Zahl von Blutungskomplikationen unter Dabigatran. »Ironischerweise fanden wir aber ein signifikant erhöhtes Risiko unter Rivaroxaban«, so die Autoren. Sie räumen jedoch ein, dass ein direkter Vergleich in Form einer randomisierten, kontrollierten klinischen Studie wünschenswert wäre.
An diesem Punkt haken auch andere Experten ein. »Vergleiche, die auf retrospektiven Daten beruhen, haben keine starke Evidenz«, kommentiert Dr. Harlan Krumholz von der Yale University und Herausgeber des Fachjournals »Circulation« in einer Pressemitteilung des Kardiologeninformationsdienstes Cardiobrief. Auch Kardiologin Dr. Sanjay Kaul vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles warnt davor, Schlussfolgerungen basierend auf retrospektiven Daten zu ziehen. Hingegen plädieren die JAMA-Herausgeberinnen Dr. Rita F. Redberg und Anna L. Parks für eine stärkere Gewichtung von retrospektiven Studien (DOI: 10.1001/jama internmed.2016.6429). Die zusätzlichen neuen Informationen sollten dazu führen, dass Ärzte Patienten mit Vorhofflimmern eher Dabigatran als Rivaroxaban verschreiben sollten. /