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Schwangerschaft und Rheuma

Kein Problem bei guter Planung

22.10.2013  11:17 Uhr

Von Maria Pues, Mannheim / Auch Frauen mit rheumatoider Arthritis (RA) können sich ihren Kinderwunsch erfüllen. Bei der Familienplanung sollte vor allem die Krankheitsaktivität berücksichtigt werden – nicht nur wegen der gegebenenfalls notwendigen Medikation.

Was es bei der Therapie von Patientinnen mit rheumatoider Arthritis vor und während der Schwangerschaft sowie in der Stillzeit zu beachten gilt, erläuterte Dr. Frauke Förger vom Universitätsspital Bern beim Kongresses der Deutschen Rheumatologischen Gesellschaft in Mannheim. »Wichtig ist, dass die Patientinnen mit einer möglichst niedrigen Krankheitsaktivität in eine Schwangerschaft gehen«, betonte die Rheumatologin.

Die Krankheitsaktivität entscheidet über die therapeutische Strategie. Ist die Aktivität hoch, sollte eine Schwangerschaft zunächst verschoben werden, riet die Referentin. Meist ist es dann sinnvoll, die Therapie zu intensivieren, um zunächst die Krankheitsaktivität und später die Medikation zu senken. »Manche Patientinnen reduzieren jedoch bereits bei aufkeimendem Kinderwunsch eigenmächtig die Dosierung ihrer Arzneimittel«, berichtete Förger. Sie warnte: Auf diese Weise riskierten die Patientinnen, mit einer erhöhten Krankheitsaktivität in die Schwangerschaft zu starten. Mögliche Risiken für Mutter und Kind entstehen dann durch höher zu dosierende Arzneimittel, um einen rheumatischen Schub beherrschbar zu machen. Bei geringer Krankheitsaktivität besteht die Möglichkeit, die Dosierung während der Schwangerschaft zu senken und trotzdem eine ausreichende Wirkung zu erzielen.

 

Beschwerden bessern sich in der Schwangerschaft

 

Viele Patientinnen berichteten von einer Besserung der rheumatoiden Arthritis während der Schwangerschaft, erläuterte Förger weiter. Darauf vertrauen, dass diese automatisch eintritt, sollten RA-Patientinnen mit Kinderwunsch jedoch nicht. Meist erfolgt eine Besserung nach dem ersten Trimenon – allerdings nicht bei jeder Frau. »Studien zeigen außerdem, dass die Besserung von der Rheuma-Aktivität vor Beginn der Schwangerschaft abhängt«, so Förger. Frauen, die mit einem hohen Rheuma-Score schwanger werden, erfahren zwar auch eine Besserung; die Beschwerden liegen aber deutlich über dem Niveau, das Frauen mit einer geringen Anfangsaktivität erreichen können.

Tabelle 1: Absetzen von Biologika vor der Konzeption

Biologikum Absetzen vor der Konzeption
Rituximab zwölf Monate
Belimumab vier Monate
Abatacept, Tocilizumab drei Monate
Adalimumab, Anakinra, Certulizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab bei positivem Schwangerschaftsnachweis

Für die Minderung der RA-Symptome sind verschiedene immunmodulierende Faktoren ursächlich, die sich während der Schwangerschaft verändern. So bilden sich in dieser Zeit beispielsweise mehr entzündungshemmende als entzündungsfördernde Botenstoffe.

 

Die Fruchtbarkeit von Frauen mit RA ist Förger zufolge allenfalls geringfügig vermindert. Lediglich der Anteil der Frauen, die mehr als zwölf Monate bis zur Konzeption benötigten, sei bei Rheumatikerinnen höher. Bei ihnen liegt dieser Anteil bei etwa 25 Prozent gegenüber 16 Prozent bei Nicht-Rheumatikerinnen. Keine Unterschiede beobachte man hingegen bei der ovariellen Reserve.

 

Will sich dennoch keine Schwangerschaft einstellen, kann ein LUF-Syndrom eine mögliche Ursache sein. Die Abkürzung steht für luteinized unruptured follicle syndrome. Dabei kommt es zur Bildung eines Gelbkörpers, ohne dass eine Ovulation stattgefunden hätte. Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) können einer Studie zufolge das LUF-Risiko erhöhen. Demnach zeigte sich bei NSAR-Anwenderinnen ein Risiko von 36Prozent gegenüber 3Prozent bei Nicht-Anwenderinnen. Ein LUF-Syndrom tritt darüber hinaus bei inaktiver RA häufiger auf als bei aktiver RA. Als Ursache werden niedrige Prostaglandin-Spiegel angenommen.

»Negative Einflüsse der rheumatischen Erkrankung auf das Ungeborene müssen werdende Mütter mit RA kaum befürchten, wenn ihre Erkrankung inaktiv ist«, sagte Förger weiter. Lediglich das Geburtsgewicht des Neugeborenen kann bei aktiver RA leicht reduziert sein. Auch die Frühgeburtenrate ist bei inaktiver RA nicht erhöht. Frühgeburten treten aber häufiger unter einer Prednison-Therapie auf. Eine Dosisabhängigkeit habe man hier nicht beobachtet, so Förger. Ob das Präeklampsie-Risiko bei Schwangeren mit RA erhöht ist, wird derzeit unterschiedlich beurteilt. Während manche Studien kein erhöhtes Risiko feststellen konnten, kommen andere zu dem Ergebnis, dass es leicht erhöht sei.

 

Welche Arzneimittel wann absetzen

 

Bereits rund zwei Jahre vor einer geplanten Schwangerschaft muss Leflunomid abgesetzt werden. Grund dafür ist ein aktiver Metabolit mit einer langen Eliminationshalbwertszeit von durchschnittlich zwei Wochen. Drei Monate vor der Konzeption muss eine Methotrexat-(MTX)-Therapie beendet werden. »Die Teratogenität von MTX ist abhängig von der Dosis und dem Zeitpunkt der Anwendung und wird in den in der Rheumatologie gebräuchlichen Dosierungen auf etwa 5 bis 10 Prozent geschätzt«, sagte Förger. Kritisches Intervall ist die sechste bis achte Schwangerschaftswoche. Folsäure muss hingegen täglich bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels eingenommen werden. In welchem Abstand zur Konzeption verschiedene Biologika abgesetzt werden müssen, zeigt Tabelle 1.

 

Basistherapeutika (Disease Modifying Antirheumatic Drugs, DMARD), die während einer Schwangerschaft angewendet werden können, sind Sulfasalazin, Chloroquin und Hydroxychloroquin. Die Umstellung sollte aufgrund der langen Dauer bis zum Wirkungseintritt frühzeitig erfolgen, riet Förger. Während der gesamten Schwangerschaft sollte außerdem Folsäure gegeben werden.

 

NSAR können bis zur 32.Schwangerschaftswoche gegeben werden. Müssen Corticosteroide angewendet werden, eignen sich Prednison und Prednisolon. Im ersten Trimenon sollte dabei die Dosierung unter 15mg täglich bleiben; im zweiten und dritten Trimenon können zur Beherrschung eines akuten Schubes 20mg und mehr gegeben werden. Die Beschränkung im ersten Trimenon beruht auf einem möglicherweise leicht erhöhten Risiko für eine Kiefer-Gaumenspalte.

Tabelle 2: Plazenta-Transfer von TNF-Hemmern

TNF-Hemmer Transfer im Nabelschnurblut
Infliximab, Adalimumab (komplette mono­klonale AK) +++ 160 Prozent
Etanercept (TNFR-Fc) + 7 Prozent
Certolizumab (Fab) +/- 3,9 Prozent

Prednisolon wird durch eine 11β-Hydroxylase in der Plazenta weitgehend inaktiviert, sodass nur 10 bis 15Prozent der Dosis den Fötus erreichen. Trotzdem sollte man auch nach der vulnerablen Phase die Dosis so niedrig wie möglich halten, um Wachstumsverzögerungen beim Umgeborenen sowie einem vorzeitigen Blasensprung unter anderem durch vaginale Infekte vorzubeugen. Für die werdende Mutter erhöht sich durch hohe Prednisolon-Dosen das Risiko für Hypertonie, Diabetes und Osteoporose.

 

Tumornekrosefaktor-(TNF)-Hemmer sollen allenfalls nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung zum Einsatz kommen. In Tierversuchen und Anwendungsbeobachtungen habe man zwar bisher weder eine erhöhte Missbildungsrate noch Missbildungsmuster erkennen können, berichtete Förger. Weitere Untersuchungen laufen aber noch. Zudem können nicht alle TNF-Hemmer in allen Phasen der Schwangerschaft gleichermaßen zum Einsatz kommen, führte sie weiter aus. Der transplazentare Transport von IgG-Antikörpern nimmt im Verlauf der Schwangerschaft zu. In der Spätschwangerschaft kann dies aufgrund von fötalen Fc-Rezeptoren zu sehr hohen Spiegeln beim Ungeborenen führen (siehe Tabelle2). Die Gabe von kompletten monoklonalen Antikörpern mit Fc-Teil sollte daher vor dem Beginn des dritten Trimenon gestoppt und die Patientin falls erforderlich auf einen TNF-Hemmer ohne Fc-Teil umgestellt werden.

 

Der teilweise erheblich verlangsamte Abbau der monoklonalen Antikörper kann beim Neugeborenen eine – über Monate – erhöhte Infektrate zur Folge haben. Zwar habe man bei der Tetanus- und Hib-Impfung keine Veränderungen feststellen können, so Förger. Probleme können jedoch bei Lebendimpfungen auftreten.

 

TNF-Hemmer in der Stillzeit

 

Nach Ende der Schwangerschaft kommt es häufig zu einem erneuten Aktivitätsanstieg der rheumatoiden Arthritis. Klassischerweise findet dieser sechs bis zwölf Wochen nach der Entbindung statt. Das bedeutet, dass in der Stillzeit in den meisten Fällen (mehr) Medikamente erforderlich sind. Auch hier gilt: Schubraten und erforderliche Arzneimittel fallen geringer aus, wenn die Schwangerschaft bei niedriger RA-Aktivität begonnen werden konnte. In der Stillzeit können meist Arzneimittel gegeben werden, die auch während der Schwangerschaft einsetzbar waren. Zusätzlich können auch TNF-Hemmer wieder zum Einsatz kommen.

 

Für einige TNF-Hemmer gibt es Hinweise, ob und in welchem Maße sie in die Muttermilch übergehen. So finden sich etwa Etanercept und Adalimumab in minimalen Konzentrationen in der Muttermilch, Infliximab und Certulizumab dagegen nicht. »Im Serum des Neugeborenen finden sich die Wirkstoffe aber auch bei positivem Nachweis in der Muttermilch nicht wieder, da die Antikörper im Verdauungstrakt abgebaut werden«, sagte Förger. /

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