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Sucht

Alkoholiker leben 20 Jahre kürzer

22.10.2012  22:11 Uhr

Von Martina Rathke, dpa / Alkoholsucht verkürzt die Lebens­erwartung um 20 Jahre. Das geht aus einer Langzeitstudie von Greifswalder und Lübecker Wissenschaftlern hervor. Damit ist übermäßiger Alkoholkonsum deutlich schädlicher als Nicotinsucht.

Der Untersuchung zufolge starben Frauen, die alkoholabhängig waren, durchschnittlich mit 60 Jahren, Männer mit 58 Jahren. »Keiner der verstorbenen Alkoholabhängigen hatte das durchschnittliche Lebensalter von 82 Jahren für Frauen und 77 Jahren für Männer erreicht«, sagte der Leiter der Studie, der Greifswalder Epidemiologe Ulrich John. »Uns hat überrascht, dass die Alkoholabhängigkeit im Vergleich zum Rauchen besonders stark zu einer Lebenszeitverkürzung beizutragen scheint.« Besonders viele durch das Rauchen bedingte Krebserkrankungen führten oft erst später (im Alter von über 60 Jahren) zum Tode. Die Ergebnisse der Studie erscheinen im Januar im US-Fachjournal »Alcoholism: Clinical & Experimental Research«.

Die Experten hatten im Jahr 1996 die Gesundheitsdaten von 4070 Menschen gesammelt und ausgewertet. Dabei handelte es sich um Einwohner Lübecks und 46 umliegender Gemeinden, die über die Einwohnermelde­ämter zufällig ausgewählt wurden. Von ihnen waren 153 als alkoholabhängig diagnostiziert worden. Davon konnten wiederum 149 (119 Männer und 30 Frauen) über 14 Jahre beobachtet werden. Verglichen mit der jeweils gleichaltrigen Normalbevölkerung war die Sterberate von Alkoholikerinnen um das 4,6-Fache erhöht, von männlichen Alkoholikern um das 1,9-Fache. Woran die Betroffenen genau starben, wurde nicht untersucht.

 

Erstaunt waren die Forscher über die großen geschlechtsspezifischen Unterschiede. »Frauen scheinen schneller und stärker als Männer mit Erkrankungen auf Alkoholkonsum zu reagieren«, so John. Warum die Unterschiede in der Sterberate so groß sind, konnten die Forscher bislang nicht erklären. Die geringere Körpermasse allein sei kein ausreichendes Argument. »Frauen müssen beherzigen, dass sie deutlich weniger Alkohol konsumieren dürfen als Männer.« Der international anerkannte Richtwert liegt bei einer Tagesmenge von 12 g für Frauen (125 ml Wein) und 24 g für Männer (250 ml Wein).

 

Der Studie zufolge hat eine Therapie keine positive Auswirkung auf die Lebenserwartung. Knapp 23 Prozent der Alkoholabhängigen hatten im Laufe der 14 Jahre eine mehrmonatige Entwöhnungstherapie absolviert, weitere 6,7 Prozent eine Entgiftung. »Unsere Ergebnisse zeigen, dass diejenigen, die in einer Entwöhnungsbehandlung waren, keine größeren Überlebenszeiten gegenüber denen hatten, die nie eine Therapie absolviert hatten«, sagte John. Die Mediziner ziehen daraus den Schluss, dass die Therapieangebote überarbeitet werden müssen. »Die Therapien setzen in Deutschland zu spät an, wenn die Betroffenen bereits an einer Vielzahl alkoholbedingter Störungen leiden«, so John. /

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