Sorge vor der »Apotheke light« |
25.10.2011 17:36 Uhr |
Von Daniel Rücker / Auf zur dritten Runde: Nach zwei inoffiziellen Entwürfen zur Apothekenbetriebsordnung im vergangenen Jahr gibt es seit Donnerstag einen Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Das 62-seitige Papier enthält viele bereits bekannte Vorschläge. Mancher Unsinn ist herausgefallen, anderer hat persistiert.
Der Referentenentwurf unterscheidet sich in vielen Punkten nur unwesentlich von seinen beiden inoffiziellen Vorgängern. Diese Kontinuität ist aber nicht per se erfreulich. Die von Apothekern befürchtete Tendenz zur »Apotheke light« ist weiterhin deutlich erkennbar. So werden Filialapotheken, für die bislang dieselben Anforderungen galten wie für Hauptapotheken, faktisch mit Zweigapotheken gleichgestellt. Das bedeutet eine deutliche Herabstufung des Standards. Filialen dürfen nun auf ein Labor verzichten und ihre Rezepturen in der Hauptapotheke anfertigen lassen.
Effizienz steigern
Dasselbe gilt für die Prüfung von Arzneimitteln. Auch die Bereitschaftsdienste können in einem Filialverbund zentralisiert werden. Das BMG begründet diese Änderung mit einer gewünschten Effizienzsteigerung in den Apotheken durch die bessere Auslastung und die höhere Qualität der dann noch bestehenden Labors und einem Abbau bürokratischer Vorschriften. Zudem würden die Kosten für die Filiallabors wegfallen. Die meisten Apotheker dürften dieses Vorhaben allerdings weniger als Entgegenkommen des Ministeriums begreifen, sondern als Fördermaßnahme für Filialverbünde.
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Unter das Schlagwort Entbürokratisierung fällt auch die neue Regelung zu wissenschaftlichen und sonstigen Hilfsmitteln. Im Gegensatz zur bislang geltenden Apothekenbetriebsordnung werden im Referentenentwurf keine Titel der Werke erwähnt, die in der Apotheke vorhanden sein müssen. Im Kern bleibt Paragraf 5 der Apothekenbetriebsordnung aber erhalten. So müssen in der Apotheke vorhanden sein: »1. wissenschaftliche Hilfsmittel, die zur Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln und Ausgangsstoffen nach anerkannten Regeln im Rahmen des Apothekenbetriebs notwendig sind, 2. wissenschaftliche Hilfsmittel, die zur Information und Beratung des Kunden über Arzneimittel notwendig sind, 3. wissenschaftliche Hilfsmittel, die zur Information und Beratung der zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen über Arzneimittel erforderlich sind, 4. Texte der für den Apothekenbetrieb maßgeblichen Rechtsvorschriften.«
Diese können auch auf elektronischen Datenträgern verfügbar sein. Mit der Streichung der Titel von Einzelwerken will die Bundesregierung es nun den Apothekern überlassen, selbst zu entscheiden, welche Literatur sie sich anschaffen. Tatsächlich sollten die Unterschiede zur bisherigen Literaturauswahl gering sein.
Keine generelle QM-Pflicht
Das Qualitätsmanagement hat unter den Apothekern Befürworter und Gegner. Dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Eine generelle QM-Verpflichtung ist im Referentenentwurf nicht vorgesehen. Apotheken, die Defekturarzneimittel herstellen, müssen es haben, ebenso Apotheken, die maschinell verblistern oder patientenindividuelle parenterale Arzneimittel herstellen. Das für diese Apotheken vorgeschriebene Qualitätsmanagement muss laut Referentenentwurf gewährleisten, dass Arzneimittel nach dem Stand von Wissenschaft und Technik hergestellt, geprüft und gelagert sowie Verwechslungen vermieden werden. Der Apothekenleiter muss das QM einerseits regelmäßig selbst überprüfen, andererseits aber auch an externen Qualitätsprüfungen teilnehmen.
Barrierefreie Apotheken
Bei den Anforderungen an die Betriebsräume halten sich die Neuerungen in Grenzen. So bleibt es auch bei der Mindestgröße von 110 Quadratmetern. Neu ist, dass die Apotheke barrierefrei erreichbar sein soll und eine vertrauliche Beratung dort gewahrt werden muss, wo Arzneimittel abgegeben werden. Nur ein wenig umformuliert wurde die Vorgabe, die Offizin so zu gestalten, »dass der Eindruck einer Apotheke gewahrt wird und für die dort ausgeübten wesentlichen Aufgaben, insbesondere der Beratung von Kunden, genügend Raum bleibt«.
Damit ist auch das Meiste gesagt, was die Sortimentsgestaltung öffentlicher Apotheken angeht. Die im Entwurf aus dem vergangenen Jahr heftig diskutierten Beschränkungen im Freiwahlangebot finden sich im aktuellen Papier nicht wieder. Den Paragrafen 25 a, in dem bislang apothekenübliche Waren definiert wurden, hat das BMG gestrichen. Jetzt klärt Paragraf 1a, Satz 10: »Apothekenübliche Waren sind Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern, Mittel zur Körperpflege, Prüfmittel, Chemikalien, Reagenzien, Laborbedarf, Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmittel sowie Mittel zur Aufzucht von Tieren.« Abgesehen von den Mitteln zur Körperpflege ist die Liste unverändert geblieben.
Beratung im Fokus
Während die Novelle für die Lagerung von Arzneimitteln zur Versorgung von Krankenhäusern einen eigenen Raum vorschreibt, kann der Rezepturarbeitsplatz in einem dafür geeigneten Bereich der übrigen Apothekenräume eingerichtet werden.
Laut der neuen Betriebsordnung soll der Apotheker den Kunden direkt fragen, ob er eine Beratung benötigt.
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Die Beratung hat im Entwurf zur neuen Apothekenbetriebsordnung einen erfreulich hohen Stellenwert. »Bei der Abgabe von Arzneimitteln an einen Kunden ist dessen Informations- und Beratungsbedarf durch Nachfrage festzustellen und eine Beratung anzubieten. Der Kunde soll dabei aktiv in das Gespräch eingebunden werden, damit der Apotheker dessen Informations- und Beratungsbedarf erkennen und auf seine individuellen Bedürfnisse eingehen kann.« Dies schließe ein, dass zum Beispiel überprüft werden muss, ob der Patient die Beratung in deutscher Sprache verstehen kann, heißt es im Kommentar zu diesem Paragrafen. Die Beratung muss auch alle notwendigen Informationen über die sachgerechte Anwendung des Arzneimittels enthalten. Außerdem müssen den Patienten mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen und die sachgerechte Lagerung des Arzneimittels erklärt werden.
Erfreulich ist auch, dass das Ministerium von der ursprünglich geplanten Freigabe der Rezeptsammelstellen abgerückt ist. Diese werden weiterhin nach einer Bedarfsprüfung genehmigt. Weggefallen ist auch der zweite Teil der »Lex Cobox«. Videoboxen werden nun nicht als externer Raum einer Betriebsstätte angesehen. Nach der Insolvenz der Cobox AG hat dies aktuell keine große Bedeutung. Potenzielle Nachahmer des gescheiterten Konzepts wird dies aber abschrecken.
Die auch von der Bundesregierung kritisch beäugten Pick-up-Stellen kommen in dem Verordnungsentwurf nicht vor. Die ABDA hatte der Koalition vor gut zwei Wochen einen Vorschlag unterbreitet, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Danach soll es für Pick-up-Stellen einen Genehmigungsvorbehalt mit Bedarfsprüfung geben. Die umstrittenen Medikamentenabholstellen dürften nur dann genehmigt werden, wenn es einen tatsächlichen Bedarf für sie gibt. Politiker von Union und FDP hatten auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf am 8. Oktober zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Das Resultat dieser Prüfung scheint im Ministerium nicht angekommen zu sein.
Länder müssen zustimmen
Die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen werden den Referentenentwurf in den nächsten Tagen und Wochen zunächst intern diskutieren. Die abgestimmten Positionen werden dann an das BMG kommuniziert. Bis zum 18. November haben Kammern und Verbände dafür Zeit. Der Referentenentwurf sei »eine solide Basis, auf der wir mit dem Bundesgesundheitsministerium konstruktive Gespräche führen werden«, sagte Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA. »Für detaillierte inhaltliche Stellungnahmen ist es aber noch zu früh.«
Anschließend müssen die Bundesländer über den Verordnungsentwurf beraten. Von dort gab es einige kritische Anmerkungen zu den beiden inoffiziellen Entwürfen aus dem vergangenen Jahr. Die Kritik richtete sich dabei auch gegen die unterschiedlichen Anforderungen an Hauptapotheken und Filialapotheken. Es bleibt deshalb offen, ob die Bundesländer der Verordnung ohne nennenswerte Änderungen zustimmen. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung ist nicht vor dem Frühsommer 2012 zu rechnen. /