»Wir fordern Vergütungsgerechtigkeit« |
16.10.2012 18:13 Uhr |
Die Erhöhung der Packungspauschale und die neue Notdienstvergütung reichen nicht aus, um den Apotheken ein wirtschaftliches Arbeiten zu ermöglichen. Daher fordern die Apotheker weitere Maßnahmen. Sonst könnten neue Proteste die Folge sein.
Die zum 1. Januar 2013 von der Politik bewilligte Aufstockung des Packungshonorars um 25 Cent reicht nicht aus, um Vergütungsgerechtigkeit für die Apotheken zu schaffen. Daher forderte Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, bei der Auftaktpressekonferenz zum Deutschen Apothekertag in München weitere Maßnahmen von der Politik. »Erste Schritte in die richtige Richtung einer Verbesserung der Situation sind gemacht«, sagte Wolf im Hinblick auf die Zusage der Regierung für eine Erhöhung der Nacht- und Notdienstpauschale. »Aber kurzfristige Maßnahmen als Reaktion auf politischen Druck reichen nicht aus.«
Die Auftaktpressekonferenz fand im Presseclub München statt. Sie stand unter dem Motto »Apothekenhonorar 2013: Arzneimittelversorgung in Gefahr?«
Derzeit würden die Apotheker sich selbst ausbeuten. Seit neun Jahren habe es keine realen wirtschaftlichen Verbesserungen gegeben. »Die jetzt vorgesehenen Verbesserungen reichen nicht hin und nicht her«, kritisierte Wolf. »Wir fordern Vergütungsgerechtigkeit.« Ein wohnortnahes Netz unabhängiger Apotheken sei kein Luxus, sondern »etwas, das wir uns leisten müssen«.
Honorar von 2004, Kosten von 2012
Derzeit geht pro Werktag in einer deutschen Apotheke für immer das Licht aus. Auf dieses Apothekensterben wies Karl-Heinz Resch, Geschäftsführer »Wirtschaft, Soziales und Verträge« der ABDA hin. Für das Jahresende werde der niedrigste Stand an Betriebserlaubnissen seit 1994 prognostiziert. Die Gesamtzahl an Apotheken wird dann vermutlich erstmals wieder unter 21 000 liegen. Resch macht dafür vor allem die seit 2004 nicht mehr angepasste Honorierung verantwortlich.
Der ABDA-Geschäftsführer stellte klar, dass die Grundsystematik der Arzneimittelpreisverordnung, also die vom Arzneimittelpreis weitgehend unabhängige Honorierung der apothekerlichen Leistungen, stimmig ist. Nur die Höhe der Vergütung sei es heute nicht mehr. Um Vergütungsgerechtigkeit herzustellen, seien betriebswirtschaftlich 624 Millionen Euro pro Jahr notwendig. Resch betonte, dass die jetzt genehmigte Anhebung des Fixzuschlags um 25 Cent von 8,10 Euro auf 8,35 Euro einer Anhebung von nur 3,1 Prozent nach neun Jahren entspricht. Auf ein Jahr gerechnet sind das lediglich 0,3 Prozent.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf bei der Auftaktpressekonferenz in München
Resch machte klar, dass diese Anhebung die Einkommenslücke nicht annähernd schließen wird. Sie bringt den Apotheken 190 Millionen Euro. Selbst nach versprochenen Gewährung der Not- und Nachtdienstpauschale in der Höhe von insgesamt 120 Million Euro pro Jahr, fehlen den Apotheken noch 314 Millionen Euro pro Jahr.
An der Forderung nach einer Anpassung von insgesamt 624 Millionen Euro halten die Apotheker aber weiterhin fest, sagte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV). »Für eine faire Vergütung haben wir einen weiteren Anpassungsbedarf von 50 Cent pro Packung.« Außerdem forderten die Apothekenvertreter, das Packungshonorar in Zukunft jährlich anzupassen.
Schon in dieser Woche stehen Resch zufolge weitere Gespräche mit Politik und Krankenkassen an. Mit dem Bundesgesundheitsministerium werde man zum Beispiel besprechen, wie die Nacht- und Notdienstpauschale am effektivsten und besten umzusetzen ist.
Die Apotheke – ein Selbstbedienungsladen für die Politik? Heinz-Günter Wolf und Fritz Becker kritisieren die zahlreichen Opfer, die die Apotheker in den vergangenen Jahren erbringen mussten und fordern eine faire Vergütung.
Mit dem GKV-Spitzenverband wird der DAV am 17. Oktober in einer ersten Runde über den in 2013 zu gewährenden Apothekenabschlag verhandeln. Dieser liegt derzeit noch bei 2,05 Euro, weil dies die Bundesregierung im AMNOG so beschlossen hatte. Beschlossen war aber auch, dass dieses Sonderopfer mit dem Jahr 2012 endet. Dies bedeute zwangsläufig, dass die Verhandlungen für den Abschlag 2013 wieder bei 1,75 Euro beginnen müssten.
Bestätigt sieht sich Becker in dieser Auffassung durch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und den stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU). Bei den Gesprächen mit dem GKV-Spitzenverband müssten zudem die deutlich schlechteren Einkaufskonditionen der Apotheker und die aus den Rabattverträgen resultierenden Mehraufwendungen berücksichtigt werden.
Wolf rechnet damit, dass bei einem negativen Verlauf der Abschlagsverhandlungen die Geduld der Apotheker ein Ende haben wird. Zu angespannt sei die wirtschaftliche Lage der Branche. »Die Apotheker sind zu allem bereit«, sagte Wolf auf die Frage, ob ein flächendeckender Apothekenstreik zu befürchten sei. Nun komme es auf die nächsten Schritte von Politik und Krankenkassen an. »Wir werden jedoch nichts organisieren, worunter die Patienten leiden müssen«, versicherte der ABDA-Präsident. Totalschließungen werde es nicht geben. Die Bevölkerung habe jedoch Verständnis, wenn Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit eingeschränkt werden. /
Abgerechnet wird am Schluss
Mit der bislang erreichten Honoraranpassung können die Apotheker nicht zufrieden sein. Daran dürfte es kaum Zweifel geben. Der Schlussstrich unter die Bilanz des Jahres 2012 ist auch noch nicht gezogen.
ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf und DAV-Vorsitzender Fritz Becker ließen keinen Zweifel daran, dass der Kampf um eine faire Vergütung noch nicht beendet ist. Zwei Schritte – die Honoraranpassung und die Einführung einer Notdienstpauschale – seien gemacht, zwei weitere – die Verhandlungen zum Kassenabschlag und die Festschreibung der Honoraranpassung – stehen noch aus. Besonders große Hoffnung setzt die ABDA-Spitze dabei auf den Kassenabschlag.
Daran wird sich zeigen, wie das nächste Jahr für die Apotheker tatsächlich laufen wird. 50 Cent mehr pro Packung reichten aus, die Honoraranpassung auf die ursprünglich geforderten 624 Millionen Euro zu bringen, rechnete Becker vor. Würden bei den Abschlagsverhandlungen die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt, wäre dieses Ziel zu erreichen. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Dazu hängen die Kassen zu sehr an ihrem Geld.
Daniel Rücker
Chefredakteur