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Nobelpreis

Vesikeltransport enträtselt

08.10.2013  17:46 Uhr

Von Iris Hinneburg / Der Nobelpreis für Medizin oder Physiologie geht in diesem Jahr an drei Zellphysiologen: Randy Schekman, James Rothman und Thomas Südhof wurden für ihre Erkenntnisse zu Transportprozessen in Zellen ausgezeichnet.

Die richtige Ladung zur richtigen Zeit am richtigen Ort – diese Anforderung wird nicht nur an den Güterverkehr gestellt. Auch für die Funktion einer Zelle ist es wichtig, dass bestimmte Moleküle an die richtige Stelle transportiert werden. Schekman, Rothman und Südhof, die an Universitäten in den USA lehren und forschen, haben eine Reihe von Mechanismen identifiziert, mit denen Zellen die logistische Meisterleistung vollbringen.

Transport in Vesikeln

 

Zellmembranen schützen eukaryo­tische Zellen vor Umwelteinflüssen und gliedern das Zellinnere in einzelne Kompartimente. Das hat für die Zelle viele Vorteile. Für den zielgerichteten Transport und die Abgabe von Molekülen nach außen bilden die Membranen aber Hindernisse.

 

Die Zelle löst das Problem mithilfe von Vesikeln. Die membranumhüllten Bläschen befördern Moleküle zielgerichtet in einzelne Kompartimente. Die Vesikel können auch mit der äußeren Zellmembran verschmelzen und dabei ihren Inhalt an die Umgebung abgeben. Solche Vorgänge spielen etwa eine Rolle, wenn Zellen Neurotransmitter oder Hormone freisetzen. Wie die Vesikel erkennen, an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt sie ihren Inhalt entladen sollen, war lange Zeit unbekannt.

 

Die drei geehrten Wissenschaftler haben wesentliche Mechanismen entschlüsselt, die an der zielgerichteten Beförderung von Substanzen in der Zelle beteiligt sind. Randy Shekman entdeckte in Hefezellen drei Klassen von Genen, die Transportprozesse innerhalb der Zelle und an die Zelloberfläche steuern. Bei Mutationen in diesen Genen versagen die Mechanismen, Moleküle reichern sich in bestimmten Teilen der Zelle an.

 

James Rothman studierte den Vesikeltransport in Säugetierzellen. Er fand heraus, dass ein Proteinkomplex dafür verantwortlich ist, dass Vesikel an der Zellmembran andocken und mit ihr verschmelzen. Da die verschiedenen Vesikel an ihrer Oberfläche mit unterschiedlichen Proteinen versehen sind, kann die Zelle durch Ausbildung passgenauer Bindungsproteine an den Zellmembranen genau den Ort bestimmen, den das Vesikel ansteuern soll. Dieses Prinzip wird sowohl beim intrazellulären Transport als auch bei der Freisetzung von Molekülen nach außen angewendet. Rothman und Shekman konnten nachweisen, dass sich die beteiligten Proteine bei Hefen und Säugetierzellen funktionell ähneln. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass der Mechanismus der Vesikelfusion in Teilen bereits sehr früh in der Entwicklungsgeschichte entstanden sein muss.

Südhof stammt aus Deutschland, er hat in Göttingen studiert und promoviert. Der Wissenschaftler untersuchte anhand von Nervenzellen, wie Vesikel Neurotransmitter genau zum richtigen Zeitpunkt freisetzen können. Er identifizierte Proteine, die nach der Bindung an Calciumionen mit den Phospholipiden der Zellmembran interagieren. Erst durch diese Reaktion können die Vesikel mit der Membran verschmelzen und ihren Inhalt abgeben.

 

Bisher keine therapeutische Anwendung

 

Für die Behandlung von Krankheiten werden die Erkenntnisse der drei Forscher bisher nicht genutzt. Die Grundlagenergebnisse helfen aber dabei, verschiedene Erkrankungen besser zu verstehen. So weiß man heute etwa, dass das Tetanus-Toxin die Regulation des Vesikeltransports in inhibitorischen Neuronen des Rückenmarks stört. Dadurch entstehen die typischen spastischen Lähmungen. Auch bei immunologischen Erkrankungen und Stoffwechselstörungen, beispielsweise Typ-2-Diabetes, spielen Störungen des Vesikeltransports eine wichtige Rolle. Nach dem Urteil des Nobel- Komitees haben die Erkenntnisse der drei Preisträger zu einem Paradigmenwechsel geführt und das Verständnis dieser wichtigen Zellfunktion fundamental verändert. /

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