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Zytostatika-Ausschreibungen

Der Bundestag will es wissen

05.10.2016  09:02 Uhr

Von Ev Tebroke / Im schwelenden Konflikt zwischen Apotheken und Krankenkassen aufgrund der Ausschreibungen von Zyto­statika scheint eine gesetzliche Lösung immer wahrscheinlicher: Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat nun Experten zum Gespräch geladen. Derweil ist die nächste Großausschreibung ­bereits gestartet.

Der Bundestag hat sich in den Streit zwischen Krankenkassen und Apothekern um die Ausschreibung von parenteralen Zubereitungen eingeschaltet: Am 19. Oktober plant der Gesundheitsausschuss nach eigenen Angaben ein Expertengespräch zum Thema. Es ist daher davon auszugehen, dass die Politik tatsächlich eine gesetzliche Korrektur der aktuellen Ausschreibungspraxis einiger Kassen im Zytostatikabereich beabsichtigt. Zuletzt hatte die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) gefordert, das Pharmagesetz zu nutzen, um eine für alle Seiten tragbare und nachhaltige Lösung des Konflikts herbeizuführen.

Zurzeit stehen zwei Lösungswege zur Diskussion. So wäre einerseits eine Nachbesserung der Hilfstaxe möglich. Hier hatten der Deutsche Apothekerverband und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung zuletzt über mögliche Rabatte bei der Herstellung von Zytostatika etwa in Höhe von 150 Millionen Euro diskutiert. Im Gegenzug für diesen Preisnachlass sollten weitere Ausschreibungen ausbleiben. Bislang haben Apotheker und Kassen hier zu keiner Einigung gefunden, die Fronten galten zuletzt als verhärtet. Dem Vernehmen nach werden die Gespräche aber nach wie vor fortgeführt.

 

Der zweite Lösungsansatz verfolgt eine Ausschreibung der Wirkstoffe zur Herstellung von Zytostatika und richtet sich somit direkt an die Hersteller. Diese Variante hatte der Arzneimittelexperte der Union, Michael Hennrich (CDU), zur Diskussion gestellt. Im Gegensatz zum ersten Ansatz wäre hier die freie Apothekenwahl des Patienten nicht tangiert. Zudem blieben die apothekerlichen Honorare unangetastet.

 

Hintergrund des Streits ist die fortschreitende Praxis einiger Krankenkassen, allen voran die AOK, die Versorgung mit Zytostatika exklusiv und europaweit auszuschreiben. Aus Sicht der Zytostatika herstellenden Apotheker gefährdet diese Praxis hierzulande die Versorgungsstruktur für diese Krebsmedikamente. Denn bei der Zubereitung von Zytostatika können öffentliche Apotheken mittelfristig nicht mit Angeboten großer Herstellerbetriebe mithalten. Es drohe die Gefahr einer Oligopolisierung, so die Befürchtung der Apotheker.

 

Die ABDA hatte diesbezüglich bereits an den Gesetzgeber appelliert, diese Art der Ausschreibungen mit dem geplanten Pharmagesetz zu verbieten. Die Bundesvereinigung sieht die flächendeckende Versorgung der Patienten in Gefahr. Im Falle der patientenindividuellen Versorgung förderten Ausschreibungen die Gefahr gravierender Einbußen im Versorgungsniveau und steigender Kosten, wenn nur noch wenige Anbieter den Markt beherrschen, so die ABDA in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

 

Vier weitere Kassen

 

Die Zeit für eine klare Regelung drängt, denn immer mehr Kassen springen auf den Zug auf und setzen bei der Versorgung mit Zytostatika auf exklusive Rabattverträge. Neben vielen AOKen und der DAK haben vergangenen Freitag vier weitere Kassen gemeinsam ein entsprechendes bundesweites Ausschreibungsverfahren gestartet. Knapp ein Viertel des bundesweiten Gesamtmarkts für parenterale Zubereitungen kommt somit neu unter Rabattvertrag. Dabei handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Barmer GEK, Techniker Krankenkasse, Deutsche Betriebskrankenkasse und Kaufmännische Krankenkassen, wie ein Sprecher der Barmer auf Anfrage der Pharmazeutischen Zeitung erklärte. Der Marktanteil dieser Kassen bei der Nachfrage nach parenteralen Zubereitungen beläuft sich demnach auf rund 22 Prozent des Gesamtmarkts.

 

Dem Vernehmen nach rechnen die Kassen durch die Rabattverträge mit einem Einsparpotenzial von rund 20 Prozent. Die Zuschläge für die Exklusivverträge sollen laut Barmer-Sprecher im Dezember erfolgen. Die Verträge über insgesamt 246 Gebietslose sollen ab Februar 2017 für drei Jahre gelten. Die Vertragspartner hätten aber jeweils die Möglichkeit, entweder nach 12 Monaten oder nach 24 Monaten zu kündigen.

 

Kritik berücksichtigt

 

»Wir haben uns die anderen Ausschreibungen genau angeschaut und kennen die Kritikpunkte«, betonte der Sprecher. Mit Blick auf die andauernde Diskussion über Konsequenzen und Nachteile der Ausschreibungspraxis für die flächendeckenden Versorgungsstrukturen seien die Verträge nun dermaßen gestaltet, dass bisherige Kritikpunkte entkräftet würden. So bedienen die Lose kleine Gebiete und eine Apotheke kann sich dabei maximal auf vier Lose bewerben. Auch dürfen Apotheken pro Los nicht mehr als zehn Besteller, wie etwa onkologische Praxen, bedienen. Dies soll einer vor allem seitens der Zytostatika herstellenden Apotheken befürchteten Oligopolisierung vorbeugen – und auch das Problem der Lieferengpässe ausschließen. Um bei Ad-Hoc-Bestellungen eine zeitnahe Lieferung zu garantieren, müssen sich die Vertragspartner verpflichten, innerhalb von zwei Stunden nach Bestellung geliefert zu haben. Die Ausschreibung soll in diesen Tagen im europäischen Amtsblatt erscheinen. /

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