Zehn Jahre im Netz |
19.10.2006 17:01 Uhr |
Zehn Jahre im Netz
Von Daniel Rücker
Der Aufstieg des Internets hat bei Apothekern nicht nur Begeisterung ausgelöst. Es wurde zur Plattform für ausländische Arzneimittelversender und gefälschte Arzneimittel. Aber es gibt auch viele sinnvolle, praktische und informative Angebote: zum Beispiel PZ-online. Der Internetauftritt der Pharmazeutischen Zeitung feierte am 2. Oktober seinen zehnten Geburtstag.
Im Oktober 1996 erblickte PZ-online als erste pharmazeutische Online-Fachzeitschrift das Licht der Welt. Da damals nur wenige Apotheker einen eigenen Internetanschluss hatten, präsentierte die Pharmazeutische Zeitung ihr jüngstes Kind der Berufsöffentlichkeit erstmals wenige Tage später während der Expopharm in Leipzig. Es wäre unaufrichtig, die Reaktionen der Messebesucher als durchweg euphorisch zu bezeichnen.
Gleich von zwei Seiten gab es Kritik. Die Technikskeptiker hielten es für vollkommen unnötig, Zeitschriftentexte über den Computer zu lesen. Es beeindruckte sie auch wenig, dass die Artikel dort bereits am Mittwoch, also einen Tag früher als in der gedruckten PZ zu lesen waren.
Teufelswerk Bilder
Auf der anderen Seite standen die Technikfreaks, die das Internet als basisdemokratisches, anarchisches Konstrukt begriffen und dessen Kommerzialisierung, an der Medienunternehmen maßgeblich beteiligt waren, zutiefst ablehnten und sich in einem Akt der Selbstkasteiung durch einen Salat von Ascii-Zeichen quälten. Verdächtig war ihnen jeder, der sich bei der Gestaltung der Informationen um optische Gefälligkeit oder Lesbarkeit bemühte. Absolutes Teufelswerk waren für diese Gruppe Bilder jeder Art, die gemeinhin als »ladezeitfressende Gimmicks« bezeichnet wurden. Tatsächlich waren die Übertragungsraten im Internet damals auch noch so, dass ein sparsamer Einsatz von Bildern durchaus sinnvoll erschien.
Zur Fundamentalopposition gegen PZ-online gehörten damals die Teilnehmer von »Aponet«. So hieß damals ein von Apothekern gegründetes internes Diskussionsforum. Erst Jahre später stieg es unter der Regie der ABDA zum offiziellen Portal der Apotheker auf. Der Start von PZ-online war über Wochen eines der wichtigsten Diskussionsthemen im ersten Aponet. Die Diskustanten neigten allerdings mehrheitlich dazu, über die PZ statt mit ihr zu diskutieren.
Für den größten Teil der Menschheit spielte das Internet 1996 noch keine Rolle. Die großen Nachrichtenmagazine »Spiegel« und »Focus« waren gerade erst ins Netz gegangen, erste Radiosender warben mit den damals noch kryptischen Adressen »httpdoppelpunktdoppelslashwwwpunktblablablapunktde« für ihren Internetauftritt.
Internetgerechtes Schreiben
In Medienkreisen und vor allem außerhalb davon wurde damals intensiv über »internetgerechtes Schreiben« doziert, schwadroniert und diskutiert. Der Leser sollte sich aus einem Angebot miteinander verlinkter Texte und Textfragmente seinen eigenen Weg durch ein Thema bahnen. Es dauerte einige Jahre, bis die Menschen merkten, dass Texte nicht dem Medium, sondern dem Leser gerecht werden müssen und der hat seine physiologische Festplatte bis heute noch nicht auf die Hypertext-Markup-Language, also den Internetcode HTML umgestellt.
Erschwerend kam hinzu, dass die Internetaffinen ihre Mitmenschen mit damals völlig unbekannten Begriffen wie Link, Browser, Cache, POP, Server, Performance, Usability, Java-Script, IP-Adresse und so weiter langweilten bis überforderten. Das tat dem neuen Medium nicht gut.
Trotz der bescheidenen Zugriffszahlen der ersten Monate, im Dezember 1996 verzeichneten wir insgesamt 540 Visits auf unserer Homepage und 2749 Seitenaufrufe, wurde in Redaktion und Verlag die Entscheidung, ins Internet zu gehen, nie in Zweifel gezogen. Von Beginn an haben wir unseren Lesern Informationen angeboten, die über die Druckausgabe hinausgingen. Zu den ersten Angeboten von PZ-online gehörten neben einem Extrakt der Druckausgabe die Linkliste (Pharmazie im Web), jeden zweiten Tag aktuelle Nachrichten, die Inhaltsangaben der PZ-Beilagen sowie, als vermeintliche Höhepunkte, ein Diskussionsforum und ein Gewinnspiel, bei dem die Leser zu einem PZ-Cartoon möglichst originelle Unterzeilen verfassen sollten.
Neue Arzneistoffe dreidimensional
Das Angebot entwickelte sich schnell weiter, es wurde aus- und umgebaut. Zum Apothekertag 1997 in Düsseldorf präsentierten wir bereits ein Archiv, das Stichwortverzeichnis zur Druckausgabe und eine Übersicht über alle neuen Arzneistoffe. Den Kritikern der Kommerzialisierung des Internets lieferten wir auch neues Futter: Der PZ-Stellenmarkt kam ins Netz. Unsere endogen generierte Vermutung, auf dem richtigen Weg zu sein, wurde 1997 Stück für Stück auch von Zahlen untermauert. Im November 1997 verzeichnete PZ-online bereits 2288 Visits und 14.816 Seitenzugriffe. Damit waren die Zugriffe innerhalb von neun Monaten um fast 650 Prozent gestiegen. Die rasante Entwicklung machte uns natürlich selbstbewusster und so zitierte die PZ im Editorial zum ersten Geburtstag von PZ-online siegesgewiss den Buchautor Douglas Adams: »Wer das Internet nicht benutzen will, der kann es ja bleiben lassen. Aber es führt kein Weg daran vorbei, dass seine Kinder es tun.« Da hatte er unzweifelhaft Recht.
Bereits im nächsten Jahr nahm die Ökonomisierung von PZ-online Ausmaße an, die wohl die schlimmsten Befürchtungen der (in Zahl und Einfluss jetzt deutlich schwindenden) Internetgegner wahr werden ließ: PZ-online bekam nicht nur nach gerade einmal 19 Monaten ein zeitgemäßes Aussehen und wurde durch zahlreiche neue Angebote erweitert, die Redaktion scheute auch nicht davor zurück, ihre Website für Anzeigenkunden zu öffnen. Den Startschuss machte hier der Apothekeneinrichter TH. Kohl. Die Umsätze waren überschaubar. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Ebenfalls neu auf der Homepage war, als Speerspitze der Modernität, eine Javascript-Tickerzeile mit den Überschriften der nun täglich aktualisierten Nachrichten. Ein neues Angebot, das ganz maßgeblich mitverantwortlich war für den weiteren Anstieg der Zugriffszahlen, waren die Meldungen der Arzneimittelkommission, die in PZ-online seit Mai 1998 schon dienstags zur Verfügung stehen.
Schweren Herzens haben wir im Gegenzug auf unsere interaktiven Angebote verzichtet. Weder das Cartoon-Gewinnspiel noch unsere Diskussionsforen zu unterschiedlichen Themen konnten bei Lichte besehen als Erfolg bezeichnet werden. Es kristallisierte sich schnell heraus, dass Apotheker nicht PZ-online aufrufen, um sich zu amüsieren oder zu unterhalten. Sie wollen Informationen, möglichst kompakt und möglichst einfach zu finden. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Die nächste deutliche Veränderung von PZ-online erfolgte im Jahr 2000. Die Homepage wurde komplett neu gestaltet und auch die darunter liegenden Seiten erhielten ein neues Layout. Auch das Angebot wurde kontinuierlich erweitert. Zu den größten Attraktionen gehörten dabei die Rezepturhinweise des NRF sowie die dreidimensionalen Strukturformeln, die die neuen Arzneistoffe veranschaulichen sollen. Die Zugriffszahlen lagen im Oktober 2000 bei rund 140.000 und waren somit seit 1996 um das 25-fache gestiegen.
In den nachfolgenden Jahren hat die Redaktion das Angebot von PZ-online stetig weiterentwickelt. Besonders erfolgreiche neue Rubriken waren dabei die saisonalen Pollenfluginformationen, der Marktkompass und die TV-Tipps. Mittlerweile ist es uns doch noch gelungen ein unterhaltendes Angebot einzuführen, das sich bei unseren Lesern großer Beliebtheit erfreut. Die Sommer- und Weihnachtsrätsel haben sich in den vergangenen Jahren eine nicht unerhebliche Fangemeinde erschlossen.
Mehr als 530.000 Seitenabrufe
In den vergangen Jahren hat die Pharmazeutische Zeitung nicht nur ihr Angebot ausgebaut, sondern parallel neue Websites entwickelt. Seit 2001 stellt das PTA-Forum online eine wichtige Anlaufstelle für pharmazeutisch-technische Assistentinnen im Internet dar. Im darauf folgenden Jahr starteten wir mit der PZ-Akademie online die erste zertifizierte Online-Fortbildung für Pharmazeuten. Heute hat die PZ-Akademie mehr als 1300 Teilnehmer, die in jährlich zehn Lektionen ebenso viele Fortbildungspunkte sammeln können.
Nach zehn Jahren ist PZ-online bei rund 530.000 IVW-gezählten Seitenabrufen pro Monat angekommen. Die Steigerungsraten haben sich natürlich in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. Der Trend zeigt aber weiter nach oben. Die Prognosen aus den neunziger Jahren, wonach das Internet bald Zeitungen und Zeitschriften ersetzt, haben sich zum Glück nicht bewahrheitet. Als Medium ist es aber heute vollkommen unumstritten. Eine Zeitschrift ohne Website ist heute undenkbar.
Wohin der Zug nun weiter fährt, wissen auch wir nicht genau. Sicher sind wir uns, dass unsere Entscheidung vor zehn Jahren die richtige war. Die Internet-Turbulenzen um den Jahrtausendwechsel haben uns auch in unserer Zurückhaltung bestätigt, nicht jeden Trend mitzugehen und schon gar nicht an der Spitze.
Auch in Zukunft werden uns Apotheker daran messen, wie schnell, verständlich und umfassend wir sie informieren. Die PZ-Redaktion sieht PZ-online als journalistisches Angebot, nicht als Sammelsurium technischer Kabinettstückchen.