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Alzheimer-Prävention

Hauptsache aktiv

27.09.2017  10:50 Uhr

Von Christina Hohmann-Jeddi, Frankfurt am Main / Spazieren gehen, Freunde treffen, Musik machen: Alzheimer-Prävention ist recht angenehm. Was körperliche Aktivität, die richtige Ernährung und Hobbys bewirken können, um die geistigen Kräfte zu erhalten, berichteten Experten auf einer Veranstaltung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Weltweit leben etwa 36 Millionen Menschen mit Morbus Alzheimer, in Deutschland sind es etwa 1,2 Millionen. Das berichtete Professor Dr. Johannes Pantel, Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin an der Universität Frankfurt, auf der von der Alzheimer Forschung Initiative (AFI) ausgerichteten Veranstaltung. Der Hauptrisikofaktor, die neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln, ist bekanntermaßen das Alter. »Von den Personen, die ein Alter von 65 Jahren erreicht haben, entwickelt im weiteren Verlauf etwa jede zweite Frau und jeder dritte Mann, eine Demenz.« In mehr als der Hälfte der Fälle ist dies eine Alzheimer-Erkrankung.

 

Alter und Geschlecht sind als Risikofaktoren nicht zu beeinflussen. Andere sind es aber durchaus, darunter Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Depression und erhöhter Cholesterinspiegel, aber auch körperliche Inaktivität, ungesunde Ernährung, Rauchen und soziale Isolation. »Gegen einige dieser Risikofaktoren ist Sport wirksam«, so Pantel.

Sport als Medizin

 

Körperliche Aktivität habe eine besondere Bedeutung in der Demenzprävention. Das zeigten Beobachtungsstudien. Sie erhöht die Kognition und das Gedächtnis nachweislich. »Sport steigert die Durchblutung des Gehirns, allerdings nur während der körperlichen Aktivität«, sagte der Mediziner. Dies reiche daher als Erklärung für den Effekt nicht aus. Aber es habe sich gezeigt, dass durch Bewegung auch verschiedene Neurotransmitter wie Serotonin und Acetylcholin sowie Neurotropine wie die Wachstumsfaktoren BDNF und IGF1 hochreguliert werden. Einzelne Studien zeigten auch, dass sich die Konnektivität, also die Vernetzung der Nervenzellen untereinander, verbessert und das Hirnvolumen zunimmt.

 

Sport sei als Demenzprävention demnach zweifach wirksam. Zum einen indirekt, indem er kardiovaskuläre Risikofaktoren senkt. »Alles, was gut für das Herz ist, ist auch gut für das Gehirn«, fasste Pantel zusammen. Zum anderen wirkt körperliche Aktivität direkt auf das Gehirn, indem sie dort die Neubildung von Nervenzellen, Synapsen und Blutgefäßen steigert.

 

Dass Bewegung tatsächlich präventiv wirkt, belegen Untersuchungen mit Alzheimer-Modellmäusen, die genetisch so verändert sind, dass sie eine erhebliche Amyloid-Last, ein wesentliches Kennzeichen von Alzheimer, aufweisen und kognitive Defizite entwickeln. In einer Untersuchung wurden Gruppen der genetisch identischen Mäuse unter unterschiedlichen Bedingungen gehalten: in normaler Umgebung, in anregender Umgebung (mit Spielzeug) oder in anregender Umgebung plus Laufradtraining. Tiere in der letzten Gruppe entwickelten deutlich weniger Amyloid-Ablagerungen und zeigten zudem eine höhere Transkription von Genen, die mit Lernen, Vaskulogenese und Neurogenese assoziiert sind (»Cell« 2005, DOI: 10.1016/j.cell.2005.01.015). Eine weitere Untersuchungen mit einem Rattenmodell zeigte, dass durch intensives Laufradtraining die kognitiven Fähigkeiten von Tieren mit Amyloid-Pathologie fast auf dem Level von gesunden Tieren gehalten werden konnten (»Current Alzheimer Research« 2013, DOI: 10.2174/1567205011310050006).

 

Tierversuche geben Hinweise auf einen präventiven Effekt, belegen lässt sich dieser aber nur durch Interventionsstudien. Eine solche Untersuchung ist die sogenannte Finger-Studie aus Finnland, an der 1260 Probanden teilgenommen hatten. Von diesen absolvierte die Hälfte ein Programm aus Ausdauer- und Krafttraining, Ernährungsumstellung und kognitivem Training, die andere Hälfte wurde über eine gesunde Lebensweise aufgeklärt. »Es zeigte sich, dass durch die Umstellung der Lebensweise und das Training die kognitiven Fähigkeiten erhalten werden konnten«, so Pantel.

 

Er empfahl, regelmäßig am besten 150 Minuten pro Woche Sport zu treiben. »Die Intensität sollte moderat sein, man sollte sich nicht überfordern«, so der Experte. Im Zweifelsfall sollte vor Einstieg in ein Training mit dem Hausarzt besprochen werden, welche Sportart geeignet ist. Am besten untersucht sei der Effekt von Ausdauertraining, aber Krafttraining sei auch wirksam.

 

Essen gegen das Vergessen

Dass auch die Ernährung einen gewissen Einfluss auf das Alzheimer-Risiko hat, berichtete Professor Dr. Gunter Eckert von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Als schützend hat sich die sogenannte Mittelmeer-Diät herausgestellt. Diese Mischkost enthält viel Obst, Gemüse, Fisch, Nüsse und Pflanzenöle und wenig Milchprodukte, Zucker und rotes Fleisch. Eine Reihe von Studien zeigt, dass diese Ernährungsweise das Alzheimer-Risiko senkt, berichtete der Mediziner. Ein Review aus dem Jahr 2016 belege dies (»Frontiers in Nutrition«, DOI: 10.3389/fnut.2016.00022).

 

Eine besondere Rolle dabei scheinen Polyphenole zu spielen. Sie kommen vor allem in farbintensiven Früchten wie Blaubeeren oder Trauben, in Curcuma, grünem Tee und in Ginkgo vor. Die Pflanzeninhaltsstoffe haben eine antiinflammatorische und antioxidative Wirkung und können die Entzündung im Gehirn reduzieren, die neben der Amyloid- und τ-Protein-Anreicherung ein Kennzeichen der Alzheimer-Pathologie ist. Auch Wein, vor allem Rotwein, enthält Polyphenole, weshalb ein möglicher Schutzeffekt eines moderaten Konsums diskutiert wird. »Wer nicht trinkt, sollte aber aus diesem Grund nicht damit anfangen«, so Eckert.

 

Ebenfalls antientzündlich wirkt Reiskleie, wie die Arbeitsgruppe um Eckert sowohl in zellulären als auch in Maus-Testsystemen zeigen konnte. Die enthaltenen Phytosterole und Vitamin E hemmen proinflammatorische Signalwege und scheinen die Mitochondrienfunktion zu verbessern (»NeuroMolecular Medicine« 2016, DOI: 10.1007/s12017-016-8420-z). Bei alternden Mäusen konnte die Gabe von Reiskleie-Extrakt die motorische Aktivität und die kognitiven Fähigkeiten verbessern. Aufgrund dieser Erkenntnisse hat die Arbeitsgruppe ein funktionelles Lebensmittel zur Demenzprävention entwickelt: PorridgePlus, eine Mischung aus Reiskleie und getrockneten Blaubeeren, die mit Milch oder Wasser anzurühren ist, soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Hafer- und Weizenkleie hätten ebenfalls einen präventiven, wenn auch schwächeren Effekt, so Eckert.

 

Aktiv und gesellig

 

Neben einer gesunden Ernährung und körperlicher Aktivität spielt die geistige Aktivität eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Prävention. »Kognitiv stimulierende Freizeitaktivitäten senken das Risiko«, berichtete Dr. Valentina Tesky von der Universität Frankfurt. Zu den klassischen gehören Lesen, Schachspielen, Weiterbildungen etwa an der Fachhochschule, Musizieren oder das Erlernen einer Fremdsprache. Es gibt aber auch produktive, stimulierende Beschäftigungen wie Kochen, Nähen, Stricken, Malen oder Gartenarbeit. »Die Aktivitäten sollen vor allem Freude machen, ein wenig anstrengen, aber nicht überfordern.« Wenig effektiv seien dagegen Kreuzworträtsel und Gehirnjogging-Programme, da sie zu wenig fordern und zu einseitig sind. Ein wichtiger Aspekt sei auch die soziale Einbindung, berichtete Tesky. Studien zeigen, dass das Ausscheiden aus sozialen Kontakten ein Risikofaktor für kognitive Beeinträchtigungen sei. Ein Plausch mit der Nachbarin oder ein Treffen mit Freunden sei daher aktive Alzheimerprävention, sagte Tesky. /

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