Pharmazeutische Zeitung online
Politische Diskussion

Die große Einigkeit

20.09.2017  10:26 Uhr

Seit fast einem Jahr kämpfen die Apotheker für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland. Das folgenschwere Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom vergangenen Oktober war natürlich auch Thema beim Apotheker­tag in Düsseldorf. Aber auch die künftige Rolle des Apothekers stand dort auf der Agenda.

Die lange und ergebnislose Diskussion innerhalb der Bundesregierung über ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel ist eines der zentralen Themen beim Apothekertag. Auf dem Podium in der Messe Düsseldorf debattierten Maria Michalk (CDU), gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, ihre Kollegin Kathrin Vogler von der Linkspartei sowie Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, und Cynthia Milz vom geschäftsführenden ABDA-Vorstand über das von den Apothekern vehement geforderte Verbot.

 

»Es war eine unwürdig lange Diskussion«, kritisierte Michalk in Richtung des Koalitionspartners. »Wir waren ­jeden Tag bereit, das Thema auf die Tages­ordnung zu setzen. Allein an der SPD sei es gescheitert. »Dieses Nichtstun wird wahrgenommen und das geht gegen unser Anliegen einer sicheren Versorgung«, ergänzte Kiefer.

 

Milz bezeichnete das Bonussystem, mit dem ausländische Versender Rabatte auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren dürfen, als Gefahr für die Solidargemeinschaft sowie für die Existenz gerade kleinerer Apotheken. »Wenn die wegfallen, geht für viele Menschen auch ein Stück Lebensqualität verloren«, so Milz.

 

Rolle des Apothekers

Neben dem großen Thema Rx-­Versandverbot ging es auch um die zukünftige Rolle des Apothekers. Dabei soll auch die Vergütung apothekerlicher Leistungen auf neue Füße gestellt werden. »Apotheker haben in der Arzneimittelversorgung eine ganz wichtige Rolle. Das muss entsprechend honoriert werden«, forderte Kiefer. Zurzeit erarbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft ein entsprechendes Gutachten, anhand dessen deutlich werden soll, wie sich bislang die Vergütung der Apotheker gestaltet und an welchen Stellschrauben gedreht werden soll, beziehungswiese wie die Ver­gütung neu gestaltet werden kann.

»Wir müssen grundsätzlich über die Honorierung nachdenken«, sagte Vogler. Auch Michalk will die Apotheker­vergütung reformieren, um künftig Dienstleistungen wie Beratung, Medikationsplan und ähnliches entsprechend honorieren zu können. Zu den Ergebnissen des Gutachtens, das im Herbst vorliegen soll, konnte sie noch nichts sagen. Mit Blick auf die SPD-Bundeswirtschaftsministerin und deren kürzlichen Besuch beim Versender Doc Morris in den Niederlanden sagte sie: »Wenn Frau Zypries lieber zu Doc Morris fährt, anstatt ihre Arbeit zu machen, kann ich das leider nicht ändern.«

Künftig soll die Kompetenz des Apothekers im Bereich Prävention verstärkt zum Einsatz kommen. Da sind sich ­Vertreter von CDU/CSU und Linkspartei ­einig. Michalk sprach sich dafür aus, Apotheker bei der Präventionsarbeit besser einzubinden. Um in diesem ­Bereich der Gesundheitsvorsorge erfolgreich zu sein, müssten alle Gruppen zusammenarbeiten, wie etwa Betriebe, Apotheker, Ärzte, Krankenkassen, Schulen und Kitas. »Ich bin sehr dafür, dass die Apotheker da mitmachen«, sagte Michalk. Auch ihre Kollegin Vogler sieht die Apotheker bei diesem Thema gefragt. Sie kritisierte das zuletzt von Union und SPD verabschiedete ­Präventionsgesetz als nach wie vor zu arztzentriert. »Wir müssen alle beteiligten Akteure besser einbinden«, so die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken. Prävention sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Honorierung ermöglichen

 

Bislang sind Apotheker diesbezüglich im Leitfaden der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht gelistet, wie Cynthia Milz, Vertreterin der angestellten Apotheker im Vorstand der ABDA, kritisierte. Zusammen mit Kiefer forderte sie die ­Politik daher auf, dies zu ändern. Zudem brauche es eine Verankerung der Leistungen im SGB V, um auch eine entsprechende Honorierung dieser Dienstleistungen zu ermöglichen. Michalk unterstrich, dass hier ein rechtlicher Rahmen für Apotheker fehle und notwendig sei: »Diese Leistungen im SGB V zu verankern, darüber müssen wir ­reden«, sagte sie.

 

Mit Blick auf weitere mögliche Aufgaben des Apothekers in der Zukunft schlug Vogler zudem vor, Apotheker könnten Ärzte insbesondere auch im Bereich der Chroniker-Versorgung entlasten. Sie könne sich eine Art Chroniker-Rezept vorstellen. Dabei muss der Patient den Arzt dann etwa nur noch einmal jährlich konsultieren, um die Therapie zu überprüfen. Die Betreuung des Patienten und die sonstige Versorgung könnten durch den Apotheker ­erfolgen, so ihr Vorschlag. »Die Heil­berufe müssen die Beziehungen untereinander besser gestalten«, so ihr Appell.

 

Ein weiteres für die Arzneimittel­versorgung wichtiges Thema war das Problem der Lieferengpässe. Vogler ­betonte, die Ursachen seien vor allem wirtschaftliche. »Ökonomische Interessen, künstliche Verknappung, Rabattverträge, dies alles führt zu einer Oligo- oder gar Monopolstellung, die sehr stör­anfällig ist«, sagte sie.

 

Warum, fragte Vogler, verpflichte man die Krankenkassen nicht zu einem Mehrpartner-Modell bei Rabattverträgen oder erlege den Herstellern eine Pflicht zur Vorratshaltung auf? Damit könnten Produktionsausfälle aufgefangen werden. Im Übrigen sei hier eine europäische Lösung nötig, die das Bundesgesundheitsministerium allerdings explizit ablehne, »das ist anti­europäisch und eine Schande«, kritisierte Vogler.

 

Keine europäische Lösung

 

Michalk entgegnete, Rabattverträge seien nicht per se schlecht, so gebe es etwa auch Modelle mit zwei Anbietern. Sie betonte die Wichtigkeit des jüngst von der Koalition etablierten Frühwarnsystems und sagte mit Blick auf eine mögliche europäische Lösung: »An dieser Stelle ist Gesundheit eine nationale Aufgabe, da wir hier die Ver­antwortung für unsere Bevölkerung tragen.« /

Mehr von Avoxa