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Raucherhusten

Keine Bagatelle

15.09.2014  16:32 Uhr

Von Ulrike Viegener /  Morgens aufstehen und erst einmal ausgiebig husten: Das kennen viele Raucher. Es gibt Gründe, diesen Husten sehr ernst zu nehmen. Denn im Gefolge eines Raucherhustens können sich COPD, Lungenhochdruck, aber auch Diabetes, Osteoporose und Depressionen entwickeln.

Das hört sich nicht gut an: ein grollender Husten, der aus tiefsten Tiefen kommt. Für viele Raucher ist dieser Husten zum ständigen, lästigen Begleiter geworden, wirklich ernstgenommen wird er aber in aller Regel nicht. Einen Arzt suchen die Betroffenen meist erst dann auf, wenn der Husten längst chronisch ist und weitere Beschwerden wie Atemnot hinzugekommen sind.

 

Verstümmelte Zilien

 

Der Raucherhusten ist ein Zeichen dafür, dass die Selbstreinigungs­maschinerie des Respirationstrakts überlastet ist. Bleibt der Husten hartnäckig über längere Zeit bestehen, ist davon auszugehen, dass die Giftstoffe des Zigarettenrauchs bereits Schaden angerichtet und die mukoziliäre Clearance aus dem Takt gebracht haben.

 

Normalerweise sorgen Millionen von Flimmerhärchen auf der Bronchialschleimhaut dafür, dass eingedrungene Fremdpartikel oder Schadstoffe wieder nach draußen transportiert werden. Ein von den Becherzellen produzierter Schleimfilm dient dabei als Förderband, das von den synchron schlagenden Zilien in Richtung Rachenausgang bewegt wird. Dort mischt sich der Schleim mit dem Speichel und wird unbemerkt verschluckt.

 

Die aggressiven Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs führen zu erheblichen Störungen der Zilienfunktion, später treten dann auch Strukturschäden an den Flimmerhärchen auf. Starke Raucher setzen sich der Gefahr aus, dass irgendwann nur noch Stümpfe der Zilien vorhanden sind. Wie abgefressen sieht das Flimmerepithel beim Blick durchs Elektronenmikroskop dann aus. Der zerstörerische Prozess vollzieht sich schleichend, und am Anfang weist nur der Raucherhusten darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Der braune Schleim, der dabei zutage befördert wird, zeugt von der zunehmenden Verschmutzung des Bronchialsystems.

 

Reaktiv produzieren die Becherzellen jetzt große Mengen Sekret, das abtransportiert und abgehustet werden muss. Vor allem nachts, wenn die Bronchien in den Genuss längerer rauchfreier Pausen kommen, läuft die Reinigungsmaschinerie auf Hochtouren. Deshalb sind die Hustenattacken morgens nach dem Aufstehen besonders heftig und produktiv, wobei die zähe Konsistenz des Schleims das Abhusten schwierig macht.

 

Die sich anhäufenden Schadstoffe führen zu Entzündungsreaktionen an der Bronchialschleimhaut, die neben der übermäßigen Schleimproduktion (Hyperkrinie) für den Raucherhusten verantwortlich sind. Bei fortgesetztem Zigarettenkonsum muss damit gerechnet werden, dass sich irgendwann eine chronische Bronchitis etabliert. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) treten dabei Husten und Auswurf an den meisten Tagen des Jahres auf, jedoch mindestens drei Monate lang in zwei aufeinander folgenden Jahren.

 

Leichtes Spiel für Erreger

 

Bei einer chronischen Bronchitis haben Viren und Bakterien leichtes Spiel. Zum einen bietet der vermehrte Schleim ein ideales Milieu zur Besiedlung, zum anderen funktioniert die Mukosabarriere nicht optimal. In den Wintermonaten geht es mitunter Schlag auf Schlag: Kaum ist ein Atemwegsinfekt überstanden, kündigt sich schon der nächste an. 

Jeder Infekt setzt neue Ent­zündungsreize und treibt den pathologischen Prozess weiter voran.Wiederholte Atemwegsinfekte sind ein Grund, warum Raucher schließlich doch einen Arzt aufsuchen. Und der muss dann häufig feststellen, dass es beim Raucherhusten nicht geblieben ist. Aus der chronischen Bronchitis ist inzwischen eine chronisch obstruktive Bronchitis geworden, die durch eine dauerhafte Verengung der Atemwege und eine zunehmende Verschlechterung der Lungenfunktion gekennzeichnet ist. COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) lautet die Diagnose.

 

Die Schwellung der Bronchialschleimhaut und der sich ansammelnde zähe Schleim führen dazu, dass der Atemfluss chronisch behindert wird. Zum Husten kommt deshalb Atemnot als Leitsymptom hinzu. Zunächst fällt das Atmen nur bei außergewöhnlicher körperlicher Belastung schwer, später macht die Atemwegsobstruktion den Betroffenen auch im Alltag zu schaffen.

 

Das ist umso mehr der Fall, wenn sich auf dem Boden der chronisch obstruktiven Bronchitis auch noch ein Lungenemphysem entwickelt: Durch die Behinderung des Luftstroms vor allem beim Ausatmen kommt es zu einer Überblähung der Lungenbläschen und im weiteren Verlauf zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungenparenchyms.

 

Das ganze System leidet

 

Die COPD ist mit erheblichen Einbußen der Lebensqualität, einer hohen Folgemorbidität und einer deutlich verringerten Lebenserwartung verbunden. Trotzdem wird diese Atemwegserkrankung, die inzwischen die Dimension einer Volkskrankheit erreicht hat, immer noch unterschätzt.

 

Die Atemwegsobstruktion hat Auswirkungen auf den ganzen Körper. Bereits nach kurzer Zeit ist ein Absinken der Sauerstoffkonzentration im Blut feststellbar. Die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab, in späteren Stadien können die Einbußen dramatisch sein. Die Patienten geraten in eine Abwärtsspirale: Die Atemnot begünstigt Inaktivität, was zu einem Konditionsmangel führt, der wiederum die Atemnot verstärkt.

 

Das Risiko für Herzkrankheiten – KHK und Infarkt, Insuffizienz, Rhythmusstörungen – steigt bei COPD nachweislich an. Auch Typ-2-Diabetes und COPD treffen oft zusammen, was darauf zurückzuführen ist, dass Rauchen das Diabetesrisiko in die Höhe treibt. Eine große Metaanalyse dokumentiert im Gesamtkollektiv aktiver Raucher eine um mehr als 40 Prozent gesteigerte Diabeteshäufigkeit, bei starken Rauchern mit einem Konsum von mindestens 20 Zigaretten pro Tag von mehr als 60 Prozent (doi: 10.1001/jama.298.22.2654).

 

Vor allem Bewegungsmangel infolge abnehmender Belastbarkeit dürfte dafür verantwortlich sein, dass COPD-Patienten außerdem ein erhöhtes Osteoporoserisiko tragen. Und schließlich leidet rund die Hälfte aller COPD-Patienten an Angststörungen und Depressionen.

 

Der Trumpf im Ärmel

Dieses Szenario unterstreicht die große Bedeutung der Prävention. Die einzige Chance, Raucher zu einem Zigarettenverzicht zu motivieren, besteht darin, sie immer wieder in aller Deutlichkeit mit den dramatischen gesundheit­lichen Folgen ihres Tuns zu konfrontieren. Gleichzeitig kann man ihnen auch klarmachen: Wer frühzeitig mit dem Rauchen aufhört, hat gute Chancen, dass sich das Bronchialsystem nachhaltig erholt. Das zeigt sich kurzfristig schon daran, dass der Raucherhusten unter Nicotinkarenz in aller Regel bereits nach vier bis sechs Wochen deutlich nachgelassen hat. Langfristig ist ein Rückgang der Mortalität und Morbidität von Ex-Rauchern dokumentiert, wobei im Fall eines frühzeitigen Rauchverzichts annähernd das Niveau von Niemals-Rauchern erreicht werden kann. Das trifft nicht auf die COPD zu, die zugrundeliegenden Schäden sind hier irreparabel.

 

Wenn jemand ein Mittel gegen seinen Raucherhusten verlangt, sollten Apotheker erfragen, ob bereits ein Arzt konsultiert wurde. Wenn nicht, sollte den Betroffenen ein Arztbesuch nahegelegt werden. Von einer Selbstmedikation ist wegen der Gefahr der Verschleppung abzuraten. Die Übergänge zwischen Raucherhusten, chronischer Bronchitis und COPD sind fließend, und das Ziel muss sein, die Kaskade krankhafter Veränderungen im Bronchialsystem so früh wie möglich durch einen Rauchverzicht zu unterbrechen.

 

Die medikamentöse Behandlung des Raucherhustens richtet sich nach dem Erkrankungsstadium. Bei COPD werden inhalative β-Sympatho­mimetika angewendet, um die Bronchien weit zu stellen und eventuell zusätzlich inhalative Glucocorticoide, um die Entzündung zu kontrollieren. Diese Basistherapeutika können sich auch auf den Husten günstig auswirken.

 

Schleimlöser ja oder nein?

 

Der Einsatz von Schleimlösern beim Raucherhusten wird kontrovers diskutiert. Kritiker führen an, dass keineswegs garantiert sei, dass die medikamentöse Veränderung der Schleimkonsistenz für die angegriffenen Zilien arbeitserleichternd ist. Vielmehr könne eine zu geringe Viskosität des Schleims den Abtransport sogar erschweren.

 

Problematisch ist auch die Anwendung von Antitussiva. Einerseits ist ihr Einsatz zur Nacht zu erwägen, falls der Raucherhusten den Schlaf dauerhaft zu stören droht. Andererseits ist die rauchfreie Nacht die wichtigste Phase der bronchialen Selbstreinigung, und es wäre kontraproduktiv, diesen Prozess zu unterbinden. Vor allem in Spätstadien der COPD mit Retention von zähem Sekret sind Antitussiva daher laut Leitlinie kontraindiziert. /

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