Hunderttausende Erkrankungen befürchtet |
15.09.2014 16:32 Uhr |
Von Christina Hohmann-Jeddi / Laut US-amerikanischen Experten könnte die Ebola-Epidemie noch dramatischer verlaufen als bislang befürchtet: Ihren Hochrechnung zufolge wird das Virus noch weitere 12 bis 18 Monate grassieren und mehrere Hunderttausend Menschen infizieren. Das berichtet die »New York Times« unter Berufung auf mehrere Epidemiologen.
Vor Kurzem hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, den Ausbruch mit einem Notfallplan in sechs bis neun Monaten in den Griff bekommen zu können. Die Organisation ging von mehr als 20 000 Erkrankungen insgesamt aus. Das ist der aktuellen Berechnung zufolge eine starke Unterschätzung. Bei der momentanen Verbreitungsgeschwindigkeit müsse man von 20 000 Neuinfektionen pro Monat ausgehen.
Um die Ebola-Epidemie in den Griff zu bekommen, muss die Hilfe für die betroffenen Länder verstärkt werden. Neben Material wird vor allem Personal benötigt.
Foto: Unicef/Jallanzo
»Wir hoffen, dass wir falsch liegen«, wird einer der beteiligten Forscher, Bryan Lewis vom Virginia Bioinformatics Institute an der Technical University of Virginia, zitiert. Sollten die Hilfsmaßnahmen greifen, könne die Epidemie auch weniger schlimm verlaufen, betonen die Forscher. Die Entwicklung hänge davon ab, wie gut die Infizierten versorgt würden und ob es bald wirksame Medikamente oder Impfstoffe gebe.
Während frühere Ausbrüche auf abgelegene Gebiete beschränkt waren, hat die aktuelle Epidemie bevölkerungsreiche, verarmte Städte wie Monrovia erreicht. Das erschwert die Bemühungen, die Verbreitung des Virus zu stoppen, stark. Bislang sei zu wenig geschehen, um die Epidemie einzudämmen, hatte die Präsidentin der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« bereits Anfang September gesagt. »Die Weltgemeinschaft versagt bei ihrer Reaktion auf die bisher schlimmste Ebola-Epidemie.« Die weitere Verbreitung des Virus könne nur durch die umfangreiche Entsendung von spezialisierten medizinischen Einheiten aufgehalten werden. Sie forderte daher Staaten mit Katastrophenschutzkapazitäten auf, Personal und Material nach Westafrika zu entsenden. Kuba hat angekündigt, ein medizinisches Team von 165 Personen, mit unter anderem 100 Ärzten und 50 Krankenschwestern, nach Sierra Leone zu schicken. Das Team wird dort für sechs Monate in Schichten arbeiten, wie die WHO mitteilt.
Bislang haben sich laut WHO-Angaben etwa 4800 Menschen infiziert, 24 000 sind an Ebola gestorben. Neben Guinea, Sierra Leone und vor allem Liberia sind auch Nigeria und der Senegal betroffen. /
Mit der Zahl der Ebolapatienten in Westafrika steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Infizierte nach Europa reisen. Um eine Weiterverbreitung des Erregers zu verhindern, ist es notwendig, Erkrankte rechtzeitig zu erkennen und zu isolieren. Das European Centre for Disease Control and Prevention (ECDC) und das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) haben daher eine Fallbeschreibung für Ebola herausgegeben sowie eine Anweisung für Ärzte, wie im Verdachtsfall zu handeln ist.
An eine Ebola-Infektion sollte gedacht werden, wenn Patienten Fieber über 38,5 °C und zusätzlich eines der folgenden Symptome aufweisen: schwere Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Blutungen oder Multiorganversagen. Auch alle plötzlichen und unerklärbaren Todesfälle sollten aufmerksam machen. Ein begründeter Verdachtsfall liegt laut ECDC vor, wenn sich der Patient mit entsprechender Symptomatik in den 21 Tagen vor Einsetzen der Beschwerden in einem Endemiegebiet aufgehalten hat, Kontakt zu einem Patienten, Verdachtsfall oder Verstorbenen oder zu Säugetieren wie Flughunden oder Affen oder deren Ausscheidungen hatte. Ebenfalls verdächtig sind Infektionen bei Personen, die aus beruflichen Gründen Kontakt mit erregerhaltigem Material oder infizierten Tieren haben.
Laut Handlungsanweisung des RKI sollte der Arzt zur Abklärung des Verdachts einen Meter Abstand zum Patienten einhalten, Mund-Nasen-Schutz, Schutzbrille und Einmalkittel tragen. Liegt ein begründeter Verdacht vor, ist eine strikte Isolierung in einer Sonderisolierstation in Behandlungszentren für hochkontagiöse und lebensbedrohliche Erkrankungen unverzüglich anzustreben und eine Labordiagnostik auf eine Ebolavirus-Infektion zu veranlassen, schreibt das RKI. Zudem sollten alle Kontaktpersonen ermittelt und für die Dauer der Inkubationszeit von 21 Tagen überwacht werden, ob sie Symptome entwickeln. Die Falldefinition sowie das Fließschema zur Abklärung von Verdachtsfällen sind unter www.rki.de/ebola zu finden.