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Unangenehme Untersuchungen

Bloß keine falsche Scham

18.09.2012  16:18 Uhr

Von Annette Mende / Wohl niemand freut sich auf den Arztbesuch, wenn eine gynäkologische Untersuchung, ein digital-rektaler Prostata­check oder eine Darmspiegelung anstehen. Doch jede dieser Früherkennungsuntersuchungen ist zu wichtig, als dass man sie aus falscher Scham einfach auslassen könnte. Ausführliche Information darüber, was einen beim Arzt erwartet, kann die Scheu abbauen.

Eigentlich sprechen die Fakten für sich: Im Laufe seines Lebens erkrankt jeder 15. Deutsche an Darmkrebs. Kolorektalkarzinome wachsen aber in der Regel langsam, sodass genügend Zeit für eine Diagnose in frühen, noch nicht metastasierten Krankheitsstadien vorhanden ist. Momentan gibt es kein Verfahren, das der Koloskopie zur Früherkennung von Darmkrebs überlegen ist. Ab 50 ist die Darmspiegelung alle zehn Jahre für gesetzlich Krankenversicherte zudem kostenlos.

Rational betrachtet gibt es also keinen Grund, dieses Präventionsangebot nicht wahrzunehmen. Trotzdem lassen sich jährlich von 24 Millionen infragekommenden Personen nur 500 000 bis 600 000 mittels Vorsorgekoloskopie untersuchen. Die anderen wissen entweder nichts von dieser Möglichkeit, oder die Vorstellung, sich von einem Arzt einen Schlauch in den After einführen zu lassen, ist ihnen so sehr zuwider, dass sie die Untersuchung ablehnen.

 

Die Bundesregierung will daher verschiedene Möglichkeiten erproben, mit persönlichen Einladungsschreiben die Inanspruchnahmerate der Vorsorge­koloskopie zu verbessern. Auch Apotheker sollten im Gespräch ihre Kunden mittleren und höheren Alters zu dieser Untersuchung ermuntern. Denn eigentlich muss man sich vor einer Kolo­skopie nicht fürchten: Wer möchte, kann sich eine Kurznarkose geben lassen und bekommt dann von der anschließenden Untersuchung gar nichts mit.

 

Das Abführen belastet

 

Überhaupt hat man den Part, den viele Patienten als den unangenehmsten empfinden, bereits hinter sich, wenn man beim Gastroenterologen auf der Pritsche liegt: die Darmreinigung. Das Abführen beginnt in der Regel am Nachmittag oder Abend vor der Untersuchung. Zum Einsatz kommt meist eine Macrogol-4000-haltige Lösung. Um den Darm vollständig zu entleeren, muss der Patient mehrere Liter dieses osmotischen Abführmittels trinken. Danach muss gefastet werden.

 

Bei der eigentlichen Untersuchung liegt der Patient auf der linken Seite. Der Arzt führt das etwa fingerdicke Koloskop – einen biegsamen Schlauch mit Lichtquelle und Videokamera am vorderen Ende – in den After ein und schiebt es schrittweise bis zum Dünndarm vor. Beim Zurückziehen des In­struments werden Luft oder CO2 eingeblasen, um den Darm zu entfalten, und der gesamte Dick- und Enddarm genau auf verdächtige Schleimhautveränderungen untersucht. Polypen, also pilzförmige Geschwulste der Darmschleimhaut, die zu bösartigen Tumoren ent­arten können, kann der Arzt mithilfe einer Biopsiezange oder einer Elektroschlinge direkt entfernen. Diese Zusatz­instrumente befinden sich ebenfalls an der Spitze des Koloskops.

 

Wie zuverlässig alle Schleimhautveränderungen bei einer Darmspiegelung entdeckt werden, hängt entscheidend von der Erfahrung des Untersuchers ab. Ärzte brauchen daher eine besondere Qualifikation, um zur Früherkennungskoloskopie berechtigt zu sein.

 

Prostatacheck ab 45

 

Für Männer ab 45 sieht das gesetzliche Früherkennungsprogramm einmal pro Jahr eine Prostatauntersuchung vor. Diese muss nicht zwingend von einem Urologen vorgenommen werden, sondern kann auch durch den Hausarzt erfolgen. Der Arzt untersucht die Geschlechtsorgane und die Lymphknoten in der Leiste und tastet die Prostata vom Enddarm aus ab.

 

Bei dieser sogenannten digital-rektalen Untersuchung steht der Patient entweder vornübergebeugt vor der Untersuchungsliege und stützt sich mit den Ellenbogen darauf ab, kniet auf beiden Knien und Ellenbogen auf der Untersuchungsliege oder liegt mit angewinkelten Beinen auf der Seite oder mit hochgelegten Beinen auf dem Rücken, während der Arzt mit dem Zeigefinger vorsichtig in den Enddarm eindringt. Um Schmerzen zu vermeiden, verwendet er dabei einen Einmalhandschuh und Gleitmittel. Auch im Fall der digital-rektalen Untersuchung ist die Treff­sicherheit zur Krebsfrüherkennung stark von der Erfahrung und den Fähigkeiten des Untersuchers abhängig.

Frauen sollten bereits in jüngeren Jahren, nämlich ab 20 einmal pro Jahr zum Gynäkologen. Die frauenärztliche Untersuchung umfasst das Abtasten der Gebärmutter und anderer innerer Organe. Dazu nimmt die Frau im gynäkologischen Untersuchungsstuhl Platz. Dann führt der Arzt gleichzeitig zwei Finger einer Hand in die Scheide ein und tastet gleichzeitig mit der anderen Hand die Bauchdecke ab. So kann er Muttermund, Gebärmutterhals, Gebärmutter und Eierstöcke fühlen und deren Form beurteilen.

 

Um den Gebärmutterhals möglichst komplett sichtbar zu machen, wird ein Metallspatel, das sogenannte Spekulum, verwendet. Schließlich werden noch Zellproben vom Gebärmutterhals entnommen, die anschließend im Labor auf verdächtige Veränderungen untersucht werden. Das Abtasten der Brust ist erst für Frauen ab 30 Teil des gesetzlichen Früherkennungsprogramms.

 

Mädchen haben häufig große Angst vor dem ersten Besuch beim Frauenarzt. Manche Praxen bieten daher sogenannte Mädchensprechstunden an, in denen die jungen Frauen den Arzt und die Praxis kennenlernen und Fragen stellen können. Weitere Infos finden sich unter anderem auf www. loveline.de und auf www.frauenarzte-im-netz.de. / 

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