Homöopathika in der Praxis |
20.09.2011 13:52 Uhr |
Von Werner Kurzlechner, Berlin / Viele Mediziner schätzen homöopathische Arzneimittel mittlerweile zumindest als sinnvolle Ergänzung zur schulmedizinischen Therapie. Nach wie vor bestehen in diesem Bereich indes Defizite. So fehlt weiterhin eine belastbare und international einheitliche Wissensgrundlage.
Fast postwendend nach Freigabe der Diskussion fiel das nahezu unvermeidliche Reizwort: Esoterik. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und die Hufelandgesellschaft als Naturheilkunde-Dachgesellschaft hatten vergangene Woche in Berlin eingeladen, um die Wirkung homöopathischer Medikamente in der Praxis zu beleuchten. Der Esoterik-Vorwurf bezog sich auf den derart hohen Verdünnungsgrad mancher Präparate, dass der Wirkstoff und damit eine chemische Reaktion überhaupt nicht mehr nachzuweisen sind.
Im Jahr 2010 machten homöopathische Arzneimittel 8 Prozent des Umsatzes mit nicht- rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus.
Foto: Fotolia/Elena Schweitzer
Vom Podium wurde gekontert, dass in solchen Fällen aber eine physiologische Wirkung eindeutig nachweisbar sei. Neben den schwer zu bestreitenden Erfolgsberichten aus der Praxis machte nicht nur diese Episode klar, welche Sollbruchstellen im Homöopathie-Bereich aus pharmakologischer Sicht auf absehbare Zeit weiter bestehen. Ansonsten gängige klinische Doppelblindstudien seien aufgrund des individuellen Therapieansatzes in der Regel unmöglich, hieß es.
Dennoch forderten Podiumsteilnehmer wie die Berliner Allgemeinärztin Dr. Irmgard Schnittert eine stärkere Evidenzorientierung in der homöopathischen Forschung. Die Veranstalter hatten in weiser Voraussicht ein elfseitiges Dossier mit Studien vorbereitet, die Erfolge homöopathischer Therapien dokumentieren.
Eine international einheitliche Grundlage fehlt
Es besteht offenbar immer noch Rechtfertigungsdruck, obwohl der Arzt und Apotheker Samuel Hahnemann hierzulande bereits vor 200 Jahren die Grundlagen für die Homöopathie legte. Ein darin wurzelnder Grund für den fortbestehenden Nachholbedarf wurde in Berlin dargelegt. In Ländern wie Frankreich entwickelte sich eine ganz andere Traditionslinie heraus, eine international einheitliche Wissensgrundlage über Wirkstoffe und ihre Einsatzmöglichkeiten steht immer noch aus.
Dann ist da die eigenwillige Regelung, dass homöopathische Arzneimittel mit Wirksamkeitsnachweis zugelassen sind wie andere Arzneimittel auch, dass daneben aber auch der Vertrieb unbedenklicher und Qualitätsstandards erfüllender Präparate nach Registrierung ebenfalls möglich ist. Hinzu kommen unterschiedlichste Therapieansätze der Mediziner und auch – je nach Präferenz – unterschiedliche Einrichtungen, die die Homöopathie repräsentieren. Auch diese Trennlinien wurden auf dem Podium deutlich.
Dr. Barbara Steinhoff vom BAH legte den ökonomisch und politisch aktuellen Stand der Dinge dar. Demnach machten homöopathische Arzneimittel im vergangenen Jahr 8 Prozent des Umsatzes mit nicht-rezeptpflichtigen Medikamenten in der Bundesrepublik aus. Das heißt, dass Packungen für etwa 400 Millionen Euro über die Tresen deutscher Apotheken gingen. Gegenüber 2009 war bei den verordneten Präparaten ein Minus von 8,4 Prozent und bei den selbst gekauften Mitteln eines von 2,2 Prozent zu verzeichnen. »Derartige Schwankungen sind normal und treten von Jahr zu Jahr auf«, ordnete Steinhoff ein.
Die Herausnahme nicht-rezeptpflichtiger Arzneimittel aus dem Kassenkatalog 2004 traf die Homöopathika laut Steinhoff besonders hart. Seit der Einführung von Wahltarifen durch viele Kassen 2007 gab es offenbar wieder eine Erleichterung. Ab Januar 2012 sei eine Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillige Satzungsleistung möglich, so Steinhoff. Darüber wird in der politischen Arena entschieden.
Ebenso Kunst wie Wissenschaft
Dass die Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln ebenso Kunst wie Wissenschaft ist, verdeutlichte Schnittert mit einem aufschlussreichen Bild. »Es ist ein bisschen wie Billardspielen«, sagte die Ärztin. »Wir geben der Kugel einen Stoß und schauen dann, wie es auf dem Rechteck aussieht.« Neben akuten Krankheiten bewähre sich der Einsatz von Homöopathika auch bei chronischen Erkrankungen, indem die Dosis schwerer schulmedizinischer Mittel dauerhaft heruntergefahren werden könne. Als Beispiel nannte Schnittert etwa die Reduktion von Schmerzmitteln bei Rheumapatienten. /