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Gesunde Zähne

Die Kleinsten im Blick

20.09.2011  13:45 Uhr

Von Annette Mende, Berlin / Zu früh kann man mit der Zahn­pflege eigentlich gar nicht anfangen. Der Tag der Zahngesundheit am 25. September steht deshalb dieses Jahr unter dem Motto »Gesund beginnt im Mund – je früher, desto besser«.

Mit einer guten Nachricht begann Professor Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, seinen Vortrag bei der zentralen Pressekonferenz zum Tag der Zahn­gesundheit in Berlin: »Die Karieslast der 12-Jährigen hat sich in den vergangenen 25 Jahren um 80 Prozent verringert.« Die große Mehrheit der Kinder habe heute gesunde Zähne und eine gute Mundhygiene. Die Ursachen dieses Erfolges seien vielfältig. Neben der breiten Verwendung von Fluoriden nannte Oesterreich vor allem die flächendeckende Einführung der Gruppen- und Individualprophylaxe.

Wenige sind sehr krank

 

Doch ist die Entwicklung durchaus heterogen. Denn es gibt eine vergleichsweise kleine Bevölkerungsgruppe, die nach wie vor mit deutlichen Mund­gesundheitsproblemen zu kämpfen hat. »Diese Gruppe wird immer kleiner, aber auch immer kränker«, sagte Oesterreich. Betroffen seien vor allem Kinder aus bildungsfernen und sozial schwachen Schichten sowie aus Fami­lien mit Migrationshintergrund.

 

Das zeigt sich unter anderem bei der Häufigkeit der sogenannten Nuckel­flaschenkaries. Diese entsteht, wenn Kinder regelmäßig und zu lange an Fläschchen mit gesüßten oder fruchtsäurehaltigen Getränken nuckeln. »Die Folgen sind tiefgreifende Zerstörungen insbesondere der vorderen Frontzähne«, erläuterte Oesterreich. Die Nuckelflaschenkaries sei häufig mit massiven Beschwerden verbunden und erfordere nicht selten eine aufwendige Zahnentfernung unter Vollnarkose – für die kleinen Patienten ein traumatisierendes Erlebnis.

 

Oesterreich stellte die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Untersuchung von Vorschulkindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren in Kindertagesstätten in Hannover vor. Darin zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Nuckel­flaschenkaries und dem Sozialstatus: 35 Prozent der Kinder aus Familien mit niedrigem sozialem Status, aber weniger als 5 Prozent der sozial besser­gestellten Kinder waren betroffen.

Es geht nicht nur um die Zähne

 

»Der soziale Status ist das bestimmende Element für die Mundgesundheit von Kindern«, fasste Oesterreich zusammen. Das betreffe im Übrigen aber nicht nur die Mundhöhle, sondern den gesamten Körper. Die Verbesserung der (Zahn-)Gesundheit von Kindern aus sozial schwächeren Familien bezeichnete er daher als gesamtgesellschaft­liche Aufgabe. Für die weitere Verbesserung der Mundgesundheit seien daher vor allem eine offensivere Betreuung von Hochrisikogruppen sowie eine speziell auf Migranten ausgerichtete Aufklärung erforderlich.

 

Denn mit den gegenwärtigen Screeningmethoden werde die frühkindliche Karies häufig zu spät entdeckt. »Annährend die Hälfte der kariösen Defekte, die zum Zeitpunkt der Einschulung vorhanden sind, entsteht bereits in den ersten drei Lebensjahren«, informierte der Zahnarzt. Es müsse daher erreicht werden, dass die Kinder früher in den Zahnarztpraxen vorgestellt werden. Eine Möglichkeit hierzu sieht er in der Vernetzung von Zahnärzten mit Gynäkologen, um bereits werdende Mütter für die Bedeutung der Mundgesundheit ihres Kindes zu sensibilisieren. Auf Landesebene gebe es bereits gute Beispiele einer solchen Zusammenarbeit, die es zu institutionalisieren gelte. Oesterreich regte an, einen zahnärztlichen Kinderpass einzuführen, vergleichbar etwa dem Mutterpass oder dem gelben Kinderuntersuchungsheft.

»Eine gute Mundgesundheit von Kindesbeinen an ist Basis für eine gesunde körperliche und psychische Entwicklung«, sagte Oesterreich. Neben ihrer Aufgabe als Kauwerkzeuge hätten die Milchzähne dabei eine wichtige Funktion in der Sprachentwicklung und als Platzhalter für die bleibenden Zähne. Eine lebenslange gute Mundpflege ist daher unerlässlich, um das Gebiss dauerhaft funktionsfähig zu erhalten.

 

Das betonte auch Professor Dr. Ralf J. Radlanski von der Charité Berlin. Der Kieferorthopäde wies darauf hin, dass Eltern und Betreuer bei Kindern bis zu drei Jahren besonders auf einen korrekten Mundschluss und die richtige Ruhelage der Zunge am Gaumen statt im Mundboden achten sollten. Für ein gesundes Mundhöhlenmilieu sei es zudem wichtig, dass kleine Kinder beizeiten lernten, den Mund geschlossen zu halten und durch die Nase zu atmen. »Kinder frühzeitig an die tägliche Mundhygiene heranzuführen und auf ihre gesunde Ernährung zu achten, sind weitere Faktoren«, sagte Radlanski.

 

Dazu gehöre es auch, Zwischenmahlzeiten möglichst zu vermeiden. Die gute alte Regel »Nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen« lässt sich nämlich kaum einhalten, wenn man ständig etwas zwischendurch verzehrt. Radlanski: »Coffee to go, Snack to go – das alles gibt es schon längst. Man müsste aber mal eine Brush to go einführen. Das wäre für die Zahngesundheit ein enormer Fortschritt.« / 

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