»Wir brauchen jetzt einen langen Atem« |
11.09.2012 17:37 Uhr |
Von Daniel Rücker / Regionale statt bundesweite Proteste gegen die zu geringe Honorarerhöhung, so lautet die Strategie der ABDA. Präsident Heinz-Günter Wolf und sein Vize Friedemann Schmidt erläutern im PZ-Interview, warum die Vielfalt im Protest wichtig ist und eine zu heftige Konfrontation mit der Bundesregierung den Apothekern nicht unbedingt hilft.
PZ: In diesen Tagen starten Apothekerverbände ihre Proteste gegen die unzureichende Anpassung des Apothekenhonorars. Wird es neben den regionalen Aktionen auch eine große bundesweite Demo geben?
Schmidt: Gegenwärtig ist keine zentrale Demonstration geplant. Jeder, der das fordert, muss wissen, dass er damit eine politische Demonstration gegen die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen bekommt – und keinen normalen Arbeitskampf, wie ihn Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber führen. Ob das angesichts des beginnenden Bundestagswahlkampfes eine gute Idee ist, wage ich zu bezweifeln.
PZ: Manche Apotheker sehen in der Vielzahl kleinerer Aktionen ein Indiz für die Unentschlossenheit der ABDA. Was halten Sie diesen entgegen?
Schmidt: Ich habe solche Kritik auch bekommen. Dabei wird bei aller verständlichen Empörung immer wieder eines vergessen: Wir sind ein strukturell regulierter Berufsstand und dauerhaft auf politische Unterstützung angewiesen. Wer die aufs Spiel setzen will, muss im Zweifel gute Alternativen an der Hand haben. Die ABDA hat ihre Ablehnung und ihren Protest klar und deutlich artikuliert. Sie ist aber auch dafür da, die Verbindung des Berufsstandes zur Politik zu organisieren und zu erhalten. Wenn wir zu der Auffassung gelangen, dass der Situation nur mit bundesweiten und zentral organisierten Maßnahmen zu begegnen ist, wird es solche Maßnahmen geben. Gegenwärtig schätzen wir das anders ein, das hat mit Unentschlossenheit nichts zu tun.
PZ: Warum sind regionale Proteste sinnvoller?
Schmidt: Die gut vernetzten und einflussreichen Mitgliedsorganisationen sind die Stärke der ABDA. Wir sind gut beraten, deren Kreativität und Basisnähe für wirksame Proteste zu nutzen. So verschieden wie die Bedingungen in den einzelnen Bundesländern sind, so verschieden muss auch der Protest sein. Ein Warnstreik, bei dem jede dritte Apotheke schließt, ist im Erzgebirge vielleicht wirksam, in Berlin gehen die Leute einfach zur nächsten. Welche Maßnahmen wo wirken und wo nicht, kann man nur vor Ort entscheiden und organisieren. Wir brauchen jetzt einen langen Atem. Unsere Ziele werden wir nur mit einem langfristigen und glaubwürdigen Protest erreichen können.
PZ: Wie wird die ABDA die Landesverbände unterstützen?
Schmidt: Indem wir unsere eigenen Kommunikationskanäle den Mitgliedsorganisationen zur Verfügung stellen und überregionale Aufmerksamkeit für regionale Maßnahmen erzeugen. Damit erhöhen wir die Wirksamkeit dieser Maßnahmen. So stellen wir Materialien und Texte zur regionalisierten Verwendung zur Verfügung. Die ABDA ist und bleibt ein Spitzenverband der Verbände, das ist ihre Stärke und die werden wir ausspielen.
PZ: Bedeutet diese erste Protestwelle der Apotheker, dass die Gespräche mit der Bundesregierung endgültig gescheitert sind?
»Wir können nicht akzeptieren, dass man sich zwischen den Ministerien den Schwarzen Peter immer gegenseitig zuschiebt.«
Wolf: Überhaupt nicht. Regionale Aktionen der Apotheken und der Dialog mit der Politik gehören zusammen. Sie sind flankierende Maßnahmen zur politischen Diskussion, denn sie sind eine Botschaft an die Bundesregierung und die Politiker in ihren Wahlkreisen. Außerdem werden sie von der regionalen Presse aufgegriffen. Die Proteste der Apotheken verstärken und unterstützen unsere Forderungen bei den Gesprächen.
PZ: Welche Chancen sehen Sie in dem anstehenden Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler?
Wolf: Wir gehen von einem konstruktiven, sachorientierten Gespräch aus, denn eine Anpassung der Apothekerhonorare ist keine Klientelpolitik und auch kein Flohmarkt, sondern eine im Gesetz vorgeschriebene Pflicht des Wirtschafts- und des Gesundheitsministeriums. Dass beide Ministerien von Politikern aus derselben Partei geführt werden, sollte bei den Abstimmungsprozessen eigentlich hilfreich sein. Jedenfalls können wir nicht akzeptieren, dass man sich zwischen den verschiedenen Leitungsebenen und Ministerien den »Schwarzen Peter« immer wieder gegenseitig zuschiebt.
PZ: Wie wollen Sie weiter vorgehen, wenn es kein zufriedenstellendes Ergebnis geben sollte und die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung so beschlossen wird, wie es das BMWi derzeit plant?
Wolf: Das ist eine Frage, die wir auf der ABDA-Mitgliederversammlung am 20. September in Berlin und natürlich auch auf dem Deutschen Apothekertag Mitte Oktober in München diskutieren werden. Aber wie gesagt: Wir werfen weder vorher die Flinte ins Korn, noch spielen wir nachher beleidigte Leberwurst. Es geht um die Sache, nämlich die faire Honorierung der Leistungen.
PZ: Könnte unter diesen Umständen auch ein Streik, regional oder bundesweit, doch ein Thema werden?
Wolf: Auch das müssen wir nach dem Ende dieser Woche entscheiden. Was uns allen allerdings wenig hilft, ist ein Wettbewerb der verbalen Radikalität, wie er zurzeit in einzelnen Internetforen oder Leserbriefen von Fachzeitschriften geführt wird. Da würde ich mir wünschen, dass manch ein Kollege seinem Unmut lieber in einem Leserbrief an seine Regionalzeitung oder auch an eine große überregionale Zeitung Luft macht, als in den Fachmedien gegen die gewählten Vertreter in Kammer, Verband und ABDA zu wettern.
PZ: Welche Rolle spielt der Apothekertag im Oktober in München bei Ihren Überlegungen? Sind dort Proteste gegen die Honorierung denkbar?
Wolf: Wenn die Regierung eine dauerhafte Unterfinanzierung der Apotheken plant, was ich leider nicht ausschließen kann, werden wir uns auf längere Zeit damit, auch öffentlich, auseinandersetzen müssen. Wir haben ja zuvor noch die außerordentliche Mitgliederversammlung angesetzt, auf der genau diese Frage diskutiert werden soll. Und in München kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Delegierten die Honorarpolitik der Bundesregierung mit übergroßer Begeisterung beklatschen werden.
PZ: Die ABDA hatte ursprünglich auch eine Anpassung der Vergütungen für Rezepturen, BtM-Verordnungen sowie den Nacht- und Notdienst gefordert. Könnten diese Forderungen im Falle eines Misserfolges bei der Preisverordnung wieder aufgegriffen werden?
Wolf: Diese Forderungen haben sich bereits einige Landesregierungen zu eigen gemacht. Meine eigene niedersächsische Landesregierung gehört dazu, wofür ich sehr dankbar bin. Auch aus den Reihen der Opposition sind Forderungen in diese Richtung gestellt worden. Dies zeigt die Richtigkeit unserer Vorschläge, die genau die Struktur der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken vor Ort sichern.
PZ: Neben den kurzfristigen, auf den konkreten Anlass bezogenen Aktionen muss es auch eine mittel- bis langfristige Kommunikationsstrategie über den Mehrwert der apothekerlichen Arbeit geben. Gibt es dafür bereits ein Konzept?
»Wer die politische Unterstützung aufs Spiel setzt, muss im Zweifel gute Alternativen an der Hand haben.«
Schmidt: Der Wert, den die Menschen einem Gut, wie es die Arzneimittelversorgung ist, beimessen und der sich im Preis niederschlägt, hängt von Art und Umfang seines Angebotes ab. Preiserhöhungen für etwas zu erreichen, das jederzeit und im Überfluss verfügbar ist, und auch noch offensiv und in einem harten Verdrängungswettbewerb am Markt angeboten wird, schaffen nur Kartelle oder Oligopole. Die Politik weiß ganz genau, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum das Risiko besteht, dass wir dauerhaft spürbare Leistungskürzungen durchsetzen können. Deshalb kann sie uns mit leichter Hand eine chronische Unterfinanzierung zumuten.
Ich will damit sagen, dass es nicht damit getan ist, den Wert unserer Leistung besser zu kommunizieren, darüber reden wir seit Jahrzehnten. Wir müssen auch darüber diskutieren, wie und in welchem Umfang wir unsere Leistung zukünftig anbieten wollen. Die Ärzteschaft, die uns ja immer gern beispielgebend vorgehalten wird, hat erst echte Honorarverbesserungen erreicht, als eine für die Patienten spürbare Leistungskürzung eingetreten ist. Die Position, es müssten einfach ein paar Apotheken verschwinden, dann ginge es den übrigen besser, ist für einen freien Beruf völlig inakzeptabel.
PZ: Was müsste sich denn aus Ihrer Sicht ändern?
Schmidt: Was wir brauchen, ist eine neue Kultur der Kollegialität und des Wettbewerbes untereinander. Wenn wir unseren innerapothekerlichen Verdrängungswettbewerb nicht in den Griff bekommen, gehen wir am Schluss alle daran kaputt.
Das politische Konzept, über chronische Unterfinanzierung zu einer »Marktbereinigung« zu kommen, kann man für sich annehmen und darauf hoffen, man werde zu den Überlebenden gehören, oder man kann es zurückweisen. Zurückweisen kann man es aber nur gemeinsam. Das wird die Aufgabe der nächsten Jahre für uns sein, egal wie die Schlacht um das Honorar diesmal ausgeht. /